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Die Grundlagen der Orgonomie

 

 

 

 

Die Massenpsychologie des Faschismus

David Holbrook, M.D.

 

Reich, W. (1946/1974): Massenpsychologie des Faschismus, Frankfurt: Fischer Taschenbuch Verlag

„(…) beim Beurteilen menschlicher Reaktionen [haben wir] grundsätzlich mit drei verschiedenen Schichten der biophysischen Struktur zu rechnen (…). Diese Schichten (…) sind, (…) autonom funktionierende Ablagerungen der sozialen Entwicklung. In der oberflächlichen Schichte seines Wesens in der durchschnittliche Mensch verhalten, höflich, mitleidig, pflichtbewußt, gewissenhaft. Es gäbe keine soziale Tragödie des Menschentiers, wenn diese oberflächliche Schicht des Wesens mit dem tiefen natürlichen Kern unmittelbar in Kontakt wäre. Das ist nun tragischerweise nicht der Fall: Die oberflächliche Schichte der sozialen Kooperation ist ohne Kontakt mit dem tiefen biologischen Kern der Person; sie ist getragen von einer zweiten, einer mittleren Charakterschichte, die sich durchwegs aus grausamen, sadistischen, sexuell lüsternen, raubgierigen und neidischen Impulsen zusammensetzt. Sie stellt das Freudsche ‚Unbewußte‘ oder ,Verdrängte‘ dar, die Summe aller sogenannten ‚sekundären Triebe‘ in der Sprache der Sexualökonomie. Die Orgonbiophysik vermochte das Freudsche Unbewußte, das Antisoziale im Menschen, als sekundäre Resultat der Unterdrückung primärer biologischer Antriebe zu begreifen. Dringt man durch diese zweite Schicht der Perversion tiefer ins biologische Fundament des Menschentiers vor, so entdeckt man regelmäßig die dritte und tiefste Schichte, die wir ‚biologischen Kern‘ nennen. Zutiefst, in diesem Kern, ist der Mensch ein unter günstigen sozialen Umständen ehrliches, arbeitsames, kooperatives, liebendes oder, wenn begründet, rational hassendes Tier.“ (S. 11)

Nachdem soziale Umstände und Veränderungen die ursprünglichen biologischen Ansprüche des Menschen zur Charakterstruktur geformt haben, reproduziert die Charakterstruktur in Form der Ideologien die soziale Struktur der Gesellschaft.“ (S. 12, Hervorhebung im Original)

„Der biologische Kern des Menschen ist nun seit dem Untergange der primitiven arbeitsdemokratischen Organisation ohne soziale Vertretung geblieben. Das ‚Natürliche‘ und ‚Hohe‘ im Menschen, dasjenige, das ihn mit seinem Kosmos verbindet, ist nur in den großen Künsten, besonders in der Musik und in der Malerei, zu echtem Ausdruck gekommen. Es blieb aber bisher ohne wesentlichen Einfluß auf die Gestaltung der menschlichen Gesellschaft, wenn man unter Gesellschaft nicht die Kultur einer kleinen reichen Oberschichte, sondern die Gemeinschaft aller Menschen versteht.“ (S. 12)

„In den ethischen und sozialen Idealen des Liberalismus erkennen wir die Vertretung der Züge der oberflächlichen, auf Selbstbeherrschung und Toleranz bedachten Charakterschichte. Dieser Liberalismus betont seine Ethik zum Zwecke der Niederhaltung des ‚Untiers im Menschen‘, unserer zweiten Schichte der ‚sekundären Triebe‘, des Freudschen ‚Unbewußten‘. Die natürliche Sozialität der tiefsten, dritten Schicht, der Kernschichte, ist dem Liberalen fremd. Er bedauert und bekämpft die menschliche Charakterperversion mittels ethischer Normen, aber die sozialen Katastrophen des XX. Jahrhunderts lehrten, daß er damit nicht weit kam.
Alles echt Revolutionäre, jede echte Kunst und Wissenschaft stammt aus dem natürlichen biologischen Kern des Menschen. Weder der echte Revolutionär noch der Künstler oder der Wissenschaftler hat bisher Massen gewonnen, geführt oder, wenn geführt, dauernd im Bereiche der Lebensinteressen halten können.“ (S. 12, Hervorhebung im Original)

„(…) meine ärztlichen Erfahrungen mit Menschen vieler Schichten, Rassen, Nationen, Glaubensbekenntnissen etc. (hatten mich) gelehrt, daß ‚Faschismus‘ nur der politisch organisierte Ausdruck der durchschnittlichen menschlichen Charakterstruktur ist, eine Struktur, die weder an bestimmte Rassen oder Nationen noch an bestimmte Parteien gebunden ist, die allgemein und international ist. In diesem charakterlichen Sinne ist ‚Faschismus‘ die emotionelle Grundhaltung des autoritär unterdrückten Menschen der maschinellen Zivilisation und ihrer mechanistisch-mystischen Lebensauffassung.“ (S. 13, Hervorhebung im Original)

„[Der Faschismus] ist nicht, wie allgemein geglaubt wird, eine rein reaktionäre Bewegung, sondern er stellt ein Amalgam dar zwischen rebellischen Emotionen und reaktionären sozialen Ideen.“ (S. 14, Hervorhebung im Original)

„Versteht man unter Revolutionärsein die rationale Auflehnung gegen unerträgliche Zustände in der menschlichen Gesellschaft, den rationalen Willen, ‚allen Dingen auf den Grund zu gehen‘ (‚radikal‘ – ‚radix‘ = ‚Wurzel‘) und sie zu bessern, dann ist der Faschismus nie revolutionär. Er mag zwar im Gewande revolutionärer Emotionen auftreten. Aber man wird nicht den Arzt revolutionär nennen, der gegen eine Krankheit mit ausgelassenen Schimpfworten vorgeht, sondern denjenigen, der still, mutig und gewissenhaft die Ursachen der Krankheit erforscht und bekämpft. Faschistisches Rebellentum entsteht immer dort, wo eine revolutionäre Emotion durch Angst vor der Wahrheit in die Illusion umgebogen wird.“ (S. 14)

„Der Faschismus ist in seiner reinen Form die Summe aller irrationalen Reaktionen des durchschnittlichen menschlichen Charakters.“ (S. 14, Hervorhebung im Original)

„Man kann den faschistischen Amokläufer nicht unschädlich machen, wenn man ihn, je nach politischer Konjunktur, nur im Deutschen oder Italiener und nicht auch im Amerikaner und Chinesen sucht; wenn man ihn nicht in sich selbst aufspürt; wenn man nicht die sozialen Institutionen kennt, die ihn täglich ausbrüten.“ (S. 15)

„Der internationale Faschismus wird nie durch politische Manöver besiegt werden. Er wird der internationalen Organisation der Arbeit, der Liebe und des Wissens erliegen. Noch verfügen Arbeit, Liebe und Wissen in unserer Gesellschaft nicht über die Macht der Bestimmung des menschlichen Daseins. (…) Das Lebendige kann keine ‘Macht gewalttätig ergreifen’, den es wüßte nicht, was mit Macht anzufangen ist.“ (S. 16f)

„Faschismus ist keine politische Partei, sondern eine bestimmte Lebensauffassung und Einstellung zu Mensch, Liebe und Arbeit.“ (S. 22)

„Gemeint ist die echte Freiheit der persönlichen und gesellschaftlichen Entwicklung, die Freiheit von Lebensangst, von ökonomischer Unterdrückung welcher Form immer, die Freiheit von reaktionären Hemmungen der Entwicklung, kurz, die freiheitliche Selbstverwaltung des Lebens. Befreien wir uns von allen Illusionen. In der Menschenmasse selbst wirkt eine reaktionäre, mörderische, entwicklungshemmende Macht, die alle Anstrengungen der Freiheitskämpfer immer wieder zuschanden macht. Diese reaktionäre Macht in den Menschenmassen erscheint als allgemeine Angst vor Verantwortung und als Angst vor Freiheit. Dies sind keine moralischen Werturteile. Diese Angst wurzelt tief in der biologischen Konstitution des heutigen Menschen.“ (S. 294, Hervorhebung im Original)

 

 

zuletzt geändert
21.11.19

 

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