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Die drei Schichten der biopsychischen StrukturDavid Holbrook, M.D.
Reich, W. 1942: Die Funktion des Orgasmus, Frankfurt: Fischer Taschenbuch Verlag, 1972: „Es ist nicht zu gewagt zu behaupten, daß die kulturellen Umwälzungen unseres Jahrhunderts durch das Ringen der Menschheit nach Wiedergewinnung der natürlichen Gesetze des Liebeslebens bestimmt sind. Dieses Ringen um Natürlichkeit und Einheit von Natur und Kultur gibt sich in den verschiedenen Formen mystischer Sehnsucht, kosmischer Phantasien, ‚ozeanischer‘ Gefühle, religiöser Ekstasen, und vor allem im Fortschreiten der sexuellen Freiheiten bekannt; es ist unbewußt, neurotisch widerspruchsvoll, angsterfüllt, und es erfolgt oft in den Formen, die die sekundären, perversen Triebe kennzeichnen. Eine Menschheit, die jahrtausendelang gezwungen war, ihr biologisches Grundgesetz zu verleugnen und infolgedessen eine zweite Natur, die eine Widernatur ist, erworben hat, kann nur in irrationale Raserei geraten, wenn sie die biologische Grundfunktion restituieren will und davor Angst hat. Die patriarchalisch-autoritäre Ära der Menschheitsgeschichte hat versucht, die sekundären asozialen Triebe durch zwangsmoralische Verbote in Schach zu halten. So kam der fragwügdige Kulturmensch dazu, ein strukturell dreifach geschichtetes Lebewesen zu werden. An der Oberfläche trägt er die künstliche Maske der Selbstbeherrschung, der zwanghaft unechten Höflichkeit und der gemachten Sozialität. Damit verdeckt er die zweite Schicht darunter, das Freudsche ‚Unbewußte‘, in dem Sadismus, Habgier, Lüsternheit, Neid, Perversion aller Art etc. in Schach gehalten sind, ohne jedoch das geringste an Kraft einzubüßen. Diese zweite Schicht ist das Kunstprodukt der sexualverneinenden Kultur und wird bewußt meist nur als gähnende innere Leere und Öde empfunden. Hinter ihr, in der Tiefe, leben und wirken die natürliche Sozialität und Sexualität, die spontane Arbeitsfreude, die Liebesfähigkeit. Diese letzte und dritte Schicht, die den biologischen Kern der menschlichen Struktur darstellt, ist unbewußt und gefürchtet. Sie widerspricht jedem Zug autoritärer Erziehung und Herrschaft. Sie ist gleichzeitig die einzige reale Hoffnung, die der Mensch hat, das gesellschaftliche Elend einmal zu bewältigen.“ (S. 175f, Hervorhebungen im Original) Reich, W. 1946: Massenpsychologie des Faschismus, Frankfurt: Fischer Taschenbuch Verlag,1974: „(…) beim Beurteilen menschlicher Reaktionen (haben wir) grundsätzlich mit drei verschiedenen Schichten der biophysischen Struktur zu rechnen (…). Diese Schichten der Charakterstruktur sind (…) autonom funktionierende Ablagerungen der sozialen Entwicklung. In der oberflächlichen Schichte seines Wesens ist der durchschnittliche Mensch verhalten, höflich, mitleidig, pflichtbewußt, gewissenhaft. Es gäbe keine soziale Tragödie des Menschentiers, wenn diese oberflächliche Schichte des Wesens mit dem tiefen natürlichen Kern unmittelbar in Kontakt wäre. Dies ist nun tragischerweise nicht der Fall: Die oberflächliche Schichte der sozialen Kooperation ist ohne Kontakt mit dem tiefen biologischen Kern der Person; sie ist getragen von einer zweiten, einer mittleren Charakterschichte, die sich durchwegs aus grausamen, sadistischen, sexuell lüsternen, raubgierigen und neidischen Impulsen zusammensetzt. Sie stellt das Freudsche ‚Unbewußte‘ oder ‚Verdrängte‘ dar, die Summe aller sogenannten ‚sekundären Triebe‘ in der Sprache der Sexualökonomie. Die Orgonbiophysik vermochte das Freudsche Unbewußte, das Antisoziale im Menschen, als sekundäres Resultat der Unterdrückung primärer biologischer Antriebe zu begreifen. Dringt man durch diese zweite Schichte des Perversen tiefer ins biologische Fundament des Menschentieres vor, so entdeckt man regelmäßig die dritte und tiefste Schichte, die wir den ‚biologischen Kern‘ nennen. Zutiefst, in diesem Kern, ist der Mensch ein unter günstigen sozialen Umständen ehrliches, arbeitsames, kooperatives, liebendes oder, wenn begründet, rational hassendes Tier. (S. 11, Hervorhebungen im Original) „Der biologische Kern des Menschen ist (…) seit dem Untergange der primitiven arbeitsdemokratischen Organisation ohne soziale Vertretung geblieben.“ (S. 12) „In den ethischen und sozialen Idealen des Liberalismus erkennen wir die Vertretung der Züge der oberflächlichen, auf Selbstbeherrschung und Toleranz bedachten Charakterschichte. Dieser Liberalismus betont seine Ethik zum Zwecke der Niederhaltung des ‚Untiers im Menschen‘, unserer zweiten Schichte der ‚sekundären Triebe‘, des Freudschen ‚Unbewußten‘. Die natürliche Sozialität der tiefsten, dritten Schicht, der Kernschichte, ist dem Liberalen fremd. Er bedauert und bekämpft die menschliche Charakterperversion mittels ethischer Normen, aber die sozialen Katastrophen des XX. Jahrhunderts lehrten, daß er damit nicht weit kam. Alles echt Revolutionäre, jede echte Kunst und Wissenschaft stammt aus dem natürlichen biologischen Kern des Menschen. Weder der echte Revolutionär noch der Künstler oder der Wissenschaftler hat bisher Massen gewonnen, geführt oder, wenn geführt, dauernd im Bereiche der Lebensinteressen halten können.“ (Ibid. S. 12) Reich, W. 1949: Charakteranalyse, Köln: KiWi, 1989: „Was im homo normalis mit großem Aufwand getrennt gehalten wird, ist in der Welt des Schizophrenen in eine einzige Erfahrung legiert. Der ‚gut angepaßte‘ homo normalis setzt sich aus genau denselben Erfahrungen zusammen wie der Schizophrene; darüber läßt die Tiefenpsychiatrie keinen Zweifel. Er unterscheidet sich von ihm allein darin, daß diese Funktionen bei ihm in anderer Beziehung zueinander stehen. Er ist – im Alltag, im Büro – der gut angepaßte, ‚allseits beliebte‘ Kollege, dem man nichts nachsagen kann. Seine sekundären, perversen Triebe lebt er nur aus, in sadistischen Orgien oder wahllosem Geschlechtsverkehr, wenn er gelegentlich einmal in eine fremde Stadt fährt. Dann kommt seine ‚mittlere Schicht‘ zum Vorschein, und die ist sauber und scharf getrennt von seiner äußeren Fassade. Er glaubt an die Existenz einer personalen, übernatürlichen Macht, an ihren Gegenpart, den Teufel in der Hölle, und an eine dritte Gruppe von Erfahrungen, die wiederum sauber und scharf von den beiden anderen abgegrenzt ist. Diese drei Hauptgruppen überschneiden sich nicht. Homo normalis glaubt nicht an Gott, wenn er gerade ein paar krumme Touren macht – was dann der Pfarrer sonntags als ‚Sünde‘ tadelt. Homo normalis glaubt nicht an den Teufel, wenn er sich gerade in einer wissenschaftlichen Sache engagiert. Und er hat als Familienvater keine Perversionen – doch vergißt er Frau und Kinder, wenn er im Bordell dem Teufel freie Bahn gibt.“ (S. 521) Reich, W. 1953: Christusmord, Freiburg: Walter, 1978, S. 97: Reich, W. 1956. Die emotionale Wüste. In: Ausgewählte Schriften, Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1976: „Schon seit Anfang der charakteranalytischen Forschung in den zwanziger Jahren schien es so, als ob der menschliche Charakter aus drei verschiedenen Schichten bestehe; der äußeren, sozial angepaßten Schicht, der mittleren Schicht mit all ihren Panzerblocks, den ‚unterdrückten Impulsen‘ und dem Kern, der als das hocherregbare, reaktionsfähige und mobile autonome plasmatische Lebenssystem funktioniert und der das organisierte, autonome Nervensystem einschließt, das nur von primordialen Ladungs-Entladungs-Funktionen bei der Ausbalancierung des Energiesystems beherrscht schien.” (S. 474) Harman, R. 1997. Procrastination as a Symptom of Catatonic Schizophrenia. Journal of Orgonomy 31(1):69-82: „(…) der Schizophrene hat eine unvollständige und manchmal unorganisierte Oberflächenschicht. (…) Der Kontakt mit dem Therapeuten ermöglicht es dem schizophrenen Patienten, eine intaktere und organisiertere soziale Fassade (oberflächliche Schicht) zu entwickeln. Im Gegensatz dazu muß der Therapeut bei vielen neurotischen Patienten das Gespräch über oberflächliche Angelegenheiten häufig auf ein Minimum beschränken, um Elemente der sozialen Fassade aufzubrechen, die einen echten Kontakt beeinträchtigen. Bei Schizophrenen können Diskussionen über oberflächliche Details des Lebens durch Aufbau der sozialen Fassade sehr therapeutisch sein. Dies erleichtert den Kontakt mit anderen. (…) In der Praxis haben der Kernkontakt und der Mangel an Panzer des Schizophrenen einen tiefgreifenden Einfluß darauf, wie der Orgonom mit ihm umgehen muß. Was auch immer der Therapeut im Verhältnis zum Schizophrenen sagt oder tut, wird sehr ‚zu Herzen genommen‘, d.h. es wird zu seinem Kern gehen. Es wird ihn sehr tief treffen, und seine Unverträglichkeit gegenüber der daraus resultierenden Erregung kann dazu führen, daß er das Gesagte verzerrt wahrnimmt. (…) Ein Wort der Ermutigung oder ein bißchen gesunder Menschenverstand von mir drang immer in ihren Kern vor und konnte von daher eine tiefgreifende therapeutische Wirkung haben. (…) Diese Patientin benötigte keine direkte Arbeit an der Muskelpanzerung, sondern reagierte auf Charakteranalyse (…).“ (S. 78f, 81) Harman, R. 1999: Effects of Adolescent Marijuana Use: A Case History. Journal of Orgonomy 33(1&2): 95-113: „Wenn man vom ‚Kontakt mit dem Kern‘ spricht, bezieht sich das Wort ‚Kern' auf das plasmatische System, den pulsierenden Lebensapparat selbst. Ein Kontaktverlust mit dem Kern umfaßt somit eine Störung der Wahrnehmung der bioenergetischen, biophysikalischen Pulsation. Man kann diese Störung auf die Störungen zurückführen, die Bill in der Beziehung zwischen Sensation und Emotion erfahren hat (…)“ (S. 106) Konia, C. 2004: Applied Orgonometry II: The Origin and Function of Thought. Journal of Orgonomy 38(1):100-111: „Das Selbst und die Umwelt kann von jeder der drei Schichten der bioemotionalen Struktur jeweils einzeln oder in Kombination erfaßt werden. Dazu gehören der Kern, die zerstörerische sekundäre Schicht und die Fassade. (…) Vorstellungen von Schuld und Sadismus sind direkte Wahrnehmungen des Panzers. Wenn Gedanken aus der mittleren oder oberflächlichen Ebene ausgedrückt werden, sind sie verzerrt. Diese Verzerrungen bilden die ‚Abwehrmechanismen‘ wie Rationalisierung, Projektion und Verschiebung (…).“ (S. 107) Konia, C. 2008. The Emotional Plague. The Root of Human Evil. Princeton, New Jersey: ACO Press (S. 67): „Eine klare Trennung zwischen den primären, natürlichen, sozial nützlichen, genitalen Wünschen und Bedürfnissen und den sekundären, unergiebigen, schmutzigen, grausamen, unbefriedigenden und perversen Trieben des Menschen wird erst vollzogen, nachdem zwanzig Jahrhunderte vergangen sind (…). (Reich, W. 1953: Christusmord, Freiburg: Walter, 1978, S. 187, Hervorhebungen im Original) Harman, R. 2013: Clinical Applications of Reich’s Work with Impulsive Characters: The Ego, Ego-Ideal, Superego and the Id. Journal of Orgonomy 46(2):7-33: „Die bioenergetische Struktur ist geschichtet, wobei der ungepanzerte Organismus zwei Schichten und der gepanzerte Organismus drei Schichten hat. Der ungepanzerte Organismus hat wie eine lebende Zelle oder ein Bion einen Kern und eine Peripherie. Der gepanzerte Organismus hat laut Reich drei Schichten: Kern-, sekundäre Schicht und oberflächliche Schicht (…).“ (S. 11) „Nach Reichs Beschreibungen (Charakteranalyse, Christusmord) der gepanzerten menschlichen Seele, ist es klar, daß die sekundäre Schicht (‚Teufel‘) als strukturierte Form der Emotionellen Pest im Organismus verstanden werden kann. Darüber hinaus umgibt die sekundäre Schicht den biologischen Kern (‚Gott‘) vollständig, indem sie jeden direkten Kontakt zwischen dem Kern und der oberflächlichen Schicht verhindert.“ (S. 24) „Die oberflächliche Schicht umfaßt (…) orgonotische Erregung von außerhalb des Körpers und die unmittelbar daraus resultierenden Sensationen und Emotionen, in die sich diese Erregung verwandelt. Die oberflächliche Schicht umfaßt auch einen Großteil des Ich, einschließlich all dessen, was unter die Überschrift ‚bewußter Geist‘ fällt.“ (S. 24) „(…) bei gepanzerten Organismen gibt es keinen direkten Kontakt zwischen dem Kern und der oberflächlichen Schicht.“ (S. 25) „[Die Handlungen von] lebenspositiven Funktionen aus der oberflächlichen Schicht (…) umfassen die Sequestrierung und Beseitigung der verinnerlichten Emotionellen Pest.“ (S. 26) „Es gibt (…) einen koordinierten Angriff des Kerns und der oberflächlichen Schicht gegen denselben Punkt der sekundären Schicht von entgegengesetzten Seiten. Jeder der beiden Sequestrierungsvorgänge, Kern und Oberfläche, (…) intensiviert den anderen auf die gleiche Weise, wie die Funktionen Pulsation und Kreiselwelle zu einem Crescendo bei der Entstehung eines Hurrikans führen. Somit weist der Prozeß die Merkmale der funktionellen Beziehung eines einfachen (sich gegenseitig anziehenden) Gegensatzes auf. (…) Jedenfalls würde ein Zusammenhang zwischen dem Kern und der oberflächlichen Schicht bestehen, der im Wesentlichen eine Form des indirekten Kontakts sozusagen durch das Medium der sekundären Schicht wäre. Ein mehr oder weniger identischer Prozeß könnte aus der oberflächlichen Schicht des Organismus heraus initiiert werden und dann den Kern rekrutieren.“ (S. 26f) „(…) es kann zu einem Kontakt zwischen Kern und Oberfläche kommen. Der Kern kann sich gegenüber der Oberfläche des Organismus und der Außenwelt ausdrücken. Ebenso kann sich die oberflächliche Schicht gegenüber dem Kern ausdrücken.“ (S. 27) „Der gleiche Zwei-Oberflächen-Prozeß findet statt (aber sozusagen umgekehrt), wenn es der sekundären Schicht gelingt, die Lebensfunktion zu sequestrieren und zu eliminieren, zum Beispiel beim ödipalen Ausagieren. Auch in diesem Fall kommen die biologische Energie und das Selbstorganisationsvermögen aus dem Kern und der oberflächlichen Schicht. Die sekundäre Schicht und die Emotionelle Pest sind in jeder Hinsicht völlig parasitär.“ (S. 27) „Der Impuls zur Befriedigung der biologischen Grundbedürfnisse (Nahrung, Wasser, Wärme usw.) kommt aus dem Kern. Die objektive Notwendigkeit, bestimmte Aktionen durchzuführen (Essen sammeln, eine Behausung bauen usw.), kommt von der oberflächlichen Schicht.“ (S. 27) „(…) der Arbeitsprozeß wird tatsächlich zu einem koordinierten Angriff auf die sekundäre Schicht des Einzelnen durch seine oberflächliche Schicht und seinen Kern. Dies wird durch die Tatsache belegt, daß jeder einsichtige gepanzerte Mensch tägliche Beispiele dafür anführen kann, wie Arbeitsanforderungen seinen eigenen neurotischen Denk-, Gefühls- und Verhaltensmuster Einhalt gebieten.“ (S. 27) „(…) Verschlechterung (…) tritt manchmal auf, nachdem eine Person die Therapie verlassen hat. (…) Wenn dieser Degenerationsprozeß eintritt, agiert das Ich-Ideal in Übereinstimmung mit dem Über-Ich, um die Lebensfunktionen des Individuums sowohl im Kern als auch in der oberflächlichen Schicht zu sequestrieren und zu eliminieren. Wenn andererseits die verinnerlichte Emotionelle Pest sequestriert und beseitigt wird, wirkt das Ich-Ideal den destruktiveren Wirkungen des Über-Ichs entgegen. Es kann sein, daß der konstruktive Teil des Ich-Ideals sowohl vom Kern als auch von der oberflächlichen Ebene aus funktioniert. (…) die meisten lebenspositiven Ich-Ideale scheinen eine Mischung aus den Merkmalen des Kern-Funktionierens und sozial erstrebenswerten Idealen zu enthalten. (…) trotz der durch die dazwischenliegende sekundäre Schicht verursachten Trennung (Sequestrierung von Kern und Fassade) kann es zu einem Kontakt zwischen dem Kern und der oberflächlichen Schicht kommen.“ (S. 28f) „(…) da die sekundäre Schicht nicht in der Lage ist, sich spontan zu organisieren, leitet sie ihre Organisation parasitär aus den Reaktionen beispielsweise des Kerns ab, wenn dieser mit der sekundären Schicht in Kontakt kommt…“ (S. 32)
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