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Reichs PolitikDavid Holbrook, M.D.
Reich, W. Oktober 1950: Finity and infinity; determinism and freedom, Orgone Energy Bulletin Vol. 2, No. 4, S. 175: „(...) es scheint, daß Entwicklung, Freiheit, Unendlichkeit und Indeterminismus eine Gruppe von Variationen bilden, die mit der anderen Gruppe, Struktur, Gesetz, Endlichkeit und Determinismus gepaart sind. Auch diese Gruppierung hat nichts mit Ideologien zu tun. Ich persönlich würde geneigt sein, den ersten Satz von Variationen dem zweiten vorzuziehen. Der ideologisch konservative Geist hingegen würde den zweiten Satz vorziehen.“ Reich, W. 1946/1974: Die Massenpsychologie des Faschismus. Dritte korrigierte und erweiterte Auflage. Frankfurt: Fischer TB, S. 15: „In der Rebellion der Masse der mißhandelten Menschentiere gegen die nichtssagenden Höflichkeiten des falschen Liberalismus (ich meine nicht den echten Liberalismus und die echte Toleranz) kam die charakterliche Schichte der sekundären Triebe zum Vorschein.“ Baker, E. 1967/1980: Der Mensch in der Falle, München: Kösel, S. 13f: „Reich selbst hatte zu Problemen der politischen oder gesellschaftlichen Veränderung im Grunde eine konservative Einstellung. Sie stammte aus seinen umfassenden Erfahrungen mit Menschen, sowohl beruflich als auch gesellschaftlich, und aus seinem unvergleichlichen Einblick in das menschliche Dilemma, d.h. den Widerspruch zwischen dem menschlichen Verlangen nach Freiheit und der biophysischen Unfähigkeit sie anzunehmen. Dieses Wissen erfüllte ihn mit einem schrecklichen Verantwortungsgefühl und Angst und Haß gegenüber den ‚Freiheitskrämern‘, die mit der Freiheit hausieren gehen, von denen er glaubte, sie würden im Namen von ‚Frieden‘, ‚Freiheit‘ und ‚Gerechtigkeit‘ die Welt letzten Endes ins Verderben stürzen. Man sollte sich darüber im Klaren sein, daß Reich kein moderner Liberaler oder Linker im eigentlichen Sinn des Wortes war – obwohl er in seinen wissenschaftlichen Forschungen und Entdeckungen ‚radikal‘ war. Nur die ‚abscheulichste Entstellung‘ orgonomischer Wahrheit – wie Reich sich ausdrückte – könnte seine Arbeit, seine Denkweise und seine Hoffnungen für die Menschheit mit denen heutiger Liberaler, Linker und Beatnik-Bohemiens gleichsetzen (…).“ Reich, W. Oktober 1950: Finity and infinity; determinism and freedom, Orgone Energy Bulletin Vol. 2, No. 4, S. 175f: „In diesem Rahmen des Denkens, der mit der tatsächlichen natürlichen Funktionsweise übereinstimmt, findet der Konservative ebenso seinen Platz wie der Rebell gegen den Status quo; beide haben ihre Funktion im Lauf der Ereignisse. Recht und Freiheit, Determinismus und Indeterminismus, Endlichkeit und Unendlichkeit sind keine absoluten Gegensätze mehr, die nicht miteinander vereinbar wären und sich gegenseitig ausschlössen. Sie sind untrennbar miteinander verbundene Funktionen entgegengesetzten Vorzeichens, die auf einem beweglichen gemeinsamen natürlichen Fundament beruhen. Dies ist eine wichtige Lösung für ein großes Problem, das die Menschheit seit Jahrtausenden gepeinigt hat. Sie hat nichts mit der glatten Idee eines ‚Kompromisses‘ zu tun. Natürliche Funktionen kennen keine Kompromisse und haben auch nichts mit dem sogenannten ‚Ausgleich von Meinungsverschiedenheiten‘ zu tun. Sie sind nicht das Resultat von Verhandlungen, hinsichtlich des Naturgesetzes, sondern das Naturgesetz selbst. Dies bedeutet außerdem, daß Konflikt, Bewegung und Stillstehen von Bewegung, aufwärts in Richtung Existenz und abwärts in Richtung Verfall, gepaarte natürliche Funktionen sind, unabhängig von Präferenzen jeglicher Art. Es bedeutet im Grunde, daß scharfe Widersprüche funktionell nur außerhalb ihres eigenen Bereichs gelöst werden können, indem die ‚dritte Kraft‘, das gemeinsame Funktionsprinzip, angewendet wird.“ Reich, W. 1949/1983: Äther, Gott und Teufel, Frankfurt: Nexus Verlag, S. 48f: „Als ich im Banne der großem sozialistischen Bewegung stand und jahrelang mitten in den unteren Volksschichten als Arzt arbeitete, fiel ich dem groben Irrtum zum Opfer, da der ‚Kapitalist am Elend schuld‘ wäre. Es bedurfte der grausamen Erfahrung der russischen Revolution, um mich von diesem Irrtum zu befreien. Sie hatten die Kapitalisten gemordet, und das Elend wurde größer und umfassender; das Lügen, die Diplomatie, das Politikantentum, die Spionage und Angeberei, die auszurotten sie ausgezogen waren, waren mächtiger denn je. Dies waren Lehren, die tiefe Wunden beibrachten.“ Reich bezeichnete die oberflächliche Schicht der gepanzerten menschlichen bio-emotionalen Struktur als „Reich des Liberalen“ und die mittlere Schicht als „Reich des Faschismus“ (Reich, W. 1946/1974: Die Massenpsychologie des Faschismus. Dritte korrigierte und erweiterte Auflage. Frankfurt: Fischer TB) Reich hat den Bereich des Konservativen nicht spezifiziert, sondern ihm Respekt für seine größere Ehrlichkeit gezollt: Der Konservative hat einen besseren Kontakt zum biologischen Kern als die Linken und ist nicht auf der Suche nach politische Lösungen für die Probleme der Menschheit. Reich, W. 1953/1978: Christusmord [Die emotionale Pest des Menschen, Band 2]. Freiburg: Walter, S. 307: „Der Freiheitskrämer macht aus der Wahrheit einen Köder, um die Menschen in eine Falle zu locken (…) Ist er rechthaberisch, so glaubt er, daß er die Wahrheit verteidigt. Der Konservative, der aus der instinktiven Kenntnis der großen Schwierigkeiten, die die mit dem Streben nach Wahrheit verbunden sind, den status quo im gesellschaftlichen Leben verteidigt, ist weit ehrlicher. Er hat wenigstens eine Chance, anständig zu bleiben. Der Freiheitskrämer dagegen muß seine Seele dem Teufel verkaufen, wenn er voran kommen will..“ Reich, W. 1946/1974: Die Massenpsychologie des Faschismus. Dritte korrigierte und erweiterte Auflage. Frankfurt: Fischer TB: „In den ethischen und sozialen Idealen des Liberalismus erkennen wir die Vertretung der Züge der oberflächlichen, auf Selbstbeherrschung und Toleranz bedachten Charakterschichte. Dieser Liberalismus betont seine Ethik zum Zwecke der Niederhaltung des ‚Untiers im Menschen‘, unserer zweiten Schichte der ‚sekundären Triebe‘, des Freudschen ‚Unbewußten‘. Die natürliche Sozialität der tiefsten, dritten Schicht, der Kernschichte, ist dem Liberalen fremd. Er bedauert und bekämpft die menschliche Charakterperversion mittels ethischer Normen, aber die sozialen Katastrophen des XX. Jahrhunderts lehrten, daß er damit nicht weit kam.“ (S. 12) „(…) meine ärztlichen Erfahrungen mit Menschen vieler Schichten, Rassen, Nationen, Glaubensbekenntnissen etc. (hatten mich) gelehrt, daß ‚Faschismus‘ nur der politisch organisierte Ausdruck der durchschnittlichen menschlichen Charakterstruktur ist, eine Struktur, die weder an bestimmte Rassen oder Nationen noch an bestimmte Parteien gebunden ist, die allgemein und international ist. In diesem charakterlichen Sinne ist ‚Faschismus‘ die emotionale Grundhaltung des autoritär unterdrückten Menschen der maschinellen Zivilisation und ihrer mechanistisch-mystischen Lebensauffassung.“ (S. 13, Hervorhebungen im Original) „[Faschismus] ist nicht, wie allgemein geglaubt wird, eine rein reaktionäre Bewegung, sondern er stellt ein Almagam dar zwischen rebellischen Emotionen und reaktionären sozialen Ideen.“ (S. 13, Hervorhebungen im Original) „Versteht man unter Revolutionärsein die rationale Auflehnung gegen unerträgliche Zustände in der menschlichen Gesellschaft, den rationalen Willen, ‚allen Dingen auf den Grund zu gehen‘ (‚radikal‘ – ‚radix‘ = ‚Wurzel‘) und sie zu bessern, dann ist der Faschismus nie revolutionär. Er mag zwar im Gewande revolutionärer Emotionen auftreten. Aber man wird nicht den Arzt revolutionär nennen, der gegen eine Krankheit mit ausgelassenen Schimpfworten vorgeht, sondern denjenigen, der still, mutig und gewissenhaft die Ursachen der Krankheit erforscht und bekämpft. Faschistisches Rebellentum entsteht immer dort, wo eine revolutionäre Emotion durch Angst vor der Wahrheit in die Illusion umgebogen wird.“ (S. 14) „Der Faschismus ist in seiner reinen Form die Summe aller irrationalen Reaktionen des durchschnittlichen menschlichen Charakters.“ (S. 14, Hervorhebungen im Original) Reich, W. 1953/1995: Menschen im Staat [Die emotionale Pest des Menschen, Band 2]. Frankfurt: Stroemfeld/Nexus: „Es gibt derzeit eine Reihe menschlicher Gruppierungen in Europa und anderwärts, die meine soziologischen Schriften aus den Jahren zwischen 1927 und 1938 zur Grundlage ihrer sozialen Neuorientierung gemacht haben. (…) Von den alten politischen Begriffen (…), die man in meinen frühen soziologischen Schriften findet, besteht keiner mehr zu Recht.“ (S. 19) „Ich müßte sofort öffentlich protestieren, wenn irgendwer meinen Namen oder meine Arbeiten zur Unterstützung sozialistischer, kommunistischer, parlamentarischer oder irgendeiner anderen Art Machtpolitik ausbeuten wollte.“ (S. 19) „Weder bin ich noch war ich jemals in Machtpolitik verwickelt. Ich schloß mich 1927 den sozialistischen und kommunistischen Kultur- und Gesundheitsorganisationen an, um durch Massenpsychologie die rein ökonomistische Vorstellung der Gesellschaft, wie sie in der sozialistischen Theorie enthalten war, zu ergänzen. Formal war ich zwischen 1927 und 1932 Sozialist und Kommunist. Aber faktisch war ich es nie und wurde auch von den Parteibürokraten nie als ein solcher angesehen. Ich glaubte niemals, daß Sozialisten und Kommunisten wirklich emotionelle Probleme des Menschen lösen könnten. Dementsprechend hatte ich nie eine Parteifunktion inne. Ich war mir ihrer trockenen ökonomistischen Orientierung wohl bewußt, und ich wollte ihnen helfen, da sie die Rolle der ‚Fortschrittlichen‘ im Europa der 20er Jahre spielten. Zwar konnte mich die Politik nie betrügen, aber es dauerte lange, bis ich ‚soziale‘ von ‚politischen‘ Prozessen unterscheiden konnte. Ich hatte eine hohe Meinung von Karl Marx als einem Wirtschaftstheoretiker des 19. Jahrhunderts. Heute jedoch betrachte ich seine Theorie als weit überholt durch die Entdeckung der kosmischen Lebensenergie. Ich glaube, daß von der Marxschen Theorie nur der lebendige Charakter der menschlichen Produktivkraft bestehenbleiben wird. Dies ist ein Aspekt seiner Arbeit, der völlig vernachlässigt und schon vor langer Zeit vergessen wurde in den sozialistischen und kommunistischen Bewegungen, die Opfer mechanistischer Wirtschaftstheorie und mystischer Massenpsychologie wurden (…).“ (S. 20)
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