W W W . O R G O N O M I E . J I M D O S I T E . C O M

 

Artikel von David Holbrook, M.D.

 

 

 

 

Zittern vor Liebe

David Holbrook, M.D.

 

Anton, ein geschiedener Mann mittleren Alters mit einer paranoid-schizophrenen biopsychischen Struktur, war seit vielen Jahren bei mir in medizinischer Orgontherapie (MOT), als er anfing, zuckende Bewegungen zu erleben, während er mit seiner Liebespartnerin, Angela, im Bett lag. Der einzige andere Ort, an dem diese Zuckungen auftraten, war, wenn er zu mir in die Therapie kam. Gelegentlich, wenn er an Angela dachte, während sie getrennt waren, und bei seltenen Gelegenheiten, wenn er eine gewisse Erregung verspürte. Der Zusammenhang mit emotionaler Expansion war also klar. Anton hatte keine Vorgeschichte von Anfallsleiden oder irgendetwas, das auf Anfälle hindeutete, so daß ich es nicht für nötig hielt, ihn an einen Neurologen zu überweisen, zumal ein typischer Neurologe, der nicht über orgonomische Kenntnisse verfügte, Anton wahrscheinlich unnötigerweise ein antiepileptisches Medikament verabreicht hätte.

Anton bekam diese Zuckungen immer dann, wenn er mit Angela im Bett war, und die Möglichkeit bestand, daß sie sich genital umarmen würden. Die Zuckungen begannen in der Hinterhauptsregion seines Nackens und zogen sich schnell über die gesamte Länge seines Oberkörpers hinunter, bis sie in einem Beckenreflex endeten. Anton verglich es mit einem Blitz, der sich aus einer Gewitterwolke entlädt. Er war sich darüber im Klaren, daß die Zuckungen mit Erregung verbunden waren, aber solange die Zuckungen vorhanden waren, konnte er nicht genital erregt werden. Erst wenn es ihm gelang, einen gewissen Grad an emotionalen Kontakt mit Angela herzustellen, wurde er genital erregt, woraufhin die Zuckungen verschwanden und die genitale Umarmung beginnen konnte.

Sowohl Anton als auch Angela hatten Erfahrung mit MOT und wußten etwas über die Orgonomie, so daß sie, als diese Zuckungen auftraten, intuitiv verstanden, daß die Bewegungen etwas mit ihrer sexuellen Liebesbeziehung zu tun hatten, und schließlich bemerkten sie das oben beschriebene Muster zwischen den Zuckungen und dem Fehlen der Fähigkeit genital erregt zu werden. Es wurde klar, daß diese „aberrante“ Erregung nur dann biopsychisch integriert werden konnte, wenn Anton in der Lage war, eine gewisse Emotion gegenüber Angela zu empfinden und sich eine genitale, pulsierende, radiale biophysische Erregung entwickeln konnte. Im Gegensatz zu den rein longitudinalen Erregungswellen, die in den Zuckungen zum Ausdruck kamen. Infolge könnten dann, während des Orgasmus, sowohl die radialen als auch die längsgerichteten Erregungswellen der orgastischen Konvulsion auf integrierte Weise auftreten.

Bei den Gelegenheiten, bei denen er in der Therapie mit mir diese Zuckungen entwickelte, verschwanden sie auch wieder, sobald er besseren emotionalen Kontakt zu mir aufnahm. Bei einer Gelegenheit, als sich die zuckenden Bewegungen bei verbessertem emotionalem Kontakt auflösten, entwickelte sich ein sanftes Zittern in seinem ganzen Körper. Dieses Zittern fühlte sich für Anton integrierter und emotionaler an als die ruckartigen Bewegungen, die ihn aufgewühlt und ängstlich gemacht hatten. Er spürte die Angst in dem sanften Zittern, aber es war erträglicher und er fühlte sich nicht fahrig, sondern spürte stattdessen seine Gefühle.

Anton und Angela erkannten, daß dieses Phänomen Ausdruck der Orgasmusangst war, und ließen sich deshalb nicht davon stören. Bei einem Paar, das keine Kenntnisse über die Orgonomie hat, wäre das Ergebnis wahrscheinlich ganz anders gewesen. Möglicherweise hätte sich Angela zurückgewiesen gefühlt und Anton hätte an sich selbst gezweifelt und gedacht, daß er sich vielleicht nicht mehr zu Angela hingezogen fühlt. Aber aufgrund ihrer Erfahrungen in der MOT und ihrer Kenntnis grundlegender orgonomischer Konzepte erkannten sie, daß das, was geschah, ein spezifischer Ausdruck der allgemeinen Lustangst war, die alle gepanzerten Menschen erleben. Dieses besondere Zuckungsphänomen war ein biophysikalischer Ausdruck, aber sie verstanden auch, daß „Liebesangst“ auf der psychischen Ebene viele Formen annehmen kann. Sie wußten, daß die genitale Liebe die tiefsten Ängste auslöst. Wenn sich also einer der beiden in ihrer Beziehung emotional zurückzog, wußten sie, daß dies nicht auf einen Mangel an Liebe zurückzuführen war, sondern umgekehrt: es war die Macht der Liebesbeziehung selbst, die sie ängstlich machte.

Stelle dir vor, wie sich die Welt verändern würde, wenn dieses Wissen breiter verfügbar wäre!

„Die innere Beschaffenheit der Liebesfunktion hat auf jede einzelne Teilfunktion auch aller anderen Aktivitäten des Individuums bestimmenden Einfluß.“ (Reich 1953, S. 80)

„… die allgemeine psychische Kontaktlosigkeit (…) [ist] nur die allgemeine Ausstrahlung orgastische[r] Kontaktangst ...“ (Reich 1949a, S. 429, kursiv im Original)

„Letzten Endes steckt die Orgasmusangst hinter allen Manifestationen der Panzerung.“ (Baker 1967, S. 32)

 

Literatur

    • Baker EF 1967: Der Mensch in der Falle, München: Kösel, 1980
    • Reich W 1949: Charakteranalyse, Köln: KiWi, 1989
    • Reich W 1953: Christusmord, Freiburg: Walter-Verlag, 1978

     

 

zuletzt geändert
02.02.23

 

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