W W W . O R G O N O M I E . J I M D O S I T E . C O M

 

Artikel von David Holbrook, M.D.

 

 

 

 

Sex und Liebe in einem Fall von paranoid-schizophrenem Charakter

David Holbrook, M.D.

 

Die sexuelle Energie ist die biologische Aufbauenergie der psychischen Apparatur, die die menschliche Gefühls- und Denkstruktur bildet. 'Sexualität' (physiologische Vagusfunktion) ist die produktive Lebensenergie schlechthin. (Reich 1945, S. 18)
Die innere Beschaffenheit der Liebesfunktion hat auf jede einzelne Teilfunktion auch aller anderen Aktivitäten des Individuums bestimmenden Einfluß. (Reich 1953, S. 80)
Ich behaupte, daß jeder Mensch, der sich ein Stück Natürlichkeit bewahren konnte, weiß, daß den seelisch Erkrankten nur eines fehlt: wiederholte volle sexuelle Befriedigung. (Reich 1942, Seite 77, kursiv im Original)
[Orgastische Potenz] ist die Fähigkeit zur Hingabe an das Strömen der biologischen Energie ohne jede Hemmung, die Fähigkeit zur Entladung der hochgestauten sexuellen Erregung durch unwillkürliche lustvolle Körperzuckung. (Reich 1942, S. 81, kursiv im Original)
Die Fähigkeit, sich trotz mancher Widersprüche mit der gesamten affektiven Persönlichkeit zeitweise auf das genitale Erleben einzustellen, ist eine weitere Eigenschaft der orgastischen Potenz. (Reich 1927, S. 43, kursiv im Original)
Das erste Mißverständnis ist, daß die Orgontherapie auf die Herstellung der orgastischen Potenz abzielt und auf nichts anderes. Das ist nicht das Ziel unserer Technik. Die Art und Weise, wie dieses Ziel erreicht wird, ist jedoch entscheidend für den Erfolg. Es ist die gründliche Überwindung der emotionalen Blockaden im Organismus und die Auflösung der damit verbundenen Ängste, die zu dauerhaften Ergebnissen führt. (Hamilton 1997, S. 13, zitiert nach Reich)
Es stimmt, der Orgasmusreflex ist unser biologisches Ziel.... [Jedoch] nicht der einzelne Faktor Orgasmusreflex ist unser Ziel, sondern die Wiederherstellung deiner biophysischen Motilität als eine sich bewegende, lebendige Einheit, indem wir die Starrheit deiner Muskulatur und die Panzerung deines Charakters auflösen. (Hamilton 1998, S. 25)
Gewöhnlich beginnen wir mit der Auflösung der Panzerung an den Stellen, die am weitesten vom Genital entfernt sind, von wo aus die Energie durch die Angst vertrieben wurde, um sich dort festzusetzen, wo sie sich festsetzen konnte. Der Schweregrad einer Neurose steht in direktem Verhältnis zum Schweregrad der Störung der Genitalität. Wir müssen versuchen, herauszufinden, wohin diese gestörte genitale Energie gegangen ist, sich verankert hat.... (Hamilton 1997, S. 14)

 

Einführung

Adam ist ein 58 Jahre alter, verheirateter Patient ohne Kinder. Ich betreue ihn seit acht Jahren und habe bereits dreimal über ihn geschrieben (Holbrook 2009, 2011, 2012). Da seine Frau Bonnie Adams häufigstes Thema in der Therapie ist, habe ich das, was wir tun, in gewissem Sinne immer als eine Art Paartherapie betrachtet, die als Einzeltherapie durchgeführt wird. Vor kurzem gestand ich Adam in einer Sitzung, daß ich mich manchmal fragte, ob es möglich sei, daß es ihm ohne Geschlechtsleben jemals besser gehen würde, da seine Ehe seit vielen Jahren weitgehend sexlos ist. Ich werde seine Antwort weiter unten beschreiben, aber zunächst möchte ich über einige meiner Ziele beim Schreiben dieses Artikels sprechen.

Meine Frage und Adams Antwort veranlaßte mich, diesen Fall aus der Sicht seiner sexuellen und Liebeserfahrungen zu betrachten, in der Hoffnung, daß ich ihn dadurch besser verstehen und ihm helfen kann. Ich hoffte auch, daß dies für mich eine Gelegenheit sein würde, tiefer über die Beziehung zwischen Sex und Liebe nachzudenken. Außerdem wollte ich über die Beziehung zwischen dem Endziel der orgonomischen Therapie, der orgastischen Potenz, und dem langen Weg dorthin nachdenken, der so viele Windungen und Abzweigungen durch das Labyrinth der somatischen und charakterlichen Panzerung beinhaltet, daß man vergessen kann, daß dem Weg folgend irgendwo das einfache Ziel der Fähigkeit zur vollen Hingabe in der sexuellen Liebe liegt. Jeder orgonomische Therapeut hat schon einmal die Erfahrung gemacht, daß er in einer Fallbesprechung gefragt wurde: „Wie steht es mit dem Sexualleben des Patienten?“, und er hat festgestellt, daß dieses Thema bei der ersten Besprechung oder in der Therapie nur selten zur Sprache kam. Theoretisch wissen wir, daß das Sexualleben des Patienten von zentraler Bedeutung ist, aber wir wissen auch, daß es scheinbar so viel gibt, das angesprochen werden muß, bevor wir überhaupt dazu, dem Endziel der Therapie, kommen (wenn überhaupt). Wie Reich oben andeutet, sollte die systematische Beseitigung des Charakters und der somatischen Panzerung, wenn sie richtig angegangen wird, schließlich zu diesem Ziel führen, obwohl wir auch wissen, daß dieses Ziel für viele (bzw. die meisten) Patienten nie ganz erreicht werden wird.

Ein weiterer Punkt, der mich bei der Frage nach der Beziehung zwischen Liebe und Sexualfunktion interessiert, ist, daß sie eine Gelegenheit bietet, über die Beziehung zwischen Psyche und Soma, zwischen Charakter und biophysischem Funktionieren nachzudenken. Gibt es spezifische Formen, in denen der schizophrene Charakter typischerweise in der Liebe und beim Sex beeinträchtigt ist? Gibt es eine „paranoide Art des Liebens“ (oder Nicht-Liebens)?

 

Meine Frage, ihr Kontext und einige erste Überlegungen

Adams erste Reaktion auf meine Frage, ob es ihm ohne Sexualleben jemals besser gehen könne, war der halb humorvolle Kommentar: „Das kam aus heiterem Himmel!“ Er sagte, er habe in der Vergangenheit den Eindruck gehabt, ich hätte „das Gegenteil“ angedeutet, daß ich der Meinung sei, Liebe sei wichtiger als Sex. Der Kontext für seine Bemerkung ist, daß ich Adams Wunsch unterstützt hatte, trotz der Sexlosigkeit in seiner Ehe zu bleiben, obwohl ich ihn ermutigt hatte, mit Bonnie über den Mangel an sexuellen Beziehungen zu sprechen. Insgeheim wunderte ich mich über die Spaltung bei Adam zwischen Liebe und Sex. Er berichtete von „tollem Sex“ mit Clarissa, einer früheren Geliebten von ihm, aber daß er Clarissa zwar sehr gemocht, aber nie geliebt habe. Er habe Clarissa „aufregend und klug“ gefunden, aber „kalt“. Im Gegensatz dazu hat er immer behauptet, daß er Bonnie innig liebt und sie niemals verlassen könnte. Er stellt das Hindernis für den Sex in ihrer Ehe als ihr mangelndes Interesse dar. Er bezeichnet Bonnie als „die Mutter, die ich nie hatte“. „Wo Bonnie ist, da sollte ich sein. Ich bin wie eine Brieftaube.“

Ich hatte den Eindruck, daß seine Affäre mit Clarissa eine Möglichkeit für ihn war, sich den Problemen in seiner Ehe zu entziehen, ohne es jedoch auszusprechen. Insgeheim war ich der Meinung, daß er versuchen sollte, Sex und Liebe in seiner Ehe zu vereinen, da er sich verpflichtet hatte, in der Ehe zu bleiben. Er muß meine Haltung gespürt haben, hat sie aber offenbar in seinem Kopf so verdreht, daß ich meinte, Liebe sei wichtiger als Sex. Aber vielleicht hatte er in gewisser Weise recht, meine Haltung so zu interpretieren, denn was ist schlimmer: sexlose Liebe oder liebloser Sex? In einer echten Liebesbeziehung scheint mir das Potential für sexuelle Liebe immer vorhanden zu sein, obwohl es in Liebesbeziehungen, in denen der Sex gestorben ist, oft nicht möglich ist, ihn wiederzubeleben. Kann sich andererseits in einer lieblosen sexuellen Beziehung jemals Liebe entwickeln?

Als ich ihn laut fragte, ob es ihm ohne ein Sexualleben jemals besser gehen könne, sagte er nach seiner oben beschriebenen ersten Antwort, daß er nicht glaube, daß sein Unglücklichsein „in erster Linie“ durch ein fehlendes Sexualleben verursacht sei. Er sagte, daß sich ihre Beziehung aufgrund seiner emotionalen Öffnung gegenüber Bonnie in den letzten Jahren in Bezug auf emotionale Intimität verbessert habe und daß sie auch körperlich etwas liebevoller miteinander umgingen, was Berührungen und Umarmungen anbelangt.

Er sagte, der Hauptgrund, der ihn daran hindere, glücklich zu sein, sei, daß er den Menschen zu viel „gebe“, sich aber nicht berechtigt fühle, eine Gegenleistung zu verlangen. Obwohl diese Aussage auf den ersten Blick als relativ oberflächliche Einschätzung erscheinen mag, stimmt es, daß bei Adam als wesentliche Beeinträchtigung besteht, nicht einfach um das zu bitten, was er möchte. In seiner Beziehung zu Bonnie hat er in dieser Hinsicht jedoch einige Fortschritte gemacht.

Ein Teil der Verbesserung in seiner ehelichen Beziehung scheint darauf zurückzuführen zu sein, daß er besser in der Lage ist, seine Gefühle zu ertragen, ohne wütend und paranoid zu werden. Er ist nun besser in der Lage zu erkennen, wann er ängstlich ist. Er nimmt Bonnie und andere Menschen, mich eingeschlossen, jetzt seltener als kritisch ihm gegenüber wahr. Er ist weniger zurückhaltend geworden und daher besser in der Lage, mit Bonnie und anderen darüber zu sprechen, wie er sich fühlt, ohne jemandem die Schuld für seine Gefühle zu geben. Er ist in der Lage anzuerkennen, daß das, was er fühlt und wahrnimmt, das Ergebnis seiner eigenen subjektiven Interpretation der Dinge ist und nicht notwendigerweise das Ergebnis einer endgültigen, objektiven Beurteilung einer gegebenen Situation; mit anderen Worten, er klammert sich seltener an eine starre, paranoide Gewißheit. Er ist besser in der Lage, die Hindernisse, die seinem Glück im Wege stehen, als in sich selbst liegend wahrzunehmen, als Folge seiner eigenen charakterlichen Panzerung, anstatt die Hindernisse auf seine Umwelt zu projizieren und falsch wahrzunehmen. Dadurch hat er eine weniger „paranoide Art zu lieben“ und zu leben als zu Beginn der orgonomischen Therapie. Amüsanterweise hat er einen Teil unserer Arbeit in drei Prinzipien destilliert, die er „Dr. Holbrooks drei Regeln der Paranoia“ nennt (Adam ist besessen von Regeln und „Struktur“): Nr. 1: Wenn du mit einer Reihe von alternativen Erklärungen für eine Situation konfrontiert bist, wähle die am wenigsten paranoide; Nr. 2: Es geht nicht um dich; Nr. 3: Wenn du glaubst, daß du dich so fühlst, weil jemand dieses Gefühl in dir ausgelöst hat, solltest du die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß du dich bereits vorher so gefühlt hast und dann dieses Gefühl mit der Situation verbunden hast, an der die andere Person beteiligt war.

In dieser Beschreibung einiger der Quellen seiner Besserung als Ergebnis der Therapie können wir eine Illustration von Reichs Diktum sehen, daß „wir gewöhnlich mit der Auflösung der Panzerung an den Stellen beginnen, die am weitesten vom Genital entfernt sind“. Im Fall dieses Patienten arbeiten wir auf der okularen Ebene, indem wir uns charakterologisch auf seine paranoiden Verzerrungen und darauf konzentrieren, wie sie seine Beziehungen sabotieren. Es liegt auf der Hand, daß das letztendliche Ziel, die Fähigkeit zur vollständigen Hingabe in Sex und Liebe zu erlangen, was den Patienten befähigen würde, sich sowohl somatisch als auch psychisch hinzugeben, zunächst die Beseitigung jeglicher Panzerung erfordert, die „stromaufwärts“ vom Genital liegt, sowohl in Bezug auf seine charakterliche Panzerung, die ihn daran hindert, als genitaler Charakter zu funktionieren (Reich 1927, Reich 1949), als auch in Bezug auf seine somatische Panzerung, insbesondere in diesem Fall seine okulare Panzerung, die die biologischen Grundlagen seines Charakters widerspiegelt. Sowohl seine somatische als auch seine charakterliche Panzerung verhindern, daß er als genitaler Charakter funktioniert. In diesem Sinne hat der Patient zum Teil recht, wenn er sagt, daß die Ursache seines Unglücklichseins nicht das fehlende Sexualleben an sich ist, denn er wird niemals zu einem voll befriedigenden Sexual- und Liebesleben bzw. zur Genitalität im allgemeinen fähig sein, solange seine „genitale Energie“ das Genital flieht, um sich stromaufwärts in seinem Charakter und seiner somatischen Panzerung „einzunisten“. Er arbeitet sich durch oberflächlichere Elemente seiner Struktur, und es ist verfrüht anzunehmen, daß die unmittelbare Antwort auf alle seine Schwierigkeiten sein Sexualleben ist. Er ist weder bereit noch fähig zu orgastischer Potenz und der damit einhergehenden vollständigen charakterlichen und somatischen Hingabe an einen geliebten Partner.

Wie in meinen früheren Artikeln über diesen Patienten beschrieben, hat er sich meinen Versuchen widersetzt, mit ihm auf der nonverbalen Ebene („biophysisch“) zu arbeiten. Er hat zu viel Angst vor dieser Art der Arbeit. Ich habe mich daher darauf beschränkt, mit ihm verbal (charakteranalytisch) zu arbeiten. Wenn ich auf diese Weise mit ihm arbeite, kann er mir vertrauen. Sein Vertrauen in mich ermöglicht es ihm, biophysisch zu expandieren und so seinen Panzer zu lockern.

Interessant ist die Tatsache, daß verbale Arbeit nicht unbedingt oberflächlicher ist als nonverbale, so daß man in gewissem Sinne sagen muß, daß seine Bereitschaft, mit mir verbal zu arbeiten, nicht unbedingt bedeutet, daß er nur bereit ist, mit mir auf eine oberflächliche Weise zu arbeiten. Man bedenke, was Elsworth Baker über die potentielle Macht der Worte des orgonomischen Therapeuten in der Therapie zu sagen hatte:

Manchmal kann man Gefühle freisetzen und manchmal läßt das Festhalten nach, wenn man dem Patienten beschreibt, was er ausdrückt oder was er tun möchte, oder wenn man ihm einen Spiegel vorhält oder durch verständnisvolle Worte und nicht durch direkte Bearbeitung der Muskeln. Ich habe oft das Gefühl gehabt, wenn man nur genug wüßte und aufmerksamer wahrnähme, könnte man die Therapie ganz und gar auf diese Weise durchführen. (Baker 1967, S. 91)
Harman stellt auch fest, daß Baker „manchmal das Leben eines Menschen für immer verändern konnte, indem er ein paar Worte sprach“ (Harman 2012, S. 22). Wenn das stimmt, dann muß bei solchen verbalen Interaktionen eine beträchtliche biophysische und charakterologische Wirkung am Werk sein. Dies ist ein Beispiel für die starke Wechselbeziehung zwischen Psyche und Soma. Tatsache ist, daß die Worte des medizinischen Orgonomen eine besonders starke Wirkung haben können, weil er die biophysischen Grundlagen von Sprache, Charakter und Psyche versteht (Konia 2013a).

Aus irgendeinem Grund neigen bestimmte Schizophrene eher dazu, der verbalen als der nonverbalen Arbeit in der orgonomischen Therapie zu vertrauen. Angesichts der obigen Überlegungen kann dies nicht nur daran liegen, daß die nonverbale Arbeit immer mehr Energie bewegt als die verbale Interaktion, was die nonverbale Arbeit für den ohnehin schon übererregten Schizophrenen unerträglich macht. Wie aus den obigen Ausführungen von Baker und Harman hervorgeht, wird durch Worte manchmal viel mehr Energie bewegt als durch nonverbale therapeutische Arbeit. Ein weiterer Wert der verbalen Arbeit mit Schizophrenen könnte in der integrierenden Kraft der Sprache liegen, die, wenn sie kontaktvoll eingesetzt wird, dazu beitragen kann, Geist und Körper miteinander zu verbinden. Man könnte auch sagen, daß die Wahrnehmung und die bioenergetische Erregung, die bei Schizophrenen normalerweise voneinander getrennt sind, durch charakteranalytische Interventionen manchmal wieder in Kontakt miteinander gebracht werden können. Da der medizinische Orgonom in Kontakt mit seinen eigenen biophysischen Empfindungen steht, ist er in der Lage, seinen „orgonotischen Sinn“ (Reich 1953, S. 298) einzusetzen, um die Worte zu finden, die die größte Wirkung zeitigen können.

 

Rückblick auf die Sexual- und Liebesgeschichte des Patienten

Ich begann die Behandlung von Adam im Jahr 2004. Drei Jahre zuvor hatte er eine fünfjährige Therapie bei einer Psychoanalytikerin abgebrochen, nachdem sie ihn angeblich angeschrien und ihn beschuldigt hatte, ein Narzißt zu sein. Ursprünglich hatte er diese Therapie auf Wunsch seiner Frau Bonnie wegen seines wütenden Verhaltens ihr gegenüber begonnen. Ein positives Ergebnis der Therapie mit der Psychoanalytikerin war, daß Adam auf ihre Bitte hin aufhörte Marihuana zu rauchen, nachdem er es 25 Jahre lang täglich konsumiert hatte, und seitdem nicht mehr raucht. Drei Monate nach Beginn dieser Therapie begann er die obenerwähnte achtmonatige außereheliche Affäre mit Clarissa. Clarissa verfolgte Adam, nachdem er die Affäre beendet hatte, und tauchte bei ihm zu Hause auf. Bonnie konfrontierte Clarissa und überzeugte sie, Adam in Ruhe zu lassen.

Adam hatte seinen ersten Geschlechtsverkehr im Alter von vierzehn Jahren. Er traf Bonnie zum ersten Mal, als er achtzehn und sie zweiundzwanzig war. Er verliebte sich sofort in sie, aber sie waren beide verheiratet und hatten erst eine sexuelle Beziehung, nachdem Adams erste Frau Ellen ihn verlassen hatte. Er hatte Ellen geheiratet, als er achtzehn Jahre alt war. Er beschreibt sie als „intelligent, narzißtisch und jähzornig“. Ellen beschwerte sich, daß Adam sie sexuell nicht befriedigte, so daß sie zahlreiche außereheliche Affären hatte. Sie begaben sich in eine Sexualtherapie, die laut Adam ihre sexuelle Beziehung erheblich verbesserte, da er lernte, wie er sie zum Orgasmus stimulieren konnte, obwohl sie immer noch nicht in der Lage war, mit einem Mann durch Geschlechtsverkehr zum Orgasmus zu kommen. Adam beschreibt die Sexualtherapie als „sehr effektiv als Sexualtherapie, aber nicht als Therapie“. Ellen verließ Adam nach vierzehn Jahren Ehe wegen eines anderen Mannes und heiratete anschließend noch dreimal. Nachdem Ellen ihn verlassen hatte, nahm Adam sofort Kontakt zu Bonnie auf. Bonnies Mann hatte sie wiederholt wegen anderer Frauen verlassen, und sie hatten sich scheiden lassen. Adam und Bonnie begannen eine romantische Beziehung und heirateten kurz darauf, vor fünfundzwanzig Jahren. Sie waren nie in der Lage, ein Kind zu zeugen, aber sie hatten Anteil an der Erziehung von Bonnies drei Nichten.

Er berichtet, daß er und Bonnie anfangs ein sehr gutes Sexleben hatten, aber nach einer gewissen Zeit fragte sie ihn: „Wirst du immer so oft Sex haben wollen?“ Bei einer anderen Gelegenheit bemerkte sie während des Geschlechtsverkehrs, daß der Deckenventilator gereinigt werden müsse. Dies hatte eine ernüchternde Wirkung auf ihn, und er beschloß, ihr von nun an die Initiative für den Sex zu überlassen. „Es war nicht mehr 'wir'.“

In der Sitzung, die auf die Sitzung folgte, in der ich ihn fragte, ob es ihm ohne Sexleben jemals besser gehen könnte, sagte er, daß meine Frage „wie die Frage war, ob die Therapie jemals beendet werden kann. So viel will ich gar nicht: atmen können, mich gut fühlen ohne Schuldgefühle, zu mir stehen können, als wäre ich ein guter Mensch.“ Er hat mir wiederholt gesagt, daß er vor allem an sich selbst arbeiten muß.

 

Einige Details aus der Kindheit des Patienten

Adam war der mittlere von drei Söhnen. Sein Vater, den ich Samuel nennen werde, war eine verehrte kulturelle Ikone der liberalen Elite von New York City in den 1960er und 70er Jahren. Samuel, der allgemein als führender Vertreter des liberalen politischen Gewissens angesehen wurde, hatte eine sehr öffentliche außereheliche Langzeitaffäre, von der Adams Mutter vorgab, nichts zu wissen. Adams Mutter, die wie Adams zweite Frau Bonnie heißt, war Alkoholikerin. Sie unterstützte Samuel stets und war stolz darauf, mit einem Mann verheiratet zu sein, der in der Öffentlichkeit so sehr bewundert wurde. Samuel verließ Bonnie schließlich und heiratete erneut (allerdings nicht seine Geliebte).

Adams älterer Bruder schlug Adam regelmäßig brutal, als sie Kinder waren, aber die Eltern schauten weg und unternahmen nie ernsthafte Schritte, um Adam zu schützen, obwohl er einmal eine Treppe hinuntergeworfen und ein anderes Mal mit einem Messer gestochen wurde.

Adam sagt, daß seine Eltern ihm alles, was sie ihm gaben, offenbar mit Widerwillen taten und ihn davon abhielten, um etwas zu bitten. Das Familienleben drehte sich darum, sicherzustellen, daß nichts passierte, was das Ansehen seines Vaters in der Öffentlichkeit trüben könnte. Im Alter gab sein Vater Adam den Spitznamen „Schlangenzahn“ (wie König Lear Cordelia nannte) und beschwerte sich bitterlich darüber, daß Adam sich nicht für ihn interessierte. In Wirklichkeit war Adam für seine beiden Eltern eine Art Cordelia. Sie zeigten viel mehr Interesse und Stolz für seine älteren und jüngeren Brüder, doch als seine Eltern älter wurden, war es Adam, der die Rolle des wichtigsten Betreuers übernahm.

Als Adams Frau Bonnie ihn vor Jahren darauf hinwies, daß er eine unglückliche Kindheit gehabt habe, leugnete er dies vehement und war wütend auf sie. Erst während seiner ersten Therapie begann er sich damit auseinanderzusetzen, wie seine Kindheit tatsächlich gewesen war. Er beschreibt seine Eltern jetzt als „Hamster, weil Hamster ihre Jungen fressen“.

 

Diskussion

Neben den Bedingungen in der Kindheit, die für Adams schizophrene Entwicklung ausschlaggebend waren, muß sicherlich auch sein Umfeld in der Kindheit zu den Schäden an seinem Augensegment beigetragen haben. Er war schwerer Vernachlässigung, Kontaktlosigkeit und Mißhandlung ausgesetzt. Darüber hinaus war er mit zutiefst verwirrenden psychologischen Widersprüchen und Double Binds konfrontiert, z.B. mit der Erwartung, daß er seinen Vater als edle Persönlichkeit des öffentlichen Lebens bewundern sollte, während sein Vater in seinem Privatleben ein durch und durch unwürdiger und vernachlässigender Narzißt war. Hinzu kommt der 25-jährige Marihuana-Konsum, der ebenfalls sehr schädlich für sein Augensegment ist. All dies geschah in einem Organismus, dessen biopsychische Struktur bereits im Säuglingsalter in Richtung Schizophrenie geformt worden war. Neben dem offensichtlichen Kindheitstrauma, auf das sich jede nicht-orgonomische Therapie wahrscheinlich ausschließlich konzentrieren würde, muß man bei der orgonomischen Falldarstellung auch die Auswirkungen der frühesten Beziehung zur Mutter berücksichtigen, die die Voraussetzungen für die beeinträchtigte Fähigkeit des Organismus zur Bewältigung späterer Traumata schaffen. Aus diesem Grund möchte ich mir etwas Zeit nehmen, um das orgonomische Verständnis der Bedeutung dieser frühesten Beziehung zu betrachten.

Als paranoid-schizophrener Charakter liegt Adams bedeutendste Panzerung in seinem Augensegment, dem Segment, das in den ersten zwei bis drei Lebensmonaten außerhalb des Mutterleibs am grundlegendsten an der gesamten biopsychischen Integration des Organismus beteiligt ist (Reich 1996, S. 54). Die bei Schizophrenen festgestellte schwere Störung des Augensegments führt zu einer primitiven präödipalen Charakterstruktur, die mit großen, grundlegenden Problemen in den Objektbeziehungen verbunden ist. So sind zum Beispiel viele der Patienten, bei denen in der konventionellen Psychiatrie eine „Borderline-Persönlichkeitsstörung“ diagnostiziert wird, eine Störung, die mit einem äußerst unreifen, konfliktreichen und ambivalenten Beziehungsstil einhergeht, in Wirklichkeit schizophrene Charaktere.

In gewissem Sinne ist jede Einzeltherapie eine Art intrapsychische „Familientherapie“, denn der Charakter jedes Patienten entwickelt sich im Kontext seiner Beziehungen, insbesondere seiner frühesten Beziehungen. Die Charakterstruktur ist der Abdruck der vergangenen Beziehungen des Patienten und seiner Art, mit ihnen umzugehen bzw. nicht umzugehen. Der schizophrene Charakter entwickelt sich zunächst im Kontext der frühesten, primitiven Beziehung zur Mutter („wenn er nach außen greift, trifft er auf nichts“, Reich 1996, S. 69), was bedeutet, daß die Therapie mit einem Schizophrenen im Grunde eine Art Kinderpsychiatrie ist, oder, wenn man so will, eine Art „Ur-Paartherapie“, die indirekt die Probleme anspricht, die aus der frühesten Beziehung zur Mutter stammen.

Der schizophrene Charakter bildet sich in den ersten Lebenswochen heraus, wenn der Säugling gewisserweise „auf nichts trifft“, wenn er den Kontakt zur Mutter sucht. Irgendetwas ist bei der Mutter „nicht in Ordnung“ oder fehlt ihr. Vielleicht ist sie depressiv, körperlich abwesend oder anderweitig emotional nicht verfügbar. In anderen Fällen könnte die Mutter zu aufdringlich oder ängstlich sein. Unabhängig von der Art der Störung in der Mutter-Kind-Beziehung führt dies im Endeffekt dazu, daß sich das Kind in einem Zustand der Angst und Wut befindet und sich nach echtem, sicherem und nährendem Kontakt (Liebe) sehnt. Ich habe oft das Bild eines Babys vor Augen, das allein in seinem Zimmer liegt, schreit und sich nach einer Mutter sehnt, die ihm zu Hilfe kommt und beruhigt. Mutterhunger. Ein Bedürfnis, gesehen zu werden, verstanden zu werden, sicher zu sein und umsorgt zu werden.

Die in dieser ersten Beziehung erlittene Schädigung des Augensegments muß in der Therapie der schizophrenen Persönlichkeit im Vordergrund stehen. Hier gilt mit besonderem Nachdruck Reichs Diktum, daß „wir in der Regel mit der Auflösung der Panzerung an den Stellen beginnen, die am weitesten vom Genital entfernt sind“ (Hamilton 1997, S. 14). Auf der charakterologischen Ebene bedeutet dies, daß die grundlegenden Wahrnehmungsfunktionen im Mittelpunkt der Therapie stehen und geklärt werden müssen, bevor man sich den Fragen zuwendet, die reifere Objektbeziehungen betreffen.

Die Erregungs- und Wahrnehmungsfunktionen sind beim Schizophrenen intensiv und stark, aber aufgrund der Panzerung des Augensegments an der Hirnbasis im retikulären Aktivierugssystem, das normalerweise der Integration sensorischer und motorischer Funktionen dient, voneinander getrennt. Die große Menge an Erregung beim Schizophrenen, gepaart mit der schlecht entwickelten Panzerung des Schizophrenen vom Brustsegment bis hinunter zum Becken, kann manchmal zu intensiven sexuellen Gefühlen führen; aber die Spaltung und die daraus resultierende Abspaltung von Wahrnehmung und Erregung voneinander verursachen verzerrte zwischenmenschliche Wahrnehmungen und paranoide Tendenzen, die reife Objektbeziehungen schwierig oder unmöglich machen. Das Ziel einer reifen sexuellen Liebe, die eine genaue Wahrnehmung des Partners und der eigenen Person erfordert, ist somit unerreichbar. Dies ist besonders ergreifend angesichts des intensiven, verzweifelten Bedürfnisses nach Kontakt, das für Schizophrene charakteristisch ist. Es ist auch insofern tragisch, als der Schizophrene wegen des relativen Fehlens eines Beckenpanzers zeitweise eine tiefe Erregung und sexuelle Sehnsucht verspürt, aber wegen seiner Unfähigkeit, einen gesunden emotionalen Kontakt aufrechtzuerhalten, keine gesunde Liebesbeziehung aufbauen und aufrechterhalten kann, die eine Integration von Sex und Liebe ermöglichen würde. Das „Paradies“ ist einerseits unerreichbar, andererseits befindet es sich auf der anderen Seite der denkbar tiefsten Kluft. Dies ist ein Aspekt der Qualen des offenen Beckens.

In gewisser Weise könnte man sagen, daß der Schizophrene jeden als Mutter sieht. Das verzweifelte emotionale Bedürfnis kann sich in einer übertriebenen Angst vor dem Verlassenwerden durch geliebte Menschen äußern, was zu den charakteristischen „fusionierten“ Beziehungen führt, einem der Kennzeichen sowohl des schizophrenen Charakters als auch der Borderline-Persönlichkeit. Infolge dieser Verschmelzung haben Schizophrene und Borderline-Persönlichkeiten oft große Schwierigkeiten, sich von schädlichen oder unbefriedigenden Beziehungen zu trennen. Schließlich könnte man sterben, wenn man sich von Mami trennt! Deshalb muß man Mama gegenüber loyal sein. Wenn man Mama gegenüber nicht loyal sein kann, wem gegenüber kann man dann loyal sein? Wenn du nie lernst, Mami zu lieben, und Mami nie lernt, dich zu lieben, wie willst du dann jemals lernen, jemanden zu lieben oder von jemandem geliebt zu werden? Wie willst du überleben? Der Schizophrene liebt wie ein Kleinkind.

Eine weiterer Auswuchs dieser Primitivität ist ein ausgeprägter Narzißmus, der in Beziehungen zu schweren Problemen führen kann. Der schizophrene Narzißmus ist nicht dasselbe wie der phallische Narzißmus. Der Schizophrene weist eine Art „okularen Narzißmus“ (Crist 2010) auf, der auf seine okulare Panzerung und den daraus resultierenden Entwicklungsstillstand auf der okularen Stufe zurückzuführen ist. Er kämpft mit intensiven infantilen Bedürfnissen, gepaart mit der Unfähigkeit andere genau wahrzunehmen. Folglich sieht er nur sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse.

Es kann auch eine Form von Grandiosität auftreten, eine Tendenz, die Sichtweise des Gegenüber von sich zu weisen, was eine Funktion einer okularen Form von charakterologischer Rache sein könnte („okulare Rache“: Harman 2010). Diese okulare Rache kann sich in einer Haltung ausdrücken, die lautet: „Du existierst nicht – fick dich“. Mir ist aufgefallen, daß sich die Rache auch gegen das eigene Selbst richten kann: „Ich existiere nicht – fick dich!“ oder „Mein Körper existiert nicht – fick dich!“ oder „Meine Gefühle, Gedanken und Emotionen existieren nicht – fick dich!“ Dies ist zum Teil ein „Fick dich“ und zum Teil der Wunsch aus Angst zu verschwinden. Und der Schizophrene verschwindet tatsächlich, teils indem er seine Gedanken vor anderen verbirgt, teils indem er seine Gedanken vor sich selbst verbirgt, und zwar durch den Mechanismus der Spaltung zwischen Erregung und Wahrnehmung und der daraus resultierenden Verwirrung oder Projektion. Er mißtraut nicht nur anderen, er mißtraut auch sich selbst.

Paranoia ist an sich sehr narzißtisch und bedürftig, durch eine infantile Sichtweise: „Alles dreht sich um mich, alle denken immer nur an mich“. Es ist eigentlich eine Art ambivalenter Wunscherfüllung. Die intensive Bedürftigkeit, gepaart mit der durch die Paranoia und das daraus resultierende Mißtrauen hervorgerufene Ambivalenz, führt in jeder Beziehung mit anderen zu einer angespannten, double-bind-artigen Atmosphäre.

Weitere gemeinsame Merkmale der schizophrenen Persönlichkeit und der Borderline-Persönlichkeit sind ein diffuses Selbstgefühl, Gefühle von Leere, Launenhaftigkeit und Probleme mit Wut und die daraus resultierenden stürmischen Beziehungen. Aufgrund der schlechten Selbstwahrnehmung, der infantilen Qualität und der Tendenz zur Projektion machen Schizophrene und Borderline-Persönlichkeiten typischerweise andere Menschen für ihre Probleme verantwortlich und übersehen dabei ihre eigene Rolle bei ihren Schwierigkeiten. Dies kann zu beachtlicher Hilflosigkeit und Lähmung führen, wenn es darum geht, die Herausforderungen des Lebens zu meistern (indem man darauf wartet, daß die abwesende Mami zur Rettung kommt).

Reich kommentierte: „Es gibt einen Zweifel, wie ein Fragezeichen, im inneren Selbst. Wo höre ich auf und wo fängt die Welt an?“ (Reich 1996, S. 66f). Es gibt „kein Bewußtsein für die Grenzlinie zwischen dem Selbst und der Objektwelt“ (Reich 1996, S. 62). Ein Patient mit solch grundlegenden Problemen in der Selbst- und Fremdwahrnehmung braucht viel individuelle Arbeit, bevor die „Familientherapie“ (d.h. die Arbeit an seiner Fähigkeit zu reifen Objektbeziehungen) erfolgreich sein kann. Bei einem Schizophrenen muß, bevor eine „Familientherapie“ stattfinden kann, eine langwierige „Säuglings-Mutter-Therapie“ erfolgreich abgeschlossen werden.

Zusätzlich zu den charakterologischen Erwägungen beim Schizophrenen, die die Behandlung von Themen wie der ehelichen Beziehung einschränken, bevor die individuellen intrapsychischen Probleme vollständig bearbeitet werden, stellt die fehlende biophysische Integration des Schizophrenen eine besondere Herausforderung für das Erreichen der orgastischen Potenz dar. Um ein Gefühl für die besonderen biophysischen Herausforderungen zu vermitteln, mit denen Schizophrene konfrontiert sind, möchte ich eine längere Passage aus einem selten zitierten Vortrag präsentieren, den Reich 1949 hielt. In diesem Vortrag stellte er fest, daß beim Schizophrenen folgendes vorliegt:

...eine Störung im Augensegment, von der wir glauben, daß sie etwas mit dem oralen Orgasmus zu tun hat, mit dem Gesichtsorgasmus beim Säugling (Reich 1996, S. 52)
Ich habe noch keinen Schizophrenen gesehen, der keine schwere traumatische Erfahrung in der Entwicklung seiner oralen Sehnsucht gemacht hat ... Der Schizophrene ist energetisch stärker als jeder andere Typ. Da gibt es einen sehr starken Energiepush nach außen. Wenn er draußen auf nichts trifft, einfach nichts. Es gibt keinen Kontakt ... [Aber das Kind] kann sich noch nicht panzern ... Es könnte Wut entwickeln, schreiende Wut... Nun die Augen ... die kommen hier ins Spiel ... Wenn es einen derartigen Mangel an Verschmelzung der verschiedenen Funktionen gibt, eine Schwäche, und die Augen beginnen bei einem oralen Orgasmus, einem Gesichtsorgasmus zu zucken ... dann wird die Verbindung zwischen dem Zucken und einer schweren traumatischen Erfahrung in der Entwicklung der oralen Sehnsucht in die spätere orgastische Erfahrung in der Pubertät übertragen ... Schizophrenie tritt hauptsächlich in der Pubertät auf ... Es gibt einen großen Aufschwung, wenn die orgastische Funktion einsetzt ... Es gibt einen enormen Schock oder Angst bzw. Schrecken mit Augen und Mund und Zucken aus ... dem Säuglingsalter ... Dann kann es in der Pubertät zu einem Zusammenbruch kommen, wenn der gesamte Organismus in orgastische Kontraktionen zu geraten beginnt ... die Augen sind sehr involviert ... Nicht nur in der Krankheit, vor allem aber in den Endphasen [der medizinischen Orgontherapie], wenn die orgastischen Funktionen einsetzten. Dann passiert etwas mit den Augen. Die Augen passen nicht dazu. Der Organismus weigert sich sozusagen, die Augen in die Gesamtfunktion einzubringen, als wäre damit Terror verbunden. Und in den Augen liegt Schrecken. In den Augen setzt ein Terror ein, der die umfassende Funktion der Zuckungen verhindert und ihnen, die angenehm sein sollten, widerspricht. Und das scheint spezifisch für den schizoiden Charakter zu sein ... Seine große Intelligenz, seine hochenergetische Funktion, die nach vollständiger orgasmischer Beteiligung verlangt. Nur das stellt die Gefahr dar ... Die Basis des Gehirns paßt nicht dazu ... Es gibt einen Riß ... die schizophrene Spaltung bzw. der Riß ist im Kopf zentriert, vor allem in zwei Regionen. Eines sind die Augen, die mit der Basis des Gehirns verbunden sind, und das andere ist der Mund. Beide, insbesondere die Augen, gehen offenbar zurück auf die ersten zwei oder drei Lebenswochen, in denen das Neugeborene die Welt ergreift und beginnt, die Welt zu integrieren und sich von der Welt zu trennen ... Man kann den Schizophrenen an seinem Unwillen erkennen, seine Augen und den gesamten oberen Bereich innerhalb des restlichen Funktionierens schwingen zu lassen. Und technisch gesehen gibt es eine Schlußfolgerung, die man daraus ziehen kann ... Lassen Sie sie nicht vollständig im Becken funktionieren, wenn die Augen nicht klar sind. Bleiben Sie bei den Augen ... Ein Zwangsneurotiker ist stumpf. Stumpfe Augen. Überhaupt kein Ausdruck. Da brennt nichts, während bei einem schizoiden Charakter die Augen brennen. Er ist sehr lebendig. Aber es gibt Schwachstellen. Er kann sie nicht in gewisser Weise verwandeln ... Warum? Was passiert dann? ... Mord kommt in seine Augen ... oder Terror. (Reich 1996, S. 67-71)
Wie kann man sich in der genitalen Umarmung psychisch und somatisch völlig hingeben, wenn man in der von Reich beschriebenen Weise beeinträchtigt ist? Der Terror und der Mord im Schizophrenen müssen aufgearbeitet werden, bevor er zu reifen Objektbeziehungen bereit ist. Aus der obigen Passage kann man erahnen, wie schwierig die Integration der Funktionen von Sex und Liebe in einem Organismus sein kann, der so große Hindernisse für die gesamte biopsychische Integration aufweist. Das Erreichen der orgastischen Potenz und des reifen zwischenmenschlichen Funktionierens im schizophrenen Charakter hängt von genau dieser vollständigen Integration ab. Wenn man nicht in der Lage ist loszulassen und sich dem orgastischen Reflex mit „psychosomatischem Vertrauen“ hinzugeben, wie kann man dann erwarten, daß man in der Lage ist, sich in der Liebe vollständig hinzugeben? Angst, Wut und Mißtrauen stehen im Weg. Nimmt man dann noch die Auswirkungen eines späteren Kindheitstraumas hinzu, wie es Adam erlebt hat, so ist man mit einem perfekten Sturm der Psychopathologie konfrontiert. Man kann sich kaum ausmalen, wie Adams orale (und okulare) Sehnsucht durch seine Erziehung bei einer so kontaktlosen Mutter und in einem so kontaktlosen, narzißtischen familiären (und kulturellen) Umfeld beschädigt worden sein mag. Es ist ein Wunder, daß er überhaupt überlebt hat.

 

Schlußfolgerung

Ich bin von einem einfachen, unschuldigen und naiven Gedanken ausgegangen: „Kann dieser Patient jemals ohne ein sexuelles Liebesleben glücklich werden?“ Oberflächlich betrachtet scheint alles so unkompliziert zu sein: Beseitige die Hindernisse für ein befriedigendes sexuelles Liebesleben, dann kann es dem Patienten besser gehen! Voilà! Andere Therapieformen könnten leicht eine Fülle von Gründen aufdecken, warum Adam Schwierigkeiten mit diesem Ziel haben könnte, indem sie sich mit seiner Kindheit, sogar seinem frühen Erwachsenenalter und seinen gegenwärtigen Lebensumständen befassen und die Auswirkungen all dessen auf seine Fähigkeit zu Objektbeziehungen untersuchen. Die Orgonomie fügt der Falldarstellung dieser Art von primitivem Charakter ein zusätzliches, noch tieferes Verständnis hinzu. Der frühe Angriff auf das Augensegment macht die späteren Übergriffe noch schädlicher. Ein orgonomisches Verständnis fügt auch eine Betrachtung der Auswirkungen der charakterologischen Probleme seiner Frau auf Adam hinzu, ihrer eigenen orgastischen Impotenz. Der letzte gemeinsame Weg zur Pathologie bei Adam ist die Dysfunktion seines Augensegments und ihre Manifestationen in seiner schizophrenen Struktur. Wie kann der Patient seinen Weg aus seinen Schwierigkeiten „sehen“, solange sich dies nicht ändert? Die Erkenntnis, wie früh und tiefgreifend diese Schädigung ist, hilft beim Verstehen der Tiefe der Kluft, die den schizophrenen Charakter vom Endziel der Therapie trennt.

Die meisten der Fragen, die ich zu Beginn dieses Artikels gestellt habe, würden ein Buch oder mehrere Bücher erfordern, um sie auch nur ansatzweise angemessen zu behandeln. Das Thema ist riesig und umfaßt fast alles, was es bedeutet ein Mensch zu sein. Die Frage „Wie kann dieser Patient ein glückliches sexuelles Liebesleben erreichen?“ bedeutet in gewissem Sinne, alle Fragen zu stellen, die man sich über einen Menschen stellen kann. Die Gesamtheit der organismischen und psychologischen Geschichte kommt in dieser Frage zum Tragen.

Es ist unwahrscheinlich, daß dieser Patient jemals das Endziel der Therapie erreichen wird, aber er hat große Hilfe erfahren. Eine überambitionierte Haltung des Therapeuten ist Ausdruck von Kontaktlosigkeit und kann für den Patienten gefährlich und zerstörerisch sein. Das orgonomische Verständnis hilft uns, die Tragweite der Aufgaben, die wir uns in der Therapie stellen, zu erkennen und unsere Ziele im Gesamtzusammenhang zu sehen. Wie Reich schrieb:

... Organismen, die jahrzehntelang darauf trainiert wurden, die Freude am Leben und an der Liebe zu negieren, haben infolgedessen nicht nur ihre Fähigkeit verloren, im Vorgang des Liebens zu geben und zu nehmen, sondern haben das Lieben selbst zum Gegenstand einer tödlichen Angst gemacht und können häufig nicht mehr in die Lage versetzt werden, Freude zu erleben ... Die Orgasmustheorie hat nie behauptet, daß chronische orgastische Störungen, die auf völlig gepanzerten Charakterstrukturen beruhen, geheilt werden können. Im Gegenteil, ich habe immer wieder betont, daß die Mehrheit der Menschen der heutigen Generation wenig zu erwarten hat, was das Erreichen sexuellen Glücks angeht, und daß das primäre Ziel jetzt die ... Prävention biopathischer Krankheiten ist, die auf Panzerung und chronischer sexueller Stase beruhen. (Reich 1999, S. 343, kursiv hinzugefügt)
In der konventionellen Psychiatrie des „Kleinen Mannes“ (Reich 1948) würde dieser Patient mit einer schweren depressiven Störung diagnostiziert und mit einem Serotonin-Antidepressivum behandelt, das aufgrund seines Nebenwirkungsprofils sein Gefühlsleben abstumpfen und seine Fähigkeit zur sexuellen Lust verringern würde. Auf diese Weise würde der Kleine Mann sowohl im Patienten als auch im Arzt eine Art mechanistischen „Selbstmord durch Emotionelle Pest“ begehen (siehe Reich 1949 und Konia 2008, 2013b und 2013c für eine Beschreibung der Emotionellen Pest). Anders als in der Kleiner-Mann-Psychiatrie, die eine Linderung des Leidens auf Kosten einer Verringerung der emotionalen Lebendigkeit und der bioenergetischen Ladung des Patienten bewerkstelligt, erreicht die orgonomische Therapie ihre Ziele, indem sie die Fähigkeit des Patienten erhöht, seine Emotionen und seine bioenergetische Ladung zu ertragen. Aber auch in der orgonomischen Therapie kann der Kleine Mann im Patienten und im Therapeuten die Therapie unbewußt sabotieren, indem er entweder zu ehrgeizig oder zu wenig ehrgeizig ist, wenn es um die therapeutischen Ziele und deren Timing geht.

Bei diesem Patienten haben wir, wie Reich es gegenüber seinem Patienten Hamilton ausdrückte, einige seiner „emotionalen Blockaden“ gelöst, und das Leben ist für ihn etwas erträglicher geworden. Es ist nicht mehr so schwierig, mit ihm verheiratet zu sein. Zum Glück hat er eine Geliebte, die ihn ebenfalls liebt, und die Therapie hat dazu beigetragen, daß sie sich deutlich näher gekommen sind, und das ist doch schon etwas. Nur die Zeit und eine sorgfältige therapeutische Arbeit werden letztendlich zeigen, wie es um die Fähigkeit dieses Patienten zur genitalen Liebe bestellt ist.

 

Literatur

  • Baker EF 1967: Der Mensch in der Falle, München: Kösel, 1980
  • Crist P 2010: Persönliche Mitteilung
  • Hamilton AE 1997: My Therapy With Wilhelm Reich (Part I). Journal of Orgonomy 31(1):3-21
  • Hamilton AE 1998: My Therapy With Wilhelm Reich (Part III). Journal of Orgonomy 32(1):16-35
  • Harman R 2010: Persönliche Mitteilung
  • Harman R 2012. Clinical Applications of Reich’s Work with Impulsive Characters: The Ego, Ego-Ideal, Superego and Id. Journal of Orgonomy 46(1) 20-45
  • Holbrook D 2009: „Word Language”: Character Analysis in the Early Stages of Medical Orgone Therapy. Journal of Orgonomy 43(1):33-38
  • Holbrook D 2011: A Schizophrenic Approaches the Couch. Journal of Orgonomy 44(2):7-21
  • Holbrook D 2012: „Not So Fast”: The Treatment of a Paranoid Schizophrenic Character. Journal of Orgonomy 46(1):53-62
  • Konia C 2008: The Emotional Plague. Princeton: A.C.O. Press
  • Konia C 2013a: Persönliche Mitteilung
  • Konia C 2013b: charleskonia.com
  • Konia C 2013c: Neither Left Nor Right. Indianapolis, Indiana: Dog Ear Publishing
  • Reich W 1927: Genitalität, Köln: KiWi, 1982 [Ursprünglich 1927 mit dem Titel Die Funktion des Orgasmus veröffentlicht. Das ist ein komplett anderes Buch als das von 1942 mit dem gleichen Namen.]
  • Reich W 1942: Die Funktion des Orgasmus, Frankfurt: Fischer Taschenbuch Verlag, 1972
  • Reich W 1945: Die sexuelle Revolution, Frankfurt: Fischer Taschenbuch Verlag, 1971
  • Reich W 1948: Rede an den kleinen Mann, Frankfurt: Fischer Taschenbuch Verlag, 1984
  • Reich W 1949: Charakteranalyse, Köln: KiWi, 1989
  • Reich W 1953: Christusmord, Freiburg: Walter-Verlag, 1978
  • Reich W 1996: Processes of Integration in the Newborn and the Schizophrenic. Orgonomic Functionalism 6. Rangeley, Maine: The Wilhelm Reich Infant Trust
  • Reich W 1999: American Odyssey. New York: Farrar, Straus and Giroux

 

 

zuletzt geändert
12.12.22

 

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