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Fragen und Antworten

 

 

 

 

Was ist „Kontakt“? Was ist „Arbeitsdemokratie“? Was ist „Panzer“? Und wie hängen all diese Dinge zusammen?

David Holbrook, M.D.

 

Das Wort „Kontakt“ ist von zwei lateinischen Wörtern abgeleitet: „Con-“ bedeutet „zusammen mit“. „-Tact“ ist vom lateinischen Verb „tangere“ abgeleitet, was „berühren“ bedeutet. Das Wort „Kontakt“ hat also etwas damit zu tun, daß Dinge zusammenkommen. Die Dinge können gut zusammenkommen, oder sie können nicht angemessen zusammenkommen.

Der Psychiater Wilhelm Reich entwickelte eine Form von Mind-Body-Therapie, die die Beziehung („Kontakt“) von Psyche und Soma betonte. Er benutzte oft die Ausdrücke „in Kontaktsein“ einerseits und „Kontaktlosigkeit“ andererseits. Wenn Menschen zum Beispiel „in Kontakt“ sind, bedeutet das, daß sie gut in Beziehung zueinander oder zu sich selbst stehen. Im letzteren Fall sind sie „in Kontakt“ mit sich selbst und anderen, und das ist natürlich das Ziel der Psychotherapie: die Menschen in Kontakt zu bringen, sicher in Kontakt mit sich selbst und anderen.

Da Reich die Beziehung zwischen Geist und Körper genau untersuchte, erkannte er, daß Menschen, die mit sich selbst psychisch in Kontakt sind, auch mit ihrem Körper in Kontakt sind, da der Körper der Ort ist, an dem Emotionen tatsächlich physisch erlebt werden, vor allem aufgrund der Funktionen des Autonomen Nervensystems (ANS), das der Teil des Nervensystems ist, der autonom funktioniert (meist außerhalb des Bewußtseins oder der bewußten Kontrolle), z.B. der Herzschlag, die Atemfrequenz, das Fließen des Kreislaufs, usw. Dies steht im Gegensatz zum Zentralen Nervensystem (ZNS), das hauptsächlich mit bewußten Zuständen zu tun hat, die vom Bewußtsein kontrolliert werden können.

Reich beobachtete, daß psychologische Abwehrmechanismen, die er als „Charakterpanzer“ bezeichnete, mit Spannungen und Funktionsstörungen im somatischen System, vor allem im ANS, zusammenhängen, was er als „muskulären Panzer“ oder „biophysischen Panzer“ bezeichnete. Die Panzerung blockiert gesundes und spontanes, psychisches und somatisches Funktionieren. Mit anderen Worten: Die Panzerung behindert den Kontakt und die Integration zwischen verschiedenen psychologischen und physiologischen Funktionen.

Im Laufe seiner lebenslangen Arbeit weitete Reich seine Untersuchung der Funktion des Kontakts auf den biologischen und physikalischen Bereich aus. Er untersuchte auch die Funktionen des Kontakts im soziologischen Bereich: Wie können wir die Art und Weise beschreiben, in der biologische, physikalische und soziologische Systeme mit ihren verschiedenen Teilfunktionen in Kontakt („in touch“) sind? Wie sind die verschiedenen Teilfunktionen von Psyche und Soma und sozialen Beziehungen und sogar naturwissenschaftliche Funktionen integriert, um gut funktionierende Systeme zu bilden; Systeme, in denen die Funktion des Kontakts gesund ist?

„Kontakt ... ist die physische, bioenergetische Funktion, die spontan in jeder biologischen Aktivität auftritt: psychisch, somatisch und sozial. Der Kontakt im psychischen Bereich, der psychische Kontakt, entsteht durch Wahrnehmung der Erregungen von Gefühlen und Empfindungen durch das Individuum. Es handelt sich um eine ganzheitliche Funktion, die den gesamten Organismus umfaßt. Der Kontakt im somatischen Bereich, der somatische Kontakt, ist eine Teilfunktion [im Gegensatz zur „Gesamtfunktion“] und bildet die Grundlage für jede natürliche physiologische Funktion des Organismus, wie die Regulierungsfunktionen des Atmungs-, Kreislauf-, Hormon-, Verdauungs- und Immunsystems usw. Der Kontakt im sozialen Bereich ist die Grundlage für jede rationale soziale Funktion.“ (Konia, S. 211)

Wenn der „Kontakt“ innerhalb und zwischen den Systemen nicht gut funktioniert, wie können wir diese Systeme wieder in Kontakt bringen? Wenn Menschen in einem sozialen System nicht erfolgreich zueinander oder mit sich selbst in Beziehung treten, bezeichnen wir sie als „kontaktlos“ oder verwenden manchmal das alltäglichere Wort „verpeilt“.

Im soziologischen Bereich nannte Reich das gesunde und „kontaktreiche“ Funktionieren der Gesellschaft „Arbeitsdemokratie“:

„Die Gesamtheit aller natürlichen Arbeitsbeziehungen nennen wir Arbeitsdemokratie. Diese Arbeitsbeziehungen sind funktionell und nicht mechanisch. Sie können nicht willkürlich hergestellt oder organisiert werden; sie können sich nur spontan aus dem Arbeitsprozeß selbst entwickeln.“ (ebd., S. 303)

„Arbeitsdemokratie wird als die natürliche und wirklich rationale Arbeitsbeziehung definiert, wie sie unter Menschen funktioniert. Das Konzept der Arbeitsdemokratie stellt die Realität (nicht die Ideologie) dieser Arbeitsbeziehungen dar, die, obwohl sie allgemein durch die bestehende Panzerung und irrationale Ideologien entstellt sind, trotz allem die Grundlage aller gesellschaftlichen Leistung bilden. Arbeitsdemokratie schließt alle Formen diktatorischer Herrschaft aus, und die Diktatur schließt ihrerseits die Funktion der Arbeitsdemokratie aus.“ (Reich 1951, Fußnote S. 93)

„… Arbeitsdemokratie ist … nicht ein politisches Programm ... [sie] ist ein Tatbestand ...“ (Reich 1946, S. 313)

Soziale und politische Systeme können ebenso wie unsere psychologischen und physiologischen Systeme „gepanzert“ sein. Mit anderen Worten: Das freie Funktionieren soziologischer Systeme kann durch soziologische Panzerungen blockiert werden. Nach diesem Konzept benötigen soziale Systeme, um gesund zu funktionieren, Bewegungsfreiheit, keine Panzerung, die die dynamische Energie blockiert, die eine Gesellschaft braucht, um lebendig zu funktionieren.

„Die natürlichen Funktionen des Arbeitsprozesses sind jeder Art menschlich-mechanistischer und autoritärer Willkür entzogen. Sie funktionieren und sind im strengen Sinn des Wortes frei. Sie allein sind rational und können daher allein das gesellschaftliche Sein bestimmen. … Liebe, Arbeit und Wissen umfassen alles, was der Begriff Arbeitsdemokratie meint.“ (ebd., S. 312f)

Nach diesem Konzept müssen demnach die Beziehungen zwischen den Menschen „arbeitsdemokratisch“ sein, damit Individuen und Gesellschaft miteinander in Kontakt kommen können. Und arbeitsdemokratische Beziehungen sind nach diesem Konzept nicht möglich, wenn die Menschen innerhalb eines sozialen Systems nicht die Freiheit haben, ihr eigenes Leben, einschließlich ihrer Arbeitsfunktionen und -beziehungen, zu regeln. Ohne diese Freiheit ist ein Kontakt nicht möglich.

„Freiheit muß nicht erst errungen werden, denn sie ist in allen Lebensfunktionen spontan vorhanden. Was errungen werden muß, ist die Beseitigung aller Hindernisse der Freiheit. ... Nichts Außergewöhnliches ist zu erkämpfen. Nur das Lebendige ist freizusetzen.“ (ebd., S. 314)

„Arbeitsdemokratie kann nicht organisiert werden, ebensowenig wie Freiheit organisiert werden kann. ... Das Wachstum eines Organismus ist, kraft seiner biologischen Funktion, frei im strengsten Sinne des Wortes. Ebenso das natürliche Wachstum einer Gesellschaft. Es reguliert sich von selbst und bedarf keiner Gesetzgebung oder Regelung.“ (ebd., S. 313)

„Es ist nun die Funktion aller Arten autoritärer Herrschaft, die natürlichen selbstregulierten Funktionen zu behindern. Die Aufgabe einer echten freiheitlichen Ordnung kann nichts anderes sein, als jede Behinderung von Naturfunktionen auszuschalten. ... Derart fällt Demokratie, wenn sie ernst und echt gemeint ist, mit natürlicher Selbstregulation der Liebe, der Arbeit und des Wissens zusammen. Und Diktatur, mit anderen Worten die Irrationalität der Menschen, fällt mit Behinderung dieser natürlichen Selbstregulation zusammen. Daraus folgt eindeutig: Der Kampf gegen die Diktatur und irrationale Autoritätssucht der Menschenmassen kann nur in zwei Akten grundsätzlicher Art bestehen: In der Sichtung aller natürlichen Lebenskräfte im Individuum und in der Gesellschaft; in der Sichtung aller Hindernisse, die der spontanen Funktion dieser Lebenskräfte entgegenwirken.“ (ebd., S. 313)

Reich begriff demnach Arbeitsdemokratie als den Zustand, in dem die sozialen Beziehungen eine natürliche Selbstregulierung der Individuen und ihrer Arbeits- und Sozialbeziehungen ermöglichen. Reich war der Meinung, daß ein soziales System nur unter diesen Bedingungen „kontaktvoll“ funktionieren kann.

„Kontakt“ ist also das gesunde Funktionieren von Individuen und Gesellschaften, was Arbeitsdemokratie konstituiert.

Konia C 2022: Clueless. Princeton: The American College of Orgonomy
Reich W 1951: Der Einbruch der sexuellen Zwangsmoral, KiWi TB
Reich W 1946: Massenpsychologie des Faschismus, Fischer TB

 

 

zuletzt geändert
02.04.23

 

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