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BUCHBESPRECHUNGEN

 

 

"REICHIANISCHE" BÜCHER (Teil 2)

Peter Nasselstein

 

 

8. Conger: Jung & Reich (1988)

Der klinische Psychologe und "Bioenergetiker" Dr. John P. Conger ist Gründer und Leiter des "Instituts für Jungianische und Reichianische Studien". In seiner Danksagung am Anfang von Jung & Reich (6) nennt er u.a. seinen Ausbilder Alexander Lowen, sowie David Boadella und seinen Freund Myron Sharaf. Der letztere hatte das (geplante) Buch bereits 1984 in seinem Vortrag auf der Vierten Internationalen Orgonomischen Konferenz in München erwähnt und damals gemeint, er hätte gewisse Schwierigkeiten mit dem Thema wegen des Verhaltens von Jung gegenüber den Nazis.

Bereits in den 1920er Jahren hatte der abtrünnige Psychoanalytiker Otto Rank Jungs "kollektives Unbewußtes" als "rassisches Unbewußtes" bezeichnet, was, entgegen Congers Behauptung, vollkommen korrekt ist. Zum Beispiel hielt Jung (auch) die Schwarzen für "rassisch minderwertig". Conger selbst zitiert so eine Stelle, ohne zu merken, was er zitiert. Während seiner Reise nach Afrika 1925 zeigte Jung ein Traum, daß er, wenn er länger bleiben würde, in Gefahr stünde, vom schwarzen Kontinent aufgesogen, selbst schwarz und von seiner eigenen primitiven Seite verschlungen zu werden. Dazu muß man wissen, daß Jung schon vorher gesagt hatte, daß die Buren in Südafrika und die Weißen in den USA sich gegen die "niedere schwarze Rasse" und ihren sie ins Animalische herabziehenden Einfluß wehren müßten.

Jung hielt den Juden "seelenlosen Materialismus" und "zersetzenden Intellektualismus" vor, die dem "christlich-arischen Unbewußten" wesensfremd seien, dem "jüdischen Unbewußten" aber wesenseigen. Sie seien deshalb kaum miteinander vergleichbar. Das Unbewußte der, so Jung, "wurzellosen jüdischen Rasse", sei unschöpferisch, das arische Unbewußte jedoch schöpferisch. Für Jung gab es dementsprechend ein "jüdisches Problem", das medizinisch angegangen werden müsse (15).

Die Freudsche Psychoanalyse sei jüdisch, weil sie sich nur mit dem polymorph-perversen infantilen Schmutz am Grunde der Seele befasse ("schmutzige Adoleszenzphantasie"), die im arischen Unbewußten aber in Wirklichkeit zukunftsträchtige schöpferische spirituelle Spannung sei, voll explosiver Kraft, die vom Seher erschaut werden müsse. Gegenüber diesem arischen Schöpfertum, das aus heimatlicher Scholle erwüchse, hätten die Juden als Nomadenvolk nie eine eigenständige kulturelle Form ausgebildet, vielmehr hätten sie stets nur als unschöpferische Parasiten in den arischen Kulturen leben können. Juden hätten ihre physische Schwäche und Passivität mit den Frauen gemeinsam; eine Schwäche, die sie mit hinterhältiger Überintellektualität weibisch verlogen kompensieren würden, während Arier von Natur aus voll ehrlicher und aufrichtiger Männlichkeit seien. Gegen die intellektuellen Sticheleien käme es schließlich in einem schicksalhaften Aufwallen des wotanischen Sturmes zu einem Gegenschlag der deutschen Kollektivseele.

Der Pastorensohn Jung litt unter massiven Sexualängsten und sprach von der "Dämonie des Weibes". Ähnlich muß er gegenüber dem "polymorph-perversen" Juden Freud empfunden haben, der das autonome Ich triebhaft untergräbt. Gegen diese dunklen Mächte mobilisierte Jung die "Kraft der Individuation", wie sie dem Arier eigentümlich sei. Der einsam an der Spitze stehende deutsche "Führer" (der Archetypus des "mystischen Medizinmannes") war für Jung Ausdruck dieser dem arischen Unbewußten inhärenten "Individuation". Hitler war für ihn die Inkarnation der Volksseele und ihr Sprachrohr und unausgesprochen wohl auch Jungs Erlöserfigur gegen die im Weib und im Juden verkörperten dunklen Mächte.

Nach dem Krieg war Jung natürlich plötzlich gegen die Nazis - und er sei es schon immer gewesen. Nun machte er praktisch das jüdische polymorph-perverse materialistische Unbewußte für den Nationalsozialismus verantwortlich, der aus der Entartung der modernen Kultur entsprungen sei. Hitler habe "den Schatten, den inferioren Teil von jedermanns Persönlichkeit" dargestellt. Hitler wurde also die Rolle zugedacht, die Jung vorher den Juden zugewiesen hatte! Getreu der wasserdichten Antisemiten-Logik hatten also wieder der archetypische Jude Schuld!

Conger behauptet, Jung würde fälschlicherweise als Nazi-Sympathisant und Antisemit angeklagt werden. Er wollte doch nur das Schlimmste verhüten, als er selbstloser- und heroischerweise mit den Nazis kooperierte! Conger bringt es sogar fertig, hier Jung mit Reich als Widerstandskämpfer gleichzusetzen: "Viele der Psychoanalytiker, die Jung kritisierten, dachten sich nichts dabei den Marxisten Wilhelm Reich 1933 aus ihrer Mitte zu entfernen, um Hitler keinen Vorwand zu geben. Es ist eine Zeit des Terrors und der Konfusion." Bezeichnend für diese Argumentationsweise ist, daß Conger seine Darstellung von Jungs späterer (d.h. in die Nachkriegszeit fallende) Absage an den Nazismus mit dem krypto-nazistischen Machwerk The Spear of Destiny (18) des englischen Anthroposophen Trevor Ravenscroft untermauert (vgl.
Anthroposophy, A Nazi Cult?).

Auf die gleiche hinterhältige Weise, in der Conger Reich und Jung zusammen als Widerstandskämpfer verkauft, nimmt Conger mit dem folgenden Satz Reich für die Mystik in Beschlag: "In einer der kraftvollsten Passagen im Christusmord sah Reich den Menschen in der Falle. 'Die Falle ist die emotionale Struktur des Menschen, seine Charakterstruktur', in die der Mensch hineingeboren wird, die er von seiner Kultur ererbt. Die Alchimie sah ebenfalls die materielle Welt als eine Falle." Oder man nehme folgendes: "Widerstrebend werden wir (durch Reich und Jung) dazu gebracht, uns mit Elementen unserer Natur zu beschäftigen, die wir vorher verleugnet haben. Zusammen haben Jung und Reich die von uns verleugneten Elemente des Geistes und des Körpers wirkungsvoll enthüllt." Eine ähnliche Technik zeigt sich im folgenden Satz: "Reich hätte davon profitiert, wenn Jung ihn in den Taoismus und andere östliche Denkweisen eingeführt hätte, bei denen Sexualität und Spiritualität stark miteinander verwoben sind und das Spirituelle nicht vom Körper getrennt wird." Reich lernt von einem Sympathisanten des Nationalsozialismus die Mysterien des Coitus reservatus! (vgl. Die Massenpsychologie des Buddhismus).

Conger plädiert dafür, daß sich Lehrgebäude nicht gegeneinander abschließen, sondern sich gegenseitig befruchten. Dem kann sicherlich jeder vernünftige Mensch beipflichten. Es ist nur die Frage, ob diese Lehrgebäude wirklich gleichwertig sind, z.B. kann die Astronomie sicherlich die Astrologie befruchten, was umgekehrt ein übler Scherz wäre. Dieses Beispiel paßt auf das Verhältnis zwischen Orgonomie und Jungscher "Analytischer Psychologie" wie die Faust aufs Auge. Bei Conger ist es so, daß die Astronomie der Astrologie geopfert wird. Reichs ganze Orgonbiophysik wird bei Conger letztlich ein für den extrovertierten Reich leider notwendiger "alchimistischer" Umweg in den Bereich des "kollektiven Unbewußten". So setzt Conger z.B. Reichs unfokusierte Mikroskopie mit der unfokusierten mystischen Schau, also der okularen Panzerung, gleich. Reich habe als "Seher" schließlich Dinge gesehen, die seine Mitarbeiter nicht mehr wahrnehmen konnten.

Aber können wir denn gar nichts von Jung lernen, der ja schließlich nicht nur "Astrologe", sondern als Psychiater auch ernstzunehmender Wissenschaftler war und der sich doch mit Dingen beschäftigte, die Reich eher vernachlässigt hat, nämlich mit dem kulturellen und religiösen Erbe der Menschheit? Zweifellos kann die Beschäftigung z.B. mit indianischen Mythen, der Alchimie oder dem Taoismus nur belehrend für die orgonomische Wissenschaft sein, aber es fragt sich, warum man den Umweg über Jung nehmen sollte. Jeder, der sich eingehend mit dem gnostischen Christentum, der indischen Mystik oder irgendeinem anderen Gebiet beschäftigte, das Jung auf seine Weise analysiert hat, wird mir bestätigen, daß es eine Zumutung ist, ständig Darstellungen lesen zu müssen, die mit Jungschen Begriffen ganze Geistestraditionen bis zur Unkenntlichkeit verstümmeln. Mich erinnert dieses Vorgehen der Jungianer an die Psychoanalyse, die mit willkürlichen dogmatischen Deutungen die Seele der Patienten zerstört.

Diese Leute können nicht mehr zuhören, nicht mehr klar wahrnehmen, weil alles sofort kategorisiert und katalogisiert wird. Bei Freud wird alles zu einem pornographischen und bei Jung zu einem okkulten Alptraum, in dem Bleistifte entweder zu Penissen oder archetypischen Donnerkeilen (oder was auch immer) mutieren. Jungs UFO-Theorie, die Conger natürlich mit Reichs Interesse auf diesem Gebiet gleichsetzt, ist ein gutes Beispiel für diesen Vorgang. Das Phänomen wird nicht einfach beobachtet, vielmehr wird es gleich verkleistert: die Kreisform der UFOs entspricht dem "Archetypus des Selbst" und wird vom innerlich zerrissenen Menschen der Gegenwart, also auch, wie Conger meint, von Reich, an das Himmelszelt projiziert, als katalysierendes Zeichen dafür, daß eine neue Synthese unmittelbar bevorsteht. Das ist das Ende jeder unvoreingenommenen Auseinandersetzung mit dem zu untersuchenden Phänomen. Natürlich wird auch Reichs kreisförmiges Funktionsschema des Organismus von Conger im Lichte dieses Ganzheits-Archetypus gesehen - selbst wenn das Schema die Aufspaltung der organismischen Einheit durch die Panzerung beschreibt.

Conger wartet mit Dutzenden von derartigen Punkten auf, die die Ähnlichkeit von Reich und Jung beweisen sollen, schaut man aber genauer hin, handelt es sich bei einem Großteil um Sachen wie: beide können als große Prosaisten gelten; beide seien nicht nur Theoretiker, sondern auch hervorragende Therapeuten und Lehrer gewesen; beide hätten Wutausbrüche gehabt, etc. Und selbst Punkte wie: beide hätten sich den Grundlagen des Lebens zugewandt; beide hätten mit der traditionellen Religion auf Kriegsfuß gestanden; oder beide hätten Häuser gebaut, um ihre Visionen darzustellen. Solche Ähnlichkeiten sind ohne jede tiefere Bedeutung und treffen auf jeden X-Beliebigen zu von Albert Schweitzer bis Adolf Hitler! Und manche der Punkte, die Conger vorbringt, sind einfach entwaffnend lächerlich, z.B. hätten sich beide mit dem Bösen und der Rolle des Teufels beschäftigt - unter dieser Rubrik führt Conger dann Dinge aus, die zeigen, daß beide zu genau entgegengesetzten Schlußfolgerungen gekommen sind!

Für Reich ist es gut, den natürlichen, tiefsten Antrieben zu folgen, während Jung ziemlich analog zu Freud meinte, man solle sich im Prozeß der "Individuation" vom tiefsten Wesensgrund, dem kollektiven Unbewußten, emanzipieren. Jung hatte nicht wie Reich die Sekundäre (bzw. Mittlere) Schicht durchdrungen und war so auf den Kern gestoßen, sondern er hat die Mittlere Schicht, Freuds Unbewußtes, sozusagen "kollektiviert".

Conger bietet einen sehr interessanten Vergleich zwischen Reichs "Fassade" und Jungs "Persona", Reichs "Mittlerer Schicht" und Jungs "Schatten"; ein Vergleich, der durchaus dazu beitragen kann, die Reichschen Begriffe besser zu verstehen. Versucht man aber den "Kern" mit ins Spiel zu bringen, sieht man, daß der Jungsche Schatten bis in den Kern hineinreicht - der dergestalt nie erreicht wird. Funktionell gesehen ist bei Jung die DOR-Kontamination unaufhebbar - ein Reflex seiner tiefsitzenden nationalsozialistischen Nekrophilie (vgl. 9). Conger selbst kann für den Reichschen "Kern", außer natürlich dem "kollektiven Unbewußten", kein Jungsches Äquivalent beibringen.

Diese Lücke kommt nicht von ungefähr, denn Reichs "Kern" entspricht formal dem Jungschen "Selbst", wenn man das aber einräumt.... Dazu muß man wissen, daß Jung das Selbst mit dem archetypischen "Vater" gleichsetzt. Entsprechend schreibt Jung in Das Wandlungssymbol in der Messe (30:66f), daß das Selbst, solange es unbewußt bleibt, dem Freudschen Über-Ich entspricht. Erst wenn es durch die Hingabe unseres Ichs (d.h. des "Sohnes" am Kreuz) wirklich von uns integriert wird, wird es zu unserem ureigensten Gewissen und Wesenskern. Erinnert man sich, daß nach Reich Über-Ich und Panzerung funktionell identisch sind (26:219f), wird klar, daß Jung auch mit seinem Konzept des Selbst nicht zum Kern vorgestoßen ist und daß darüber hinaus seine Therapie auf das exakte Gegenteil der Reichschen zielt.

Für Jung war die Vertreibung aus dem Paradies, die für Reich den Anfang der Panzerung markierte, der Beginn des menschlichen Individuationsprozesses. Im übertragenen Sinne hat für Jung die Panzerung erst den vollwertigen Menschen geschaffen, bzw. ist sie das Vehikel, durch das der vollwertige Mensch erst entstehen kann.

Es ist erstaunlich, wie Conger es zuwege bringt, diese beiden konträren Männer zusammenzubringen, zumal Congers Darstellung von Reich ziemlich gut ist, wenn es auch kleinere Fehler gibt, z.B. setzt Conger die Emotionelle Pest einfach mit der normalen neurotischen Reaktion gleich oder er zitiert zur Illustration von Reichs Vorstellung von der funktionellen Beziehung von Soma und Psyche Reichs Darstellung des psychophysischen Parallelismus und er, der "bioenergetische Therapeut", deutet ständig eine Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen beiden an!

 

 

9. Mann/Hoffman: Wilhelm Reich (1980, 1990)

1980 (als die erste Auflage von Wilhelm Reich [14] erschien) sagten Mann und Hoffman voraus, daß Reichs Name in den 1980ern in aller Munde sein würde. Unsere 16 Besprechungen zeigen, wie dieser Traum zum Alptraum wurde. Bereits 1980 taten die beiden Autoren alles, um einen zurechtgestutzten Reich ans Publikum weiterzugeben. Es ist der moderne Hang, alle Ecken und Kanten zu glätten. Die "sanfte Verschwörung", die alles einlullt, alles, was heftige Emotionen hervorrufen könnte, beseitigt, die Erregungsquelle ausschaltet - Reich kastriert!

Den Begriff "Emotionelle Pest" wird man in diesem Buch vergebens suchen. Nicht ohne Grund. Es mag sein, daß, abgesehen von marginalen Fehlern und bedenklichen Akzentverschiebungen, das, was Erwähnung findet, gut dargestellt wird. Ausgezeichnet ist die Beschreibung dessen, was von Reichs Voraussagen und Hoffnungen eingetreten ist und dessen, was Reichs Werk bestätigt hat. Aber ansonsten stellt das Buch einen der gemeinsten Angriffe auf Reichs Lebenswerk dar. Daß dieses Machwerk durch ein Vorwort von Reichs Tochter, die er sogar als seine Nachlaßverwalterin eingesetzt hatte, eingeleitet wird, macht die Sache um so trauriger.

Selbstverständlich fehlt in der Beschreibung der Spätfolgen des ORANUR-Experiments und der Wüstenexpedition jede Erwähnung des UFO-Problems. Selbst die aktuelle Bedeutung des ORANUR-Experiments, z.B. für die Anti-KKW-Bewegung, wird kaum angeschnitten. Dies ist offenbar dem kontaktlosen "positiven Denken" der Autoren anzulasten, der sie ständig alles rosig einfärben läßt und da stört der dunkle Schatten, den das ORANUR-Experiment und die Entdeckung des DOR bis heute auf die Orgonomie und auf die ganze Welt geworfen hat. Reichs Alpträume für die Zukunft scheinen nicht Thema des Buches zu sein. Außerdem nehmen die Autoren die Orgonenergie gar nicht als physikalische Realität, sondern allenfalls als "Mythos" wahr, folglich auch ORANUR und DOR. Ferner ist im Buch die Orgonenergie nur Teil eines Spektrums diverser "vitaler Energien", genauso wie z.B. die Orgontherapie eine von vielen "alternativen Behandlungsformen" ist. Hier kommt der alles durchwirkende "liberale" Pluralismus der Autoren zum tragen, zu dem auch ihre egalitäre und kollektivistische Interpretation der Arbeitsdemokratie gehört.

In dieser "atomistischen" Weltsicht wird ständig dem Wesentlichen ausgewichen. Zum Beispiel wird zwar erwähnt, daß Reich glaubte, der Krebs ließe sich nur durch radikale soziopolitische Veränderungen aus der Welt schaffen. Während aber Reich vor allem an die sexuellen Rechte der Jugendlichen dachte, richten unsere Autoren (wie in einer Karikatur der Ansichten Marcuses) alle Aufmerksamkeit auf den Streß in der Industriegesellschaft. Alles wird auf das Niveau der "Humanistischen Psychologie" gebracht und Reichs grundsätzliche Kritik am feigen prinzipienlosen Liberalismus wohlweislich unterschlagen. Ja, Reich wird zu einem Heroen des modernen Liberalismus erklärt.

Das Buch verkörpert die "postmoderne" Beliebigkeit. Grundsätzlich alle Perspektiven sind gleichberechtigt. Jede Kritik an Andersdenkenden ist tabu. Nur derjenige, der das Tabu bricht, ist zu bekämpfen. Bei genauem Hinsehen ist Reich nicht etwa der Held dieses Buches, sondern der intolerante Teufel, den es bekämpft.

Das Buch ist, wie gesagt, teilweise sehr gut gelungen, z.B. was die Autoren über die Orgastische Potenz sagen, wo sie interessante neue Quellen vorbringen. Das Unheil kündigt sich aber schon durch den Druckfehler "orgiastische Potenz" an (ein weiterer Druckfehler ist "orgonotischer Funktionalismus"). Daß es sich hier um eine Freudsche Fehlleistung handeln könnte, zeigt sich ein paar Seiten weiter, wenn Otto Mühls AAO als Teil von Reichs "sexuellem Vermächtnis" (sic!) dargestellt wird.

"Die breite Masse unserer Jugend hat seit kurzem einen Vorgeschmack der sexuellen Freiheit erhalten, für die Reich eingetreten ist. (...) Sex zur Entspannung (recreational sex) gewinnt an Boden" (S. 63). Sic! - Charakteristischerweise wird gleichzeitig die Sexualität mystifiziert, indem Reichs kritischer Bemerkung, daß Sexualität und Religion ein Gemeinsames Funktionsprinzip haben, ein falscher Akzent verliehen wird. Im Matriarchat habe man "sowohl sexuelle als auch religiöse Aktivitäten als befreiend empfunden" (S. 229). Offensichtlich meinen die Autoren die tantrische Befreiung (vgl. S. 196) von der materiellen Welt! Auch Reichs Orgon-Forschung sei eine ständige "Begegnung mit dem Transzendenten" gewesen (S. 189). In seinen letzten Schriften hätte Reich einem "natürlichen Mystizismus" Ausdruck verliehen (S. 192).

Das Verwirrende an dem Buch ist, daß die Autoren (wie auch bei anderen Zumutungen) wenige Seiten weiter eine vollständig akkurate Darstellung von Reichs grundsätzlicher Leugnung einer "transzendenten Bedeutung des menschlichen Daseins" geben. Reich habe solche Vorstellungen als neurotisch bezeichnet (S. 194). Andererseits gehen die Autoren dermaßen geschickt vor, daß Reichs authentische Argumente gar nicht zum Leser durchdringen können. Trotzdem sie Reichs ablehnende Einstellung zum östlichen Geistesleben korrekt wiedergeben, unterlaufen sie sie gleichzeitig, indem sie auf vorgeblich entsprechende Aussagen von Rajneesh (Osho) und Krishnamurti verweisen (S. 199). Die Autoren nennen die mystischen Sufis (entgegen dem modernen Vorurteil zu einem Gutteil Sperrspitzen des Islamismus und damit "Saharasias") in einem Atemzug mit den animistischen Indianern als Zeugen der Orgonenergie (S. 160). Dies entspricht dem Hang der Autoren, die Orgonenergie von etwas, das man zwischen seinen Handflächen "handfest" spüren kann, in den Bereich des Intuitiven, Mystischen, Visionären, Ungreifbaren zu versetzen. Nur nicht berühren!

Reichs Haltung zum Mystischen, Okkulten und Parapsychologischen geben die Autoren korrekt wider: "Bestenfalls betrachtete er das Interesse an diesen Dingen als töricht und fehlgeleitet; schlimmstenfalls verband er es mit Irrationalismus, Rassismus und Sadismus" (S. 188). Doch glauben die Autoren, Reich hätte seine Haltung in den 1960er und 1970er Jahren sicherlich geändert. Dies ist kaum anzunehmen, denn durch DeMeos "Saharasia-Theorie" hat die "anti-östliche" Ausrichtung der Orgonomie neue Nahrung erhalten.

Wenn man schon das "mystische" Potential Reichs erschließen will, bieten sich ganz andere Wege an, die merkwürdigerweise unsere Autoren nicht beschreiten. Da wären Reichs positive Äußerungen über das Christentum im allgemeinen und den Katholizismus im besonderen oder etwa Reichs erzieherische Aufforderung an seinen Sohn, das Beten zu lernen. Man könnte z.B. davon sprechen, wie über 2000 Jahre hinweg die Kirche den unbefleckten Abglanz der Ewigkeit bewahrt hat oder dergleichen. Aber offensichtlich paßt das nicht ins New Age-Muster der Autoren, da es zu sehr "Old Age" und der katholische Mystizismus viel zu "materialistisch" ist.

Was die Autoren anzieht, ist das Neuheidentum eines Rajneesh (Osho). Sie loben die "aktive Meditation" des Meisters als "besonders befreiend". "Ihr Schütteln und Tanzen trägt zur Lockerung des Panzers bei" (S. 89). Was sie ansonsten über Therapie von sich geben, ist genauso unglaublich. Da werden z.B. Familien gelobt, die heute freier mit dem Körper umgehen - und mit Kindern Hatha-Yoga treiben (S. 89). Also wirklich das exakte Gegenteil der Orgontherapie.

Genauso lächerlich ist es, wenn die Autoren Reichs wissenschaftliche Orgonomie, der sie kaum glauben schenken, durch irgendwelche mystische Systeme, denen sie bedingungslos vertrauen, "untermauern" wollen. So soll Reichs Orgonenergie unter eines der vier hypothetischen Äther Rudolf Steiners einzuordnen sein. Die "neue Physik" werde wahrscheinlich Steiners Formulierungen in etwa folgen, wobei "Reichs Orgontheorie eine wertvolle Komponente sein könnte" (S. 171). Natürlich wird auch die Waldorf-Erziehung gepriesen, die nun wirklich nichts mit Reichs Träumen gemein hat ("Ver-Steiner-ung"). Unterschlagen wird auch, daß Steiner ein Feind der Sexualität war (vgl.
Anthroposophy, A Nazi Cult?).

Man wundert sich dann auch nicht mehr, daß die Autoren dem Leser schließlich das Buch The Cosmic Pulse of Life (7) von Trevor Constable ans Herz legen, der versucht Reich und Steiner miteinander zu verbinden (S. 169). Wie Jerome Eden einmal sagte: Ein Freund Constables kann weder ein Freund der Orgonomie noch mein Freund sein! Um dem ganzen die Krönung aufzusetzen, zitieren sie am Ende ihrer Ausführungen über Steiner aus Theodore Roszaks Buch Das unvollendete Tier(1) dessen enthusiastische Einschätzung Steiners, unterschlagen aber, daß in genau demselben Buch ein absolut widerwärtiger Angriff auf Reich zu finden ist, der mit folgendem Satz beginnt: "Spätestens seit Erscheinen von W. Edward Manns [einer unserer beiden Autoren!] Buch Orgone, Reich & Eros [1973] haben Wilhelm Reichs Orgon-Theorien Einzug gehalten in die Bewußtseinsszene." Die Autoren hätten als jede Veranlassung gehabt, auf Roszaks Ausführungen über "Wilhelm Reich und sein Orgon-Kasten" einzugehen!

Interessant ist, daß Roszaks Angriff auf Reich praktisch nach dem gleichen Muster abläuft wie die Glorifizierung Reichs durch unsere Autoren. Diese wollen die Bedeutung Reichs nachweisen, indem sie auf Entsprechungen für die Orgonenergie in mystischen Systemen aufmerksam machen. Während Roszak umgekehrt "Reichs mystische Heimsuchungen" dadurch abqualifizieren will, daß Reich sich erdreistete, diese angeblichen "Heimsuchungen" wissenschaftlich zu untermauern, was ihn zur spirituellen Null machte. "Es geht hier", so Roszak, "um den rüden Versuch, Bewußtseinserfahrungen zu materialisieren und zu verwissenschaftlichen. Und das bedeutet nichts anderes als Knebelung! An die Stelle der erhebenden, subtilen Wahrnehmungen tritt das platte, effekthaschende Surrogat" (29). Unsere beiden Autoren wollen diese Scharte wettmachen und Reich zu einem legitimen spirituellen Meister jenes Zeitalters erklären, in dem der Mensch sein Tiersein überwunden und reiner Geist geworden ist. Erlöst von drückender Orgonenergie und drängender Genitalität!

 

 

10. Konitzer: New Age (1989)

1987 erschien im Hamburger Junius Verlag Wilhelm Reich zur Einführung von Martin Konitzer (11). Das Buch hinterließ bei mir damals recht zwiespältige Gefühle. Einerseits war ich verärgert, wie hier einer die Reichsche Orgasmustheorie, also das Wesentliche, das einzig wirklich Originelle an Reichs Werk, einfach unter den Tisch fallen ließ. Andererseits fand ich es sehr anregend, wie Konitzer zeigte, daß Reich "Fortführer des Naturprogramms der deutschen Spätaufklärung wie auch in einem Teil seines Werkes neuzeitlicher Repräsentant der Gnosis" war. Ähnlich zwiespältige Gefühle habe ich angesichts von Konitzers zweitem Buch "über das Alte im Neuen" (12).

Es bleibt das Umgehen des Wesentlichen. Besonders deutlich wird dies bei seiner Auseinandersetzung mit C.G. Jung. Konitzer zufolge wurde sowohl Jung als auch Reich von Freud wegen der "physikalischen Weiterung der Freudschen Libido als biologisch-physikalische Energie" verstoßen. Dabei geht es mir weniger darum, daß bei Jung nie und bei Reich noch nicht von "Physik" die Rede sein konnte und jeder Vergleich zwischen den beiden einfach lächerlich ist
(2) - von Bedeutung ist hier nur, daß Jung und Reich aus gegensätzlichen Gründen von Freud "enterbt" wurden: Jung, weil er die Libidotheorie entsexualisierte und damit aufgab; Reich, weil er an ihr festhielt. Zu Konitzers "sexueller Blindheit" paßt auch, daß er mystische Erfahrungen nie als sexuelle Surrogate entlarvt, sondern immer als "energetische" Erfahrungen preist.

Selbstverständlich fehlt neben der Orgasmustheorie auch der zweite zentrale Aspekt, um den Reichs Denken kreiste: in Konitzers Buch, das doch von Utopien handeln soll, sucht man vergeblich nach einem Hinweis auf die Selbstregulation. Die Sexualität versinkt im mystischen Sumpf und das selbstbestimmte Individuum verschwindet in den Nebeln kollektivistischer Utopien. An dieser Stelle kann man nur Stirner zitieren, der in Der Einzige und sein Eigentum über die (Pseudo-) Aufklärung schrieb: "Nicht genug, daß man die große Masse zur Religion abgerichtet hat, nun soll sie gar mit 'allem Menschlichen' sich noch befassen müssen. Die Dressur wird immer allgemeiner und umfassender" (32:365).

Konitzer sieht das New Age in der Tradition der "68er-Bewegung". Der damaligen sozialistischen Utopie habe es an der "biologischen" Fundierung ermangelt, die nun das New Age bieten wolle. Anscheinend meint Konitzer, dies wäre Reichsche Tradition. In Wirklichkeit ist es doch aber eher so, daß diese Verbindung von Sozialismus und Okkultismus (und nichts anderes ist diese "Biologie") einfach nur die Rückkehr des Nationalsozialismus im "grünen" Gewande ist. Konitzer selbst erwähnt den Weg vom "Klassenbewußtsein zum Stammesbewußtsein", ist aber scheinbar nicht sensibel genug, um den braunen Gestank wahrzunehmen, der dort emporwabert.

Auf die New Age-Bewegung trifft dasselbe zu, was Reich 1942 in Die Funktion des Orgasmus über die nationalsozialistische Bewegung geschrieben hat: "Die Faschisten treten mit dem Anspruch auf, die 'biologische Revolution' durchzuführen. Richtig ist, daß der Faschismus das Problem der neurotisch gewordenen Lebensfunktion im Menschen restlos aufwarf. Im Faschismus wirkt, vom Standpunkt der ihm folgenden Masse gesehen, zweifellos ein unbändiger Lebenswille. Doch die Formen, in denen dieser Lebenswille der Masse sich kundgab, verrieten allzu deutlich die Folgen uralter seelischer Versklavung. Zunächst brachen nur die perversen Triebe durch. Die nachfaschistische Welt wird die biologische Revolution durchführen, die der Faschismus nicht schuf, sondern notwendig machte" (21:187).

Es versteht sich, daß Konitzer nicht nur "Aufklärer", sondern auch "Humanist" ist und als solcher hat er durchaus einen Blick für die faschistischen Seiten des New Age. Er durchschaut selbst Leute wie Timothy Leary und Robert Anton Wilson, auch wenn er nicht bis zum Kern des Syndroms, das Leute wie Wilson verkörpern, durchdringt: das "Weg vom sexuellen Tier". Man muß auch anerkennend hervorheben, daß Konitzer darauf hinweist, der Massenmörder Charles Manson habe sich nicht von ungefähr auf Timothy Leary berufen können. Die Tür zur wirklichen Finsternis schlägt Konitzer aber erst unter der Überschrift "Schwarze Magie" auf: Aleister Crowley und Georg I. Gurdijieff und ihre Affinität zum Schwarzen Faschismus.

Was Konitzer hier freilegt, wird durch folgendes Zitat des New Age-Historikers Morris Berman akzentuiert: "Es liegt durchaus drin, daß der ganze Holismus direkt nach Auschwitz zurückführt! Meiner Meinung nach hatte Hitler diese Aspekte der holistischen Vision. Denn die ganze Nazi-Mannschaft war mit Astrologie, dem heiligen Gral und anderen okkulten Dingen beschäftigt. Eines der Probleme der unkritischen Naturen, die sich in der Szene bewegen, ist, daß sie einfach sagen, ich hasse die mechanistische Gesellschaft, wir werden alle Holisten und frei. Aber es gibt Holismus und Holismus. Wir werden also vorsichtig sein müssen" (S. 86).

Neben dieser zumindest partiellen Freilegung der nazistischen Natur des New Age sind auch weitere Teile von Konitzers Buch gut gelungen. So ist z.B. seine Auseinandersetzung mit der Genetik ausgezeichnet und genauso lesenswert wie seine Kritik an der "objektiven" Naturwissenschaft, die eben doch einen theologischen Kern hat. Interessant ist auch seine Auseinandersetzung mit dem Energiebegriff, der in der Orgonomie manchmal ziemlich naiv gehandhabt wird.

Besonders faszinierend fand ich Konitzers Anmerkung, daß die meisten bisherigen Utopien männliche Phantasien der "Landnahme" seien: bei Freud, die Trockenlegung des Unbewußten; im Marxismus, die Eroberung von Neuland durch Eindeichung. Leider weist er nicht darauf hin, daß schon von Anfang an der patriarchalische Gott der Bibel ständig gegen Wassermassen ankämpfte: "Das Meer ist für das Alte Testament Sinnbild der gottfeindlichen, die Schöpfung und ihre Ordnung bedrohende Macht. Der Schöpfungsvorgang selber kann darum als Kampf gegen das 'Urmeer' beschrieben werden (...)" (Erklärung in der Einheitsübersetzung [1]). Reich sprach demhingegen von "ozeanischen Gefühlen" und von Gott als dem "kosmischen Orgonenergie-Ozean".

Zusammen mit der "wilden Herde" der Reichianischen Therapeuten stimmt Konitzer den Schlachtruf an: "Wo Ich war, soll Es werden! (...) Um Lowen, Boysen, Pierrakos, Boadella, Eva Reich - um nur die populärsten Therapeuten zu nennen - hat sich dieses Heer mit Gefolgschaft in allen westlichen Ländern (...) entwickelt und steht nun in mehr oder weniger enger institutioneller, auf jeden Fall aber enger ideeller Beziehung zum New Age" (S. 101). Wo Ich war, soll Es werden?! Ist das die Wiederkehr des Über-Ich "von unten"? Die Verankerung der Dressur, von der Stirner oben sprach, in der Tiefe?

Orgonomisch steht das Ich für die Koordination aller Organempfindungen. Das Ziel der Orgontherapie ist es, diese durch die Panzerung (= Über-Ich) gestörte Koordination wiederherzustellen, damit es in der Genitalen Umarmung zur einheitlichen orgastischen Konvulsion kommen kann (wobei sich das Ich zeitwillig auflöst - um gestärkt wiederzuerwachen). Wo Über-Ich war, soll Ich sein!

 

 

11. Körner-Wellershaus: Wilhelm Reich (1993)

Reichs Botschaft an den Erwachsenen ist ziemlich deprimierend: "(...) man hört nicht gern, daß einem das Lebensglück zerbrochen wurde und man eine vertane Zukunft hinter sich hat" (20:269). Studiert ein, sagen wir mal, 60jähriger die Orgonomie, kann er eigentlich einpacken: sein Leben ist vorbei, er hat es nie gelebt und wird es nie leben können. Das ist der Grund, warum man die Orgonomie haßt und ins Spirituelle flüchtet: man will nicht zum Weinen über ein nichtgelebtes Leben gebracht werden. Freud, Schopenhauer, Buddha, etc. sind populär, weil sie predigen, daß das Leben ohnehin nur Leid ist (man also nichts verpaßt hat), während Reich so unpopulär ist, weil er wohl gewissermaßen das gleiche sagt, aber ergänzt, daß das Leben unwiderrufbar hinter uns liegt (wir also sehr wohl das beste verpaßt haben). Wir können allenfalls den Kindern der Zukunft ein besseres Leben schenken.

In seinem Buch über Wilhelm Reich (13) weist der Religionswissenschaftler Thomas Körner-Wellershaus allein schon von Berufswegen unserem 60jährigen einen Ausweg aus der offensichtlichen Sackgasse, in die die Orgonomie ihn führen würde: die mystische Wahnwelt des "kosmischen Bewußtseins", das uns von den Fesseln unserer verbogenen Sexualität erlöst. Bezeichnend für das Niveau, auf dem Körner-Wellershaus vorgeht, ist z.B. der Vorwurf, Reich habe sein Diktum von der sexualfeindlichen Struktur der östlichen Religionen aus mangelndem Wissen gefällt. Der Religionswissenschaftler erwähnt als Gegenargument die Sexualmagie im tantrischen Hinduismus und Buddhismus - was, angesichts der krassen Verneinung der genitalorgastischen Funktion durch diese Systeme (man könnte auch den Taoismus nennen), wohl eher die Unbedarftheit von Körner-Wellershaus offenbart (vgl.
Die Massenpsychologie des Buddhismus).

Trotzdem zeigt er abschnittsweise doch ein erstaunliches Verständnis für Reich. Um dem Buch gerecht zu werden, lohnt es sich, zumindest als interessantes Gedankenspiel, von der religionswissenschaftlichen Sichtweise her die Orgonomie als "ganzheitlich-esoterischen Ansatz" zu betrachten, also nicht als Naturwissenschaft. Körner-Wellershaus behauptet, daß bei Reich unter einer "agnostischen Oberfläche nahezu ein komplettes religiöses System entstanden ist". Das Esoterische und Gnostische leitet er davon ab, daß Reich von einem orgonotischen Lebenskern spricht, der nur "Eingeweihten" zugänglich sei und der mit dem ganzen Kosmos in eins fließe, was das Ganzheitliche und Animistische der Orgonomie ausmachen würde. Die Orgonomie sei "pseudowissenschaftlicher Animismus".

In diesem Zusammenhang bringt Körner-Wellershaus ein interessantes Konzept vor: "(...) anders als der mit einer Vielzahl von Seelen und Geistern umgehende Animismus führt die Orgonomie die Bewegtheit allen Seins auf ein einziges Phänomen zurück, eine den Kosmos durchströmende Energie. Einer solchen Idee wiederum geht die von R.R. Marett entwickelte Theorie des Präanimismus nach." Marett habe eine präanimistische Phase postuliert, wie man sie z.B. im polynesischen Konzept des Mana vor sich hat; eine Art allgegenwärtiger Kraft, die alles durchdringt und die in bestimmten Objekten und Menschen konzentriert werden kann. Diese Kraft habe Ähnlichkeit mit Elektrizität. Körner-Wellershaus zufolge, bezeichnet man Lebensenergiekonzepte in den naturvölkischen Anschauungen als "Dynamismus".

Eine weitere Bezeichnung, die Körner-Wellershaus der Orgonomie gibt, ist "Gnosis im weltlich-pseudowissenschaftlichen Gewand": "Bei gänzlich unterschiedlicher Einstellung zur Welt (antikosmisch bzw. kosmisch) lassen sich strukturell ähnliche Elemente zwischen Gnosis bzw. Manichäismus und dem Ansatz Reichs in mancher Hinsicht feststellen: Die Einteilung und Bewertung der Menschheit erfolgt in Form einer Zweistufigkeit, die zu einer Dreiteiligkeit erweitert wird (Genitaler Charakter und Gepanzerte [Mystiker und Mechanisten]; Pneumatiker und Psychiker [Psychiker und Hyliker])."

Trotz dieser befremdlichen Einordnung der Orgonomie muß man Körner-Wellershaus zu gute halten, daß er konstatiert, Reich werde vom New Age für etwas zum Zeugen herangezogen, was nie in seiner Zielsetzung lag. Gleichzeitig hält er Reich Widersprüchlichkeiten und Verworrenheit vor, die daraus entstanden seien, daß Reich sich nie jene Fragen gestellt habe, die nun das New Age aufgeworfen hat - und in diesen Freiraum würde jetzt das New Age einbrechen und Reich in Beschlag nehmen. Eine recht doppelbödige Kritik....

Das New Age unterläuft Reichs Religionskritik und da er dem selbst Vorschub geleistet hat, kann man ihn wohl tatsächlich einen "Vater des New Age" nennen, wie Körner-Wellershaus überzeugend nachweist. Eine Vorlage gab Reich schon Ende der 1920er Jahre, als er zwar die Religion ablehnte, aber immerhin zwischen patriarchalischer und matriarchalischer Religiosität unterschied, wobei die letztere durch die Einheit von religiösem und sexuellem Erleben geprägt sei. Damit bot er jenen "Reichianern" ein breites Einfallstor, die nun von "echter Spiritualität aus dem vegetativen Kern heraus" oder gar von der "Religion der Sexualität" im tantrischen oder taoistischen Sinne sprechen können. Später hat er dann einen ähnlichen Anlaß zur Verwirrung der Geister geboten, wie Körner-Wellershaus zurecht anmerkt, als er den Begriff "Gott" sowohl psychoanalytisch auf das Über-Ich, als auch orgonomisch auf den Kern bezog.

Durch seine Mißinterpretation der Orgonomie als esoterische Philosophie ist Körner-Wellershaus auf eine sehr interessante Fragestellung gestoßen, nämlich die nach dem Verhältnis zwischen der kosmischen Orgonenergie und der "objektiven funktionalen Logik". Sind, so frägt er, die "Orgonen" (sic!) nur das Instrument dieses "kosmischen Logos"?

Diese Frage, die Reich angeblich nie beantwortet hat, stellt sich erst gar nicht: Pathos ("leidenschaftliches Wollen") ist das unmittelbare Erleben von innen (z.B. der Genuß beim Essen), während der Logos die nachträgliche Betrachtung von außen, das bewertende Nach-Denken ist (man denkt: "Das hat mir geschmeckt!"). Körner-Wellershaus stellt dieses naturgegebene Verhältnis von Pathos und Logos auf den Kopf. - Man kann in einer Menschenmenge Teil ihrer Dynamik sein: die dynamische Entwicklung entfaltet sich aus dem Gemeinsamen Funktionsprinzip, CFP, und entfernt sich dabei von ihm. Oder man kann die Menschenmenge von oben her betrachten und ihre Bewegungen analysieren: man schaut zum CFP zurück. Es ist ein und dieselbe Menschenmenge, nur die Betrachtungsweise unterscheidet sich. In typisch mechano-mystischer Manier "substantialisiert" der Philosoph Körner-Wellershaus diese Funktionen ("Beziehungen des Teiles zum Ganzen"), um dann Reich philosophische Unbedarftheit vorzuwerfen (vgl. Orgonometrie).

Es hängt von der Betrachtungsweise ab, ob man abstrakt vom "einen Orgon" spricht oder von der konkreten Orgonenergie, die natürlich jeweils immer nur ein einzelnes Orgonenergie-"Partikel" sein kann von unendlich vielen. Das Orgon ist ja eine physikalische Energie und damit in konkreten, wenn auch nicht unbedingt konstanten, Quanten gegeben und kein ungreifbarer, weil unteilbarer metaphysischer Seinsgrund! Wenn Körner-Wellershaus solche metaphysischen Kategorien der Betrachtung einbringt, kann er leicht nachweisen, daß Reich sein Konzept nicht gut durchdacht hat. Wie auch? Ist es doch von vornherein kein metaphysisches Konzept, sondern der Versuch Erfahrungstatsachen zu abstrahieren, was immer mehr schlecht als recht gelingen und niemals in sich abgeschlossen sein kann, da ständig neue Erfahrungen integriert werden müssen; überholte, durch neue Beobachtungen fragwürdig gewordene Begriffe sich festgesetzt haben, aber nicht mehr verändert werden können, weil man sonst im Begriffschaos endet, etc.

Für Körner-Wellershaus ist die Behandlung von Bewußtsein und Selbstwahrnehmung die Schwachstelle von Reichs "ganzheitlich-esoterischem Ansatz".(3) Dabei mutet seine Kritik ziemlich "anthroposophisch" an: "Reichs Bewußtseinstheorie bleibt bei diesen Überlegungen (aus dem Schlußkapitel von Die kosmische Überlagerung, PN) stehen. Sie nimmt sich in seinem Werk beinah hilflos aus, als ob ihr Schöpfer nicht recht gewußt habe, wie er sie in seine Arbeit integrieren könne. Da von Reich m.E. nicht herausgearbeitet worden ist, in welchem Verhältnis, die objektive funktionale Logik und das Bewußtsein zueinander stehen, ergeben sich eine Reihe von Fragen: Sind diese drei Elemente ein Ausdruck des gleichen Phänomens? Sind die kosmische Logik und die Orgonenergie identisch, und ist das Bewußtsein aus ihnen hervorgegangen? Oder gehört das Bewußtsein zur kosmischen Logik, die noch über die Orgonenergie hinausführt? Wenn dem menschlichen Denken die Funktion der Selbstwahrnehmung zukommt, befindet sich dann der Kosmos in einem Prozeß auf ein allumfassendes Bewußtsein zu? Zog erst mit dem Menschen das Bewußtsein in das Universum ein? Verfügt der kosmische Logos (die objektive funktionale Logik) über ein kosmisches Bewußtsein oder handelt es sich bei ihm um eine selbstregulierte, unbewußte Funktionalität, was ein Paradoxon wäre?"

Reich war der Auffassung, daß es dumme Fragen gibt. Fragen, die nicht tiefer dringen wollen, sondern ganz im Gegenteil von den konkreten Problemen ablenken sollen. Man kennt diese kontaktlosen Fragen, die jede geordnete Diskussion in ein heilloses Durcheinander umkippen lassen. Hinter ihnen steckt die Spaltung zwischen Erregung und Wahrnehmung; die parasitäre Eigenexistenz des Gehirns gegenüber dem Körper. - Die Aufhebung dieser Spaltung würde die obigen Fragen gegenstandslos machen, während jeder Versuch, auf sie einzugehen, einen selber in die Spaltung verstricken würde. Ein Beispiele für diese Spaltung ist, daß Körner-Wellershaus Reich vorwirft, er habe den "transzendentalen Grundlagen des Lebens" (!) zu wenig Bedeutung zugemessen, weil er die Geisteswissenschaft ignoriert habe. Was soll man auf so etwas antworten?! Das abgespaltene, "transzendentale" Empfinden von Körner-Wellershaus ist der Schlüssel zum Problem. Aber wie soll man, wenn man nicht grade Orgontherapeut und er der Patient ist, das handhaben?!

 

 

12. Constable: The Cosmic Pulse of Life (1976, 1990)

Kinder leben in Märchen, Erwachsene in der Realität. In unserer verkorksten Gesellschaft ist es jedoch genau umgekehrt: den Kindern wird das "Realitätsprinzip" eingetrichtert, während die Alten infantil zu spintisieren anfangen. Constable ist ein solcher Kindskopf, was man schon am Logo seiner "Borderland Sciences Research Foundation" ablesen kann, das den Umschlag des Buches ziert: der Sternenhimmel, magische Zeichen, eine fliegende Untertasse und eine morgenländische Wunderlampe. Er ist in ein wunderbares Weltraum-Märchen eingebunden. "Lichtkräfte", die die menschliche Evolution unterstützen wollen, führten ihn so durchs Leben, daß er schließlich der Menschheit in The Cosmic Pulse of Life das erste Mal die ganze märchenhafte Wahrheit über ihr kosmisches Schicksal verkünden konnte (7).

Constable ist aber auch ein frustriertes kleines Kind, das verzweifelt versucht Aufmerksamkeit zu erregen, um im Zentrum zu stehen. In seiner Jugend war er Darsteller in Hörspielen und noch immer produziert er sich, um die Aufmerksamkeit des gesamten Kosmos auf sich zu lenken. Zum Beispiel durch okkulte Star Exercises. Später versuchte er durch seine Tätigkeit mit dem Cloudbuster auf sich aufmerksam zu machen.

Man vergleiche die beiden folgenden Sätze und ihre unterbewußte Verbindung: "Ein Hitler braucht nicht mehr zu tun, als die enormen, sonst blockierten Energien der Masse zu mobilisieren und auf ein Ziel auszurichten, um alle Verknüpfungen des irdischen Lebens aufzubrechen und neu auszurichten" (S. 307). - "Baue einen (Cloudbuster), der groß genug ist und du kannst die Erdbahn neu ausrichten" (S. 293). Constable bezeichnet den Cloudbuster auch als "Wetterkanone". Eine seiner Fortentwicklungen des Reich-Cloudbusters ist der "Magnum 108-Cloudbuster" - der so aussieht, wie er heißt. Der kleine Junge zeigt, was er hat.

Eine infantile Welt mit "Königen", deren "Thron" von "untermenschlichen Geistern" usurpiert wurde, gegen die "Merlin" (so der Name von Constables Cloudbusting-Firma) seinen "Zauberstab" einsetzt (Constables Bezeichnung für den Cloudbuster ist "Willys Zauberstab"). Über das Reichsche Konzept "Kleiner Mann" schreibt er: "Für den einzelnen ist es eine der Hauptaufgaben, den Kleinen Mann, der seinen inneren Thron usurpiert, vom Thron zu stoßen und statt dessen den König an seine Stelle zu setzen." Ein Erwachsener wird durch die Erkenntnis zum Großen Mann, daß er ein Kleiner Mann ist. Nur unreife Kindsköpfe wie Hitler oder Constable können schreiben: "Der Kleine Mann, der deinen inneren Thron usurpiert hat, sagt dir, daß du überhaupt nichts Großes oder Revolutionäres tun kannst. Stoße den kleinen Bastard beiseite. Er hat kein recht, die Gott-Macht in dir zu behindern."

Wie alle Mystiker ist Constable ein krankhafter Sadist. Ständig ist bei ihm phallisch-narzißtisch von "Eindringen" und "Durchstoßen" auch bei Bildern die Rede, bei denen diese Begriffe gängiger Weise nicht üblich sind, z.B. will er "Geheimnisse penetrieren". Dementsprechend definiert er: "Gott ist Druck" (Hervorhebung im Original) - der ständig durchbricht. Reich hat die sadistische Struktur des Mystikers auf den Drang zurückgeführt, die trennende Mauer zwischen Erregung und Empfindung mit Gewalt zu durchstoßen. Genau diese verzweifelte Grundstimmung, die Schimären irgendwie doch förmlich "festzunageln", prägt Constables Buch.

Constable ist als Kind in der Christian Science aufgewachsen, was ihn sicherlich mystisch geprägt hat. Gleichzeitig ist in dieser Religion jedoch alles Parapsychologische und Okkulte mit einem Tabu besetzt. So könnte sich Constable dem Okkultismus aus Rebellion zugewendet haben. Reich hat diese Art von faschistischer Rebellion in seiner Massenpsychologie des Faschismus analysiert (22). Heute wendet sich Constable an die rebellische Jugend und wütet gegen das wissenschaftliche, politische und kirchliche Establishment, gegen das "System" - nur um ein erzreaktionäres theosophisches System zu propagieren mit heiligen Meistern, okkulten Offenbarungen und Jüngertum. Ständig bezieht er sich auf die Jugendrevolte und will ganz offensichtlich die "rebellische Jugend" um sich sammeln, an die er sich beständig anbiedert. Constable: "In der Zukunft, werden sie das neue Wissen für sich selber sichern, und wenn Ahriman kommt, wird er vor einem wesentlichen Bevölkerungsanteil stehen, der bereit ist, ihm entgegenzutreten."

An "Ahriman" und seiner unmittelbar bevorstehenden irdischen Inkarnation sieht man, daß das Buch durch und durch anthroposophisch geprägt ist. Ohne eine fundierte Kenntnis der anthroposophischen "Geisteswissenschaft" kann man es kaum verstehen. Das fängt schon damit an, daß Rudolf Steiner den Menschen zurück in das Zentrum des Universums versetzt hatte, aus dem Kopernikus, Darwin und Freud ihn vertrieben hatten. So beleuchten sich der anthroposophische und Constables Infantilismus wechselseitig. Und wenn Constable z.B. von den jungen Leuten spricht, die nun das Establishment aufbrechen würden, muß man wissen, daß Steiner davon sprach, daß im Verlauf des 20. Jahrhunderts dem Menschen neue Geistesgaben erwachsen würden.

Constables einziges Objekt der Kritik ist die mechanistische Lebensauffassung, während er am Mystizismus nichts auszusetzen hat. Im Gegensatz zu "Mechanismus" taucht dieses Stichwort im Register nicht auf. Wie hätte Constable auch sonst die Orgonomie mit der Anthroposophie verbinden können, die geradezu auf klassische Weise die Reichsche Definition des Mystizismus erfüllt! Unterschwellig trichtert Constable dem Leser ein, daß die Ablehnung der Esoterik auf neurotischen Beweggründen beruht. So schreibt er: "Von der offiziellen Wissenschaft verflucht, von der akademischen Welt lächerlich gemacht, von der offiziellen Religion verhöhnt und Quelle der Angst für praktisch jeden neurotischen Menschen, ist das Medium eines der von der westlichen Kultur am heftigsten bekämpften paranormalen Phänomene." Dazu paßt, daß Constable die richtige Feststellung, die UFO-Forscher würden das Lebendige nicht ertragen können und deshalb den lebensenergetischen Aspekt der UFOs verleugnen, unmerklich dahin umformt, daß sie aus Lebensangst auch das "Unsichtbare", das Mystische ablehnen.

Reich wird von Constable ständig heruntergesetzt. Er war "scharfsichtig bis zum Punkt, ein Genie zu sein", während der, so Constable, "gottgleiche Mann" Rudolf Steiner "ein umfassendes Genie" war. Reich "machte einen gewaltigen Beitrag zum Wissen der Zukunft. Ruth Drown, im Vergleich, war die Zukunft". Drown, eine, so Constable, "gottgleiche Frau", war im Anschluß an Albert Abrams "radionische Ärztin" und kabbalistische Mystikerin.

Erhellenderweise kann Constable kaum etwas Konkretes aus der Anthroposophie vorbringen, das irgendeine Bedeutung für die Orgonomie hätte. Zwar beschwört er die ungeheuren Beiträge, die die Anthroposophie bringen könnte, aber seine Ausführungen bleiben seltsam blaß. Das ganze Buch kann man als einen Versuch betrachten, Orgonomie und Anthroposophie zu vereinigen, bzw. die Orgonomie in die Grundstruktur von Steiners Weltentwurf einzupassen. Zum Beispiel meint Constable, daß die Heileurythmie "ein sicherer Weg zur Verbesserung der muskulären Panzerung" ist. Doch was er über die Eurythmie-Vorführungen der Kinder an Waldorfschulen schreibt, wirkt geradezu komisch, wenn man weiß, daß Eurythmie ein Pflichtfach ist, das von fast allen Kindern gehaßt wird, da sie eine total verkopfte Angelegenheit ist, die den bioenergetischen Impulsen des Kindes Gewalt antut. Eine einzige Quälerei, doch Constable behauptet, daß man einfach dabei gewesen sein muß, um noch zehn Meter von der Bühne entfernt die Kraft spüren zu können, die bei Eurythmie-Vorführungen von den freudig erregten Kindern ausgehe.

Er preist die Waldorf-Erziehung, weil sie die vorgeblichen spirituellen Bedürfnisse der Kinder mit einbezieht, sieht aber nicht, daß dies das exakte Gegenteil von dem ist, was er später ganz richtig schreibt: Reich "hatte den Weg geöffnet zur einzigen rationalen Kur dessen, woran die Menschheit krankt", dieser Weg sei "die Verhinderung der sexuellen Lähmung bei Babys, Kindern und Jugendlichen". Der nächste Satz Constables lautet: "Problemlos durchwirkt der Geist einen ungepanzerten Organismus." Was wiederum mit Constables eigener Beschreibung seines anthroposophischen Lehrmeisters Franklin Thomas kontrastiert: er war "ein kleiner, schmächtiger, drahtiger Mann mit verrunzeltem Gesicht und ganz allgemein heruntergekommen. Auf sein physisches Wesen schien er nicht zu achten." Das geradezu archetypische Bild eines "vergeistigten" Anthroposophen, wie man ihn im Lehrkörper jeder Waldorfschule findet.

Was Constable vorgeblich Sexualpositives verkündet, muß man im anthroposophischen Kontext sehen, der z.B. besagt, daß die menschliche Fortpflanzung sich vom Genital auf den Sprachapparat verlagern (sic!) und deshalb die Sexualität bald ganz verschwunden sein wird, wenn sich die Menschheit u.a. mit Hilfe der von Kindesbeinen an eingebleuten Eurythmie spirituell weiterentwickelt. (Triumphierend verweisen die Anthroposophen auf den Spermienschwund und den Anstieg von Hermaphroditismus.) Diesem Weg nach oben steht natürlich der Versucher par excellence entgegen: Ahriman, der uns nach unten von Sprache und Geist weg in die Sexualität und die Materie hinabziehen will. Der lüsterne "Ahriman" ist dabei nichts anderes als Hitlers "lüsterner schwarzhaariger Jude". Diese untermenschlichen Mächte kontrollieren aus dem Hintergrund die Regierungen und das Finanzkapital. Dementsprechend fordert Constable, daß nur ein moralisch und ethisch hochstehender Mensch ins Sanktum der amerikanischen Nation, ins Oval Office, einziehen darf. "Wenn ein Mensch in dieses Sanktum als ein uneingeweihter Ignorant des Geistes geht und besonders wenn er von seinen Sexualtrieben in einer unsittlichen Weise regiert wird, wird er von den unteren Ebenen manipuliert wie eine Marionette."

In der Anfangsbemerkung des ursprünglichen Verlegers ("Merlin Press" 1976) lesen wir über die hohe Politik, die USA seien Opfer einer okkulten Verschwörung, die zum finanziellen, industriellen, moralischen und spirituellen Ruin führen werde. In einer weiteren Vorbemerkung des Herausgebers der neuen Ausgabe heißt es: "Die seltsame Handlungsweise der 'Führer' dieser Welt wird nun verständlich - als physische Manifestation der Behinderung des weltweiten geistigen Wachstums. Um über diese Ränkespiele der Finsternis zu obsiegen, braucht man sie nur ans Licht zu bringen."

Der menschliche Geist ist demnach Schauplatz eines kosmischen manichäischen Kampfes. Finstere ahrimanische Mächte, Constable spricht von den "Jungs aus dem Untergeschoß", die über "bestimmte Geheimgesellschaften" operieren, stecken sowohl hinter den Kapitalisten als auch den Kommunisten. Dem Kalten Krieg liegt (bzw. lag) das Programm einer geheimen Verschwörergruppe zugrunde, die die USA und Rußland ausbluten wollen, damit die Banken ihre Rüstungsgewinne abschöpfen können. Der Bolschewismus wurde von Wall Street geschaffen und unterhalten. Die "Weisen von Zion"? Hitler hatte ähnliche Wahnideen. Wie Jerome Eden in seiner Besprechung von The Cosmic Pulse of Life schrieb: "Von ahrimanisch zu nichtarisch ist nur ein einfacher pathologischer Schritt" (8)

The Cosmic Pulse of Life ist Constables Mein Kampf. Dies zeigt sich auch daran, daß sich Constable auf eines der widerwärtigsten Produkte der Anthroposophie beruft: "Glücklicherweise kann sich dieses Jahrhundert mit einem der entscheidensten Büchern zieren, die je geschrieben wurden, Trevor Ravenscrofts The Spear of Destiny." Constables Begeisterung für dieses Buch, das er als beweiskräftige Untermauerung seiner These einer Weltverschwörung anführt, sagt alles über Constable!

Ravenscroft beschreibt die anthroposophische Grals-Mystik (18). Und was ist der "Gral" anderes als Träger des Blutes Christi, des noblen arischen Blutes. In der reinen, arischen Blutlinie der Gralsfamilie pflanze sich die Fähigkeit zur hellsichtigen Geistschau als "Blut-Erinnerung" der arischen Gottes-Söhne fort. Steiner glaubte, Ravenscroft zufolge, seine eigene Geistschau habe er als letzter Vertreter von seinen germanischen Vorfahren geerbt, die diese Fähigkeit mit dem Sonnensymbol der Swastika symbolisiert hätten. Aus dieser okkulten Hellsichtigkeit heraus spricht Steiner von der "okkulten Bedeutung des Blutes", das das Gefäß der Stammes- und Rassen-Identität sei, und von "okkulten Blutriten" zum Hervorrufen einer magischen Mutation hin zur reinen arischen Rasse. Einer Mutation, die eine neue Phase in der menschlichen Evolution hervorrufen würde, die Geburt des "Übermenschen" durch "Ätherisierung des Blutes". Dazu müsse das arische Blut reinerhalten werden, denn Luzifer habe sich im Blut der Menschheit etabliert, nämlich im "Blut der jüdischen Rasse", die heute zum Träger von Tragödie und Bosheit geworden sei. Das jüdische Blut sei gallig geworden, weil es sich verbohrt gegen das Blut des Neuen Bundes gesperrt habe. Deshalb dürfe das jüdische Blut keine weitere Rolle in der Evolution der Menschheit spielen.

Ganze Völker würden in früheren Leben die Grundlagen für ihren eigenen Charakter und ihre eigenen äußeren Umstände legen. Das karmische Gesetz sei auch auf internationaler Ebene tätig. So läßt Ravenscroft durchblicken, daß die Juden für den Holocaust selbst verantwortlich waren, da sie nicht dem guten Blut Christi, sondern ihrem eigenen "bösen Blut" folgten.

In The Spear of Destiny wird Hitler als beeindruckender Meister der Schwarzen Magie mit "offenen Zentren im Astralleib" und als eine Art satanischer Heiliger dargestellt, als "dunkler Genius" von "magischem Charisma der Persönlichkeit" mit der Macht uralter esoterischer Weisheit, "eine Figur mit fast übermenschlichen Kräften" und mit dem "arrogantesten Gesicht und den dämonischten Augen, die man jemals gesehen hat". Dieses "verrückte Genie" hätte "übermenschliche Willenskraft und Selbstdisziplin" und "überpersönliche Stärke und Entschlußkraft" besessen. Außerdem hätte er mit der "geistigen Welt" in Verbindung gestanden und sei dergestalt von übersinnlichen Geistwesen "beraten" worden. Der perfekte "Doppelgänger" Rudolf Steiners!

Gott bewahre, natürlich sind Anthroposophen keine Nazis, denn das Nazi-Regime war der "ahrimanischen Schatten" der Anthroposophie und die Nazis haben widerrechtlich den Platz eingenommen, der eigentlich den Anthroposophen zugestanden hätte. Demnach war der Nationalsozialismus das Werk eines "Sonnen-Dämonen", während die Anthroposophie für den "Hohen Sonnengeist" Christus steht. Dies ist wahrhaft eine ganz radikale Art von Anti-Nazismus, die sagt: Wir, die Anthroposophen, sind gegen die Nazis weil wir, die Anthroposophen, die richtigen Nazis sind! Daß auffallend viele Anthroposophen in der SS waren und einige sogar eine prominente Rolle im Holocaust gespielt haben.... (vgl.
Anthroposophy, A Nazi Cult?). Kehren wir zu Constable zurück:

Neben der Zerstörung der Orgonomie ist Constables zweiter Beitrag zur Anthroposophie die anthroposophische Durchdringung der UFO-Problematik: Anfang der 1950er Jahre gab ihm der UFO-Kontaktler George Van Tassel die ersten Anregungen zur Erforschung der außerirdischen Intelligenzen. Van Tassel funktionierte als ein Channeling-Medium für die Aliens. Die telepathisch aufgezeichneten technischen Entwürfe, die er von ihnen empfangen haben wollte, sollen, so Constable, wenn man sie mit der Entdeckung des Orgons verbindet, ganz neue Früchte tragen. Nun hat aber Van Tassel kurz vor seinem Tod 1978 über Reich gesagt, dessen Außergefechtsetzen von UFOs hätte nur "in Reichs Kopf" stattgefunden. Reich sei übergeschnappt, genauso wie Jerome Eden. Van Tassel: "DOR und das ganze Zeugs ist einfach nur Quatsch" (z.n. 8:40).

Kurze Zeit wurde auch Constable selbst zu einem Kanal, über den außerirdische Intelligenzen sprachen, doch wurden diese Stimmen und Eingebungen in seinem Kopf bald zu viel für ihn. Erst durch die Anleitung des bereits erwähnten Anthroposophen Franklin Thomas gelang es ihm, diese Stimmen einzudämmen und schließlich ganz zum Schweigen zu bringen. Ich glaube, daß dieser Umschwung zu einer sicheren festgefügten weltanschaulichen Struktur, der Anthroposophie, einen heilenden Einfluß auf diesen Schizophrenen hatte und ihn in engeren Kontakt mit der Realität brachte. Auf diese Weise hatte schon Steiner selbst seine Psychose unter Kontrolle gebracht. Die Anthroposophie und The Cosmic Pulse of Life sind Produkte dieses Versuches, irgendwie die Bodenhaftung nicht zu verlieren, indem man eine Wahnwelt produziert, in der man sich mit anderen Spinnern auf gleicher Ebene treffen kann und so die Versicherung findet, daß mit einem alles in Ordnung ist. Das gleiche geschieht ja auch alltäglich in der Welt des Homo normalis, der sich bei seinen Mitmenschen ständig versichert, daß er und die verrückte Welt, mit der er sich identifiziert, in Ordnung ist. Wehe denen, wie etwa Reich, die ihre Kontaktfähigkeit bewahrt haben und dieses Spiel nicht mitspielen!

Als Constable sich noch nicht abgepanzert hatte, empfing er folgende Botschaft von den Außerirdischen, die er später in anthroposophische Begriffe kleidete: UFOs sind feinstoffliche Raumschiffe, ihre Besatzungen verschiedene Hierarchien "ätherischer Wesen" und deshalb unsichtbar, solange sie sich nicht in unserer grobstofflichen Welt "materialisieren". Es sind "Ätherianer" aus der Parallelwelt "Ätherien", aus der sie sich auf unser Existenzniveau "herabmodulieren". Die Menschheit selbst stammt auch aus Ätherien. Leute wie Steiner und Reich sind "Avatare", also Heilande, aus Ätherien, um die spirituelle Entwicklung des aus dem ätherianischen Paradies vertriebenen Menschen zu unterstützen. Aber aus Ätherien kommen nicht nur Lichtwesen, die die menschliche Evolution unterstützen wollen, sondern auch niedere ahrimanische Dämonen der Finsternis, "verborgene Mächte von unterhalb des Menschen", "untermenschliche, nichtmenschliche Intelligenzen", "Degenerierte" - Untermenschen (Unterleibsmenschen), die den Menschen weiter in die Materie hinabziehen wollen. Der Mensch könne vor Ahriman und seiner "Schwarzen Bande" nur gerettet werden, wenn er sich dem Spirituellen öffnet, d.h. der Anthroposophie.

In seiner voranthroposophischen Periode hatte Constable telepathisch weiter erfahren, daß es im Kosmos "primäre Energie-Ströme" gibt und daß in diesem Energieozean lebendige Wesen existieren, die keine Raumschiffe sind, die aber häufig mit diesen verwechselt werden. Diese atmosphärischen Lebewesen könne man in hohen trockenen Lagen zwischen Sonnenuntergang und -aufgang auf Infrarot-Film bannen. Und dies ist Constable tatsächlich gelungen; er präsentiert die fotographischen Beweise. Leider steht jedoch mittlerweile fest, daß die Infrarot-Photographien Constables keine "extradimensionalen atmosphärischen Lebensformen" zeigen. Es sind Artefakte, die innerhalb der Kamera oder während der Entwicklung entstehen (17).

Constable macht die interessante Feststellung, daß Mechanisten, selbst wenn sie sich der UFO-Forschung zuwenden, es mit ihrer emotionalen Sicherheit nur vereinbaren könnten, UFOs ausschließlich als mechanische Raumschiffe zu betrachten, die von Planet zu Planet fliegen, wie Flugzeuge von Kontinent zu Kontinent. Wenn es sich aber um (für das nackte Auge) unsichtbare lebensähnliche Energiegebilde handelt, schrecken sie ängstlich zurück. Constable: "Während sich die Bioenergie des einzelnen als Reaktion auf Stimuli bewegt, die in grundlegenden Lebensprozessen wurzeln - in diesem Fall die atmosphärischen Lebewesen - geht der Neurotiker gegen diese Bewegung vor. Er kann es buchstäblich nicht aushalten." Mechanische Raumschiffe, woher sie auch kommen, könne der Mensch ertragen, nicht jedoch das pulsierende Leben in unserer Atmosphäre.

Und überhaupt will Ahriman und seine menschlichen Werkzeuge verhindern, daß wir uns mit dem UFO-Phänomen auseinandersetzen und wenn das nicht zu verhindern ist, wird uns von den ahrimanischen Drahtziehern zumindest die Illusion vorgegaukelt, daß es außerirdische Raumschiffe sind, damit wir nicht erkennen, daß es sich in Wirklichkeit um "interdimensionale", "bioenergetische" und "spirituelle" Phänomene handelt. Der Kontakt mit dem bioenergetischen Phänomen würde die Panzerung des Menschen aufbrechen: die revolutionäre biologische Kraft hinter dem UFO-Phänomen würde freigelegt werden.

Es ist verführerisch, Constables doch so "energetischen" Diskurs über UFOs zu folgen, aber nähere Betrachtung zeigt uns, daß er den diametralen Gegenpol zu Reich darstellt. Nach Reich sind UFOs keine positiven biologischen Faktoren, gegen die wir uns abpanzern, sondern DOR-Quellen und als solche letztendlich der Ursprung der Panzerung. Constable berichtet wohl, daß er von seinen weltweiten Reisen bestätigen kann, daß das DOR immer schlimmer wird, es ist aber kaum von DOR-Beseitigung die rede, der ursprünglichen Aufgabe des Cloudbusters. Er gibt vor, Ahriman zu bekämpfen, doch verwendete er den Cloudbuster statt zur DOR-Beseitigung dazu, das Erscheinen von DOR-erzeugenden UFOs zu provozieren. Er malt Ahriman an die Wand, stellt aber das DOR als bloßes Abfallprodukt dar, nicht als ein aggressives, aktives sauerstoff- und wasserentziehendes Agens. Alle von ihm erwähnten Fälle von Wasserabzug aus Pflanzen durch UFOs führt er nicht etwa auf DOR, sondern auf Orgonenergie zurück. Und wenn es um UFO-Attacken geht, wie sie z.B. Reichs Mitarbeiter Robert A. McCullough am eigenen Leib erfahren hat, macht Constable die unreinen Motive des Opfers verantwortlich, denn nur so könnten sich die sinisteren Kräfte in das Geschehen einklinken. Es ist wie mit dem indischen Karma: die Opfer sind die schuldigen (vgl. Die Massenpsychologie des Buddhismus).

 

 

13. Collins: The Circlemakers (1992)

Nach eigenem Bekunden wußte Collins zu Beginn seines Buchprojektes, d.h. ein Jahr vor dessen Fertigstellung, praktisch nichts von Kornkreisen und dem "wissenschaftlichen Schamanen" Wilhelm Reich, dem er The Circlemakers (5) widmet; ein New Age-Weihefestspiel, in dem Reich den Hauptpart spielen muß. Es begann mit Collins "paranormaler" Freundin, die innerhalb einer "Visualisierungs-Sitzung zum Thema Kornkreise" durch "Synchronizität" "zufällig" auf ein Buch in Collins Bücherschrank verweist: Trevor James Constables The Cosmic Pulse of Life. "Überraschenderweise" kann Collins' Freundin dann in den nächsten zwei Monaten die Theorien des Buches, ohne es gelesen zu haben oder irgendwas über Kornkreise und die Orgonenergie zu wissen, wiedergeben und bezüglich der Kornkreise weiter ausspinnen, bis sie Collins eine geschlossene "orgonenergetische" Theorie der Kornkreise geschenkt hat. Ein unerklärliches paranormales Phänomen, für wahr! Selbstverständlich ist grundsätzlich buchstäblich alles möglich, was denkbar ist - dies beinhaltet aber auch die unfaßbarste Dummheit und den frechsten Betrug!

Collins schreibt, daß das, was früher die UFOs waren, heute die Kornkreise sind, nämlich "Quelle spiritueller Hoffnung für furchtbar viele Menschen" (S. 54). Zwischen 1975 und 1979 hatte sich Collins mit UFOs beschäftigt, was ihn offensichtlich derartig in Angst versetzte, daß er heute für die Vorstellung von UFOs als greifbare Raumschiffe nur noch Sarkasmus übrig hat. Hochtechnologische Außerirdische würden wohl Collins' "esoterisches", verkitschtes Weltbild stören aus König Arthur, Feen, Kobolden und geheimnisvollen Kultbauten. Collins erklärt UFO-Phänomene nun durchweg nach einer Theorie Constables.

Constable zufolge ist die obere Atmosphäre von amöbenartigen heißen Plasmen aus konzentrierter Orgonenergie bevölkert. Diese atmosphärischen "Bioformen" unterschiedlichster Größe und Form stellen eine Art von im unsichtbaren elektromagnetischen Spektrum existierender "unsichtbarer Himmels-Fauna" dar. Von Zeit zu Zeit modulieren sie sich aber, z.B. unter der Einwirkung von Constables Cloudbuster, auf Frequenzen herunter, bei denen man sie mit dem bloßen Auge und auf dem Radarschirm wahrnehmen kann. Fälschlicherweise würde man sie dann für außerirdische Raumschiffe halten. Ein Irrtum, dem auch Reich zum Opfer gefallen sei. Vielmehr seien die UFOs atmosphärische Orgonenergie-Einheiten, die durch "Nichtlokalität" in spiritueller Wechselwirkung mit uns stehen und zwar vermittelt durch die Jungschen Archetypen, die wir auf sie projizieren und mit denen wir sie beeinflussen und vice versa.

Collins' Theorie zur Erklärung der Kornkreise fängt mit der Sonne an, die Bione erzeugt, die wiederum Orgonenergie abstrahlen, die sich sowohl in bestimmten energetischen Knotenpunkten auf der Erdoberfläche als auch in der höheren Atmosphäre ansammelt, wo sie Constables Bioformen erzeugt. Diese werden von den Knotenpunkten angezogen, beim Auftreffen kommt es zur Entladung der Knotenpunkte, deren Energie zusammen mit den Bioformen weggeschleudert wird, die daraufhin auf neue Knotenpunkte treffen und dort endlich zerfallen, wobei sie Ultraschall erzeugen, der schließlich die Kornkreise in die Felder drückt. Die Kornkreise sind die "Sprachbilder", bzw. die "ultrasonischen Orgon-Hieroglyphen" der Bioformen. Auf diese Weise spricht das kollektive Unbewußte, das kosmische Bewußtsein zu uns.

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Es ist aufschlußreich diese Theorie mit der von Simon Burton zu vergleichen. Die Orgonenergie, bzw. "organische Energie", "ein Begriff, der dem Geist unserer Zeit Rechnung trägt", ist auch bei ihm unmittelbar für das UFO-Phänomen verantwortlich (2). Die These, daß es sich bei den UFOs um "greifbare, außerirdische Raumschiffe" handelt, ist für Burton ein überholtes Konzept aus der Steinzeit der UFO-Forschung. "Da (die organische Energie) Vorstellungen aus dem kollektiven Unbewußten der Menschheit bezieht, kann sie am besten nachts wirken, wenn dieses Unbewußte am stärksten ist." Nachts erzeugt die "organische Energie" die Kornkreise.

Das folgende muß in ganzer Länge zitiert werden, da es einfach typisch für die Rezeption des Reichschen Werkes durch das New Age ist: "Reich benutzte eine gleichbleibende graphische Darstellung für den Fluß organischer Energie. Sie bestand aus zwei Kreisen unterschiedlicher Größe, verbunden durch eine grade Linie, welche die Richtung des Energieflusses angab. Manchmal zeichnete er den oberen Kreis von einem Außenring umgeben, um den Energiefluß von Psyche und Soma darzustellen, vom Geist zur Materie. Bei einer Kombination des zweiphasigen Viertaktzyklus mit dem Flußdiagramm ließe sich Reichs Theorie symbolisch durch eine Graphik darstellen, in der zwei Kreise von einer geraden Linie verbunden sind; der obere Kreis wäre von einem Außenring umgeben und die Verbindungslinie hätte zu beiden Seiten zwei Taktstriche, die für die Unterteilung des Vierertakts stehen: Spannung/Ladung - Entspannung/Entladung. Am frühen Morgen des 29. Juni 1990 stieß ich auf genau diese piktographische Darstellung, die in den Hang eines sanften Taleinschnittes geprägt war. (...) Durch ein erstaunliches Beispiel für Synchronizität lag an diesem Morgen noch ein Exemplar von Wilhelm Reichs Werk Der Krebs neben meinem Bett, auf dessen Einband ein verblüffend ähnliches Symbol abgedruckt war." Sic!

Dieser "zweistufige Bildungsprozeß" der "organischen Energie" ist in Kornfeldern wegen Überdüngung gestört. Steigt, frei nach den Theorien Viktor Schaubergers, energiehungriges Grundwasser spiralförmig nach oben, kommt es in den Pflanzen zu einer schockartigen Entladung der "organischen Energie": sie kollabieren und lassen so die Kreise im Korn zurück. Die linearen Anhängsel dieser Kornkreise entstehen dann überirdisch durch sich gradlinig fortpflanzende hohe Energiekonzentrationen, die nach dem Gesetz des orgonomischen Potentials ebenfalls zur schockartigen Entladung der Pflanzen führen. Diese Energiekonzentrationen stammen aus vorzeitlichen Kultbauten, die mit ihren abwechselnden Schichten aus organischem und anorganischem Material Collins und Burton zufolge Orgonenergie-Akkumulatoren sind, die von Zeit zu Zeit ihre gespeicherte Energie in konzentrierter Form wieder abgeben. Die "organische Energie" entsteht ursprünglich durch Kernfusion im Sonneninneren und gelangt insbesondere durch das Ozonloch zur Erde. Sic!

Nach der Veröffentlichung von The Circlemakers verlautbarte der Verlag, daß man das Buch lesen müsse "zur Vorbereitung des wichtigen Orgon-Projekts, das für 1993 geplant ist, wo die Beziehung zwischen der Lebensenergie, Kornkreisen, Leuchterscheinungen, Meteorologie, parapsychologischen Fähigkeiten, Nichtlokalität und Blind-Photographie zum allerersten Mal getestet werden wird." Desgleichen hat Collins Kollege Simon Burton verlautbart, daß er einen Cloudbuster auf UFOs, auf die Sonne und alte Kultbauten richten will, um seine Theorien zu überprüfen.

 

 

14. Shallis: Elektro Schock (1992)

Michael Shallis, Astrophysiker und Dozent in Oxford, postuliert eine überall im Kosmos vorhandene Energie. In Elektro Schock (31) konzentriert er sich auf ihre elektrischen Auswirkungen, ist sich aber bewußt, daß die Elektrizität "nur ein kleiner Ausschnitt einer Kraft ist, die alle Dinge umgibt und uns in ein kosmisches Energiemuster einbindet."

Da Reich eine enge Beziehung, die bis zur Identität reichte, zwischen Lebensenergie und Elektrostatik postulierte, sind Shallis' ausführliche Berichte über Menschen, die sich in einem unglaublichen Ausmaß spontan elektrostatisch aufladen, als hätten sie einen eingebauten Generator in sich, für die Orgonomie wichtig. Diese überschüssige Ladung muß durch, für die Betroffenen sehr schmerzhafte, "Schläge" mit zentimeterlangen blauen Funken entladen werden.

Des weiteren bietet das Buch eine interessante Studie über ORANUR und subtile Auswirkungen der sekundären elektromagnetischen Energie auf die biologische Orgonenergie. Elektrofühligkeit scheint eng mit Allergien und parapsychologischen Fähigkeiten zu korrelieren. Es wird ein Ansatz geboten, mit dem man die Homöopathie vielleicht in die Orgonomie integrieren könnte. Das gleiche gilt für parapsychologische Phänomene.

Eine weitere Verbindung zur Orgonomie ist durch die ausführliche Darstellung der Arbeit des amerikanischen Forschers H.S. Burr gegeben, dessen Ergebnisse in vieler Hinsicht denen von Reich entsprechen - von den bioenergetischen Experimenten bis zum Orgonenergie-Feldmeßapparat. Besonders interessant ist die Beschreibung von Burrs bioelektrischen Untersuchungen an Bäumen, die, vollkommen unabhängig von der Orgonomie, Reichs späte "ökologische" Ansätze mit den bioelektrischen Experimenten der 1930er Jahre verbinden. Wichtig ist auch, daß Shallis mit den bioelektrischen Feldern Burrs Lamarckisten wie Reich rehabilitiert, denn wenn man die Gene als Systeme interpretiert, die mit einer elektrischen Umwelt wechselwirken, können sie durch das energetische Feld des Menschen beeinflußt werden.

Shallis Beschreibung von unerklärlichen Anomalien, die beim Polarlicht auftreten, sind wichtig für eine Beurteilung von Reichs Erklärung der Aurora Borealis in Die kosmische Überlagerung (28). Neben elektromagnetischen Störungen treten manchmal Geräusche auf und es kommt zu Geruchserlebnissen wie bei elektrischen Entladungen. Es gibt Hinweise auf eine Verbindung der Polarlichter zu Gewittern und Erdbeben. Auch soll man "Seidenfäden" beobachtet haben, die herabfielen. Hinweise auf elektrostatisch-orgonotische Kräfte und Materialisationen aufgrund der Überlagerung von Orgonenergie-Strömen?

Ähnlich bedeutsam ist Shallis' Behandlung der Blitze, die für Reich eine orgonotische Entladung darstellten, die zum Abregnen der Wolken führt, da mit dem Verschwinden der "elektrostatischen" Ladung nicht mehr genug Orgonenergie da ist, um das Wasser zu binden. Die orthodoxe Wissenschaft kann horizontal verlaufende Blitze nicht erklären, die Wegen folgen, welche den Gesetzen der Elektrizität widersprechen. Ein Problem ist, warum Blitze bestimmte Orte zum Einschlagen bevorzugen. Rätsel geben auch Blitze auf, die aus heiterem Himmel niederfahren. Und beim Einschlag kommt es manchmal zu wirklich unerklärlichen Vorkommnissen, die sich mit der einfachen elektrischen Entladung, die Blitze angeblich sind, nicht erklären lassen. Auch in Zusammenhang mit Erdbeben, die die Orgonomie (mehr oder weniger spekulativ) mit der Aktivität des Erdorgons in Verbindung bringt, präsentiert Shallis (natürlich ohne an die Orgonomie zu denken) eine Anomalie: seltsame Leuchterscheinungen in der Atmosphäre, die die unorthodoxe Auffassung der Orgonomie wahrscheinlicher macht.

Liest man Lehrbücher und Sachbücher (á la Hoimar von Ditfurth), die solche Anomalien stets aussparen, erscheinen Reichs Thesen durchweg als geradezu schwachsinnig.

Shallis verwirft den mechanistischen Ansatz und fordert einen "holistischen", der nach dem Verbindenden sucht, anstatt widersprechende Phänomene einfach auszuschließen, wie es die orthodoxe Wissenschaft tut, um ihr primitives mechanisches Weltbild zu retten. Außerdem müsse, so Shallis (und Reich), eine Theorie nicht nur Fakten erklären, sondern die Forschung auch voranbringen, indem sie zu neuen Versuchen und Erkenntnissen leitet, anstatt Dinge mit leeren Worten einfach "wissenschaftlich" wegzuerklären.

Problematisch wird das Buch erst gegen Ende. Zum Beispiel sieht man an der fehlerhaften Darstellung von Orgonenergie-Akkumulator und physikalischer Orgontherapie, daß Shallis Reich nur aus der weniger seriösen Sekundärliteratur kennt - was ein Blick auf die Bibliographie bestätigt. Und kaum ringt sich Shallis zum Orgon durch, ver-Steiner-t er auch schon und mystifiziert die Lebensenergie. Wie so mancher "Reichianer" bewegt sich auch Shallis im Fadenkreuz der "materiellen Horizontalen" und der "spirituellen Vertikalen". Für ihn sind "die ätherischen Kräfte hauptsächlich geistiger Natur". "Wer den Äther versteht, versteht die spirituellen Hierarchien der Welt, versteht die Subtilität der Wirklichkeit." "Die unsichtbaren Bereiche berühren und durchdringen die physikalische Welt und gewähren uns Einblicke in höhere Ebenen der Realität."

Reich sprach davon, viele Wissenschaftler würden in der Tat glauben, daß dort drüben wirklich eine "K-a-t-z-e" geht, d.h. fünf Buchstaben sich vorwärts bewegen. Unglaublicherweise taucht "Reichs Katze" tatsächlich bei Shallis auf: die Worte sind Symbole des betreffenden Dings und als solche sind sie, so Shallis (S. 303), das betreffende Ding selbst! Für ihn ist die Welt eine spirituelle Hierarchie, in der über der natürlichen Ebene die übernatürliche liegt, so daß alles in der Natur eine symbolische Bedeutung hat. Der Himmel ist Blau, weil er oben ist, wie der Geist - und die Farbe des Geistes blau ist!

Von Shallis' platonischer Sehnsucht nach dem reinen "himmlischen Nordpol" ist nur ein kleiner wahnhafter Schritt zur "nordischen Lichtrasse" und von seinen Phantasien über Steiners "Ahriman", der sich im Computer materialisiert, ist nur ein kleiner pathologischer Schritt zum Jungschen "semitischen Unbewußten", das nur den kalten Verstand kennt.

Zum Glück kann man Shallis auch anders lesen: Der Computer wurde ursprünglich aus militärischen Notwendigkeiten gebaut, d.h. zur Vernichtung des menschlichen Konkurrenten. Wie bei der Atombombe hat sich diese Zielsetzung selbständig gemacht und richtet sich nun gegen die menschliche Rasse als ganzes. Das offen ausgesprochene Ziel der Forschung zur Künstlichen Intelligenz ist es, den Menschen durch eine höhere Intelligenz abzuschaffen. Kritisch merkt Shallis an: "Der Computer wird als eine Art Heiland und Retter gesehen, und je eher wir ihm alles übergeben, desto besser." Praktisch das gleiche hat Reich über die Maschine geschrieben.

Die Menschen, die unsere Umwelt formen und bestimmen (vom Programmierer und Computertechniker bis zum Bürokraten, der den ganzen Tag vor dem Terminal sitzt) werden von den Computern hypnotisiert. Mit den Computerspielen ist dies flächendeckend bereits vom Kleinkindalter an der Fall. Der nächste Schritt ist die normierte "Schnittstelle" zwischen Computer und menschlichem Gehirn. Dieses pseudo-menschliche Computer-Wesen wird von Shallis wie folgt beschrieben: Selbstbezogenheit und Rückzug von der Gesellschaft, die Augen glänzen glasig, ein Kältegefühl in der Brust, Appetitlosigkeit, hoher Adrenalinspiegel, Übelkeit, zu niedriger Blutzuckerspiegel, tiefe Aversion gegen die Natur und das Tageslicht, die Sprache reduziert sich auf Fachausdrücke und Obszönitäten. In der computerisierten Gesellschaft wird alles auf Information reduziert. (Anzufügen ist, daß mit Hilfe des Computers in der Genetik sogar das Lebendige selbst zur toten Information wird.)

Wie bereits angedeutet kann man diese Stellen als postindustrielle Fortsetzung von Reichs Kritik an der Maschinenzivilisation und seine Analyse der menschlichen Identifizierung mit der Maschine lesen (22). Der Unterschied ist, daß bei Shallis hier nicht nur psychologische Vorgänge ("Identifizierung"), sondern direkt energetische mitspielen:
(4) indem sich der Mensch den Computern aussetzt, wird er langsam selbst zur Maschine und zwar unmittelbar durch die elektrisch induzierten Energiebewegungen. Diese Verbindung des Menschen zum Computer wird von Shallis im Lichte von Sheldrakes morphogenetischen Feldern gesehen.

Auch kann man das Buch als Weiterführung von Äther, Gott und Teufel lesen (24): die Computerwelt ist im Gegensatz zur unberechenbaren, spontanen "fleischlichen Welt" perfekt. Der Computer-Mensch lebt nur in der fehlerfreien Computer-Welt auf: "In ihr fühlt er sich sicher, dort hat er das Gefühl, exakt das richtige zu tun. Die asexuelle Welt der Maschinen befreit uns von der Pflicht, ein Geschlecht zu haben. Wir können das auch in der Popmusik beobachten, deren Stars ein immer stärker werdendes Fehlen jeglicher sexueller Identität zeigen. Der Maschinenmensch wird immer mehr ein Ding, immer weniger ein Lebewesen."

Bemerkenswerterweise erkennt Shallis, daß das Asexuelle mit dem funktionell identisch ist, was heute unter der Überschrift "Sex" läuft. Shallis: "Es besteht eine sehr enge Beziehung zwischen dem Weltraum mit seiner Kälte und Lustlosigkeit und den Computern. Die künstliche Welt einer Raumstation ist wie der ultimative Computerraum. Der Mann (und nicht der Mensch!) kann dort mit der Unterstützung von Computern herrschen. Zur sexuellen Befriedigung wird es dort zwar Frauen geben, die Vermehrung der menschlichen Art wird aber mit Hilfe verbesserter Techniken zur künstlichen Befruchtung geschehen, oder noch besser, durch Genmanipulation und Retortenbabys. Das Essen wird vollkommen unnatürlich sein. Der Weltraum wird erobert. Diese Phantasien werden in Science Fiction Filmen und Büchern geschildert, aber die modernen Träume sind frei vom menschlichen Element, das die meisten dieser Geschichten ursprünglich enthalten haben. Es ist sicher bezeichnend, daß der hauptsächliche Antrieb hinter der privaten Finanzierung von US-amerikanischen Projekten zu Raumstationen angeblich von einem Soft-Porno-Konzern stammt. Beides geht eben Hand in Hand." Man denke auch an "Cybersex"!

Wie gesagt, man kann Shallis so lesen, doch leider verflüchtigt sich sein quasi orgonomischer Ansatz im anthroposophischen Obskurantismus, in dem Steiners "Ahriman" sich im Computer inkarniert, um uns vom Aufstieg in die höheren Welten abzubringen.

 

 

15. Wilson: Die neue Inquisition (1992)

Robert Anton Wilson ist, so der Verlag, "Leib und Magenautor der Hacker und Cyberpunks" - der Computermenschen. Er ist genau das "ahrimanische" Monstrum vor dem Shallis warnt. Er träumt von einer futuristischen Zukunft. In Die neue Inquisition (33) spricht er ständig von "Gehirnschaltkreisen" und "Programmen", was für Shallis die totale Hypnotisierung durch den Computer, "ahrimanische Besessenheit", anzeigen würde. Wilsons Grundhaltung zeigt sich in seiner Preisung der Fortpflanzungstechnologie. Unter anderem schreibt er: "Über die Schrecken der möglichen genetischen Forschung ist viel gesagt worden. Doch die Chancen dieses Forschungsbereiches, Menschen zu schaffen, die zehn oder hundert Mal intelligenter sind als wir, und hundert Mal länger leben, stehen nicht schlecht, und manch einer von uns wird es vielleicht noch erleben. In der sich ankündigenden Welt von Leihmüttern, Retortenbabys, Klonen usw. verändert sich in grundsätzlicher Weise das, was Fortpflanzung bedeutet." An ihren Utopien sollt ihr sie erkennen! Bezeichnend ist, wie Wilson sich im Anschluß an seine Utopie sarkastisch über "jene Ehrenmänner" lustig macht, die sich in ihrer fundamentalistischen Beschränktheit gegen diese Entwicklung sperren. "Sie haben kaum Kontakt zu dem gelebten Universum oder dem existentiellen Kampf, der uns übrige in Atem hält." Also nicht Wilson ist kontaktlos, sondern jene, die aus ihrem Lebensgefühl heraus vor seiner schönen neuen Welt graut?!

Immerhin, auch Wilson kann man, ähnlich wie Shallis, "anders lesen": etwa wenn er gegen reaktionäre Schwärmer wie Theodore Roszak und Fritjof Capra den Rationalismus verteidigt. Bemerkenswerterweise betrachtet er auch die Platonische Wissenschaft als reaktionäres Relikt: als eine Abart des Mystizismus; mit ihren ewigen Gesetzen in denen kein Platz ist z.B. für das Orgon. "'Furcht ist der Vater der Götter', sagt Lukrez. Doch die Götter sind klug und weise. Als in der Antike schon viele nicht mehr an sie glaubten, verkleideten sich einige Götter als Platonische Ideen und haben in dieser Gestalt weitere tausend Jahre überleben können. (In manchen Fakultäten sind sie heute noch lebendig.) Andere waren noch schlauer und verwandelten sich in allgemeine Prinzipien und Apriori-Wahrheiten, die schließlich zu jenen 'bekannten physikalischen Gesetzen' wurden, denen beispielsweise Prof. Munge huldigt (der behauptet, Paranormales könne es nicht geben, da so etwas in den Naturgesetzen nicht vorgesehen sei, PN). Doch an diesem Zeichen sollt ihr sie erkennen: Große Furcht erzeugt derjenige, der sie herausfordert, und ihre Priester sind voller Zorn und Bosheit gegen derartige Ketzer."

Besonders interessant ist Wilsons Erfahrungsbericht von seiner Tätigkeit als Technischer Assistent in der Elektroindustrie, wo seine Widerstandsmessungen nur selten dem Ohmschen Gesetz folgten. Das ist zwar eine ziemlich platte Alltagsbeobachtung, die wohl jeder bei Experimenten gemacht hat - aber wer gibt das schon zu! Ja, wer registriert es überhaupt? Es wird sofort verdrängt, wegerklärt und Meßergebnisse werden zurechtgetürkt, bzw. wird solange gemessen und mit den Geräten rumhantiert, bis das herauskommt, was die Lehrbücher vorgeben. Exakte Wissenschaft? Platonische Scholastik! "Die Natur ist unexakt" (24:86).

Eigentliches Thema des Buches ist die Organisation der platonischen Hohepriester: das CSICOP, "Committee for the Scientific Investigation of Claims of the Paranormal", also eine Gedankenpolizei zur Beseitigung von allem, was nicht in das Schema der Platonischen Ideen, d.h. in den Rahmen der bekannten Naturgesetze paßt. Die deutsche Entsprechung wäre die GWUP, "Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V." Diese etwas verquere Benennung des Vereins sagt wohl alles! Will sie sich soziologisch und psychologisch mit den Parawissenschaftlern auseinandersetzen? Oder will sie sich mit den Beobachtungen und Experimenten der Parawissenschaften befassen? Dann müßte es wohl "Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Paraphänomenen" oder so heißen! Oder will die GWUP auf antiwissenschaftliche Weise die Wissenschaft "wissenschaftlich" disziplinieren? Auf Linie halten? "Wissenschaft"!

In vielem erinnert Die neue Inquisition an Hoppes Buch über den Irrationalismus in der Wissenschaft (10), aber auch an Reichs Rede an den Kleinen Mann (25). Wilson bietet eine brillante Studie über den Kleinen Mann, der ein Brett vor dem Kopf hat und einfach nicht wahrhaben will, was nicht in sein Konzept paßt. Man kann nur begrüßen, wie klar Wilson die als "Wissenschaft" organisierte irrationale Pest (Antiwissenschaft, Antiarbeit, Antileben) gegen Reich bloßlegt. - Doch leider dringt er nie zu den emotionalen Beweggründen vor, sondern nur zu den "neurologischen" und "genetischen": Weltanschauungen behaupten ihre Reviergrenzen wie einst die Affenhorden. Was Reich "Emotionelle Pest" nannte, ist für Wilson simples "Panikverhalten von Primaten". All die Irrationalität geht auf alte Prägungen und Konditionierungen aus primitiven Evolutionsniveaus hervor. Dem Fortschritt gemäß müssen diese psycho-biologischen Relikte aufgelöst werden.

Doch anstatt der vom naiven Wilson erhofften lichten Zukunft wird die Zerstörung von Konditionierungen doch nur zur Vernichtung des Menschen führen. Dies wird allein schon beim Blick auf die Tradition evident, in der Wilson steht und auf die er sich teilweise beruft: man denke nur an die Dekonditionierung im Sinne von Gurdijeffs Dressurakten mit Menschen oder Timothy Learys These, daß Halluzinogene Schock und Streß erzeugen, die alte Prägungen und Konditionierungen durchbrechen. Diese "Emanzipation" ist der Kern des "Neosatanismus",
(5) "Scientology" und der gesamte "postmoderne" Libertinismus und Relativismus mit seinen Attacken gegen "Vorurteile" (z.B. daß Homosexualität eine Krankheit ist, daß es für kriminelles Verhalten keine Entschuldigung gibt, etc.). Wilson sieht nicht, daß der Mensch ein Tier ist, mit rationalen primären Verhaltensmustern, deren Auflösung zur Zerstörung der Gesellschaft führen würde. Wilsons Dekonditionierungskonzept ist vergleichbar mit dem Marxistischen Diktum: "den Menschen gibt es nicht", das immer gegen Reich angeführt wurde. Nicht von ungefähr ist bei Wilson sehr viel von Seh- und Bezeichnungsweisen die Rede, aber nie von Gefühlen, die die Grundlage für alle Wertmaßstäbe sind (z.B. die Liebe zum eigenen Volk und andere derartige primatenhafte "Beschränktheiten").

Warum ist Wilson so populär? Weil er die moderne Version des universellen "Weg vom Tiersein" (Reich) propagiert! Und weil er alle Lebensfragen auf konsequenzlose "Semantik" reduziert; die Illusion verkörpert, die Lösung könnte in "virtuellen Wirklichkeiten" liegen. Eine von Wilsons Hauptquellen ist Alfred Korzybski, mit dem sich T.P. Wolfe schon 1942 in seiner Besprechung von Korzybskis Buch General Semantics befaßt hat (34). Korzybskis Theorie lautet, daß alles Leid der Welt von unserem falschen Gebrauch der Wörter käme. Diese Theorie verwandle, so Wolfe, alles in bedeutungslose Hieroglyphen, um der Wirklichkeit zu entfliehen. Man flüchtet in Worte, um den Gefühlen zu entgehen. Die ganze Welt wird zu Begriffen, die irgendwie ein autonomes Leben führen. Es ist nichts weiter als die mechanistische Variante der Wort-Mystik, der wir bei Shallis begegnet sind. Für Shallis war alles Sein nur symbolischer Verweis auf die reale Welt der Platonischen Ideen, für Wilson ist alles, was ist, nur nominale Metapher: die virtuelle Welt der bekifften Computerkids. Die Zerstörung aller Menschlichkeit, d.h. des Gefühlslebens.

Das soll nicht heißen, daß Gurdijeff, Leary, Korzybski und Wilson vollkommen falsch lägen, doch ohne Befreiung des okularen Segments führt das ganze Umprogrammieren nicht zur Erweiterung des Bewußtseins, sondern zu vermehrter okularer Panzerung. Genauso bedingen auch sogenannte "bewußtseinserweiternde Drogen" und diverse Meditationspraktiken eine Verstärkung der Panzerung, also eine weitere Einschränkung des Horizonts.

Nicht von ungefähr beruft sich Wilson u.a. auf Husserl, bei dem Reich pathologisches Zwangsgrübeln, ein Leiden, das auf okulare Panzerung zurückzuführen ist, konstatierte (24:43). Reich gibt Wilson (bzw. natürlich dessen Vorgängern) "völlig Recht (...), wenn sie behaupten, daß wir von der Wirklichkeit um uns herum ja nur Empfindungen und Wahrnehmungen haben, daß die Empfindung das einzige Tor ist, durch das das Lebendige mit der Umwelt in Verbindung steht; daß man nicht die Gegenstände selbst, sondern nur ihr Abbild wahrnimmt. Das ist alles schön und richtig, wird aber zur Zwangsgrübelei, wenn man nicht weiterdenkt." Man müsse nach der Struktur des empfindenden Lebensapparats fragen (24:56f). Es geht um das energetische Verständnis der Wahrnehmungsfunktion (24:64). Kritische Faktoren sind der orgonotische Kontakt, bzw. Kontaktlosigkeit und Ersatzkontakt. Wenn wir kontaktfähig sind, erfahren wir den Unterschied zwischen virtueller und "wirklicher" Wirklichkeit unmittelbar. Nur Menschen mit okularer Panzerung haben Schwierigkeiten zwischen Traum und Wachen zu unterscheiden. Nur Psychotiker verlieren sich in eine Traumwelt und nur schwer gestörte Neurotiker flüchten in die dröge Ersatzwelt der Drogen und andere "virtuelle Realitäten".

Bezeichnenderweise fehlt Wilson, trotz aller Mobilisierung der Möglichkeiten der Phantasie, die Kraft zur großen Vision. Er spricht wohl viel von seinem "kreativen Agnostizismus", aber es kommt nie zu wirklichen Schöpfungen. Sein Weltbild ist geschlossener als er selber wahrhaben will. Sein Vokabular aus "emischer und etischer Realität", "Information", "Neurosemantik", "Realitätslabyrinth", "Realitätstunnel", "Synergie" und "Transaktion" ist reines Wortgeklingel und ermangelt jeder fuktionellen Substanz. Sein, wie überhaupt jeder, Existentialismus ist nichts weiter als leerer Jargon, der herzlich wenig mit "Existenz" zu tun hat, aber viel mit Hirnlastigkeit und mangelndem Kontakt zum existentiellen Kern. Wilsons Gehirn wird zum Parasiten, der nicht nur den Körper leersaugt (Reich), sondern auch die ganze Umwelt, die sich zu Worten verflüchtigt.

Mit Reich selbst kann Wilson wenig anfangen. Er benutzt ihn nur als Beispiel für die Machenschaften der bösen wissenschaftlichen Fundamentalisten, verweist aber z.B. nicht, was mehr als Nahe gelegen hätte, auf das fließende "schwebende" Denken des Funktionalismus, das stets in Bewegung ist und sich nie festsetzt. "Es ist gerade diese Bewegtheit und Ungewißheit im Denken, das immerzu Fließende, das", Reich zufolge, "den Beobachter in Kontakt mit dem Naturvorgang setzt" (24:103).

Dieser Funktionalismus ist nicht zu verwechseln mit Relativimus und "Libertinismus", denn klares (= funktionelles) Denken führt stets zum gleichen Ergebnis: zum Kern des jeweiligen Problems. Menschen wie Wilson verwechseln dies mit totalitärem Denken - und sehen nicht die Tyrannei der "pluralistischen Ideen", von der Nietzsche sprach: "In unserer Zeit würde man Jeden, der (...) streng der Ausdruck Eines moralischen Zuges wäre (...) für krank halten, und von 'fixer Idee' bei ihm reden. (...) Jetzt herrscht die Demokratie der Begriffe in jedem Kopfe, - viele zusammen sind der Herr: ein einzelner Begriff, der Herr sein wollte, heißt jetzt (...) 'fixe Idee'. Dies ist unsere Art, die Tyrannen zu morden, - wir winken nach dem Irrenhause hin" (16). - Der libertäre Demokrat Wilson steht den Mördern Reichs näher als er wahrhaben will.

 

 

16. Cantwell: The Cancer Microbe (1990)

Da Alan Cantwell seine Entwicklung als Forscher im Zusammenhang mit seinem persönlichen Leben darstellt und so die Illusion von "reiner Wissenschaft" aufbricht, erinnert The Cancer Microbe (4) an Reichs wissenschaftliche Autobiographie Die Funktion des Orgasmus (21). Selbst der Inhalt ähnelt sich, denn das Buch handelt von den bion-artigen "Krebsmikroben", die integraler Bestandteil aller Zellen und, so Cantwell, engstens mit der "Lebenskraft" verknüpft sind, die nach seiner Meinung die gesamte Materie durchdringt und vielleicht eines Tages zur Heilung des Krebses und anderer Krankheiten herangezogen werden kann.

Cantwells persönliche Entwicklung ist jedoch so ungefähr das Gegenteil der Reichs. Er war ein von Akne und verfrühtem Haarausfall gezeichneter, unsportlicher, seiner katholischen Erziehung folgender Einzelgänger, der es nur mit der Protektion seines Vaters zum Medizinstudenten brachte und mit 23 noch Jungfrau war. Er glaubte, er wäre ohne jedes sexuelle Gefühl, bis er zu dieser Zeit sein erstes sexuelles Erlebnis hatte - mit einem Mann. Mit 25 fing er langsam an, sich in die Welt der Homosexuellen einzuleben. Seine Lebensgeschichte kann einerseits mehr Verständnis für Homosexuelle lehren, andererseits illustriert sie drastisch den antisexuellen Hintergrund der Biopathie Homosexualität.

Während seiner Tätigkeit als Hautarzt stieß er bei Entzündungen des Unterhautfettgewebes unerwartet auf "Mykobakterien" (die man zwischen Virus und Bakterium einordnen kann), wie man sie üblicherweise bei Tuberkulose nachweist. Dieses unvorhergesehene Auftreten von Mykobakterien schien irgendwie mit Impfungen und anderen Injektionen zusammenzuhängen. Als Test untersuchte er Hautproben von Sklerodermie-Patienten, bei denen theoretisch keine Mykobakterien feststellbar sein sollten. Dieser an sich vollkommen sinnlose Test sollte sein Leben verändern, denn überraschenderweise fanden sich in den Hautproben ebenfalls Mykobakterien.

Zu dieser Zeit (Mitte der 1960er Jahre) begann er sich dem Okkulten zuzuwenden, da er als Homosexueller in der Katholischen Kirche keinen spirituellen Halt mehr fand. Heute fühlt er sich durch "karmische und spirituelle Energien" getrieben, sein Wissen über die Krebsmikroben in die Welt zu tragen. Insbesondere lernte er durch die Astrologie seine Veranlagung als Teil der "göttlichen Ordnung" zu akzeptieren. Zu Reich merkt Cantwell an, er sei unter dem "mächtigen von Mars beherrschten Zeichen des Widder" geboren, "dem Zeichen des Ego, des Pioniers und der männlichen Kraft". Und selbst der Beginn der AIDS-Epidemie betrachtet Cantwell unter dem okkulten Gesichtswinkel der Astrologie.

Durch seine esoterischen Studien erfuhr er, daß das Medium Edgar Cayce in den 1930er Jahren behauptet hatte, Tuberkulose-Bakterien würden Sklerodermie hervorrufen. Enttäuschend war nur Cayces Behauptung, daß diese Bakterien durch eine Entzündung der Lymphkanälchen im Organismus neu entstehen, was nach orthodoxer medizinischer Theorie einfach unmöglich ist.

Kurze Zeit später stieß Cantwell zufällig auf die Forschungen von Virginia Livingston, die bereits in den 1940er Jahren Mykobakterien bei Sklerodermie nachgewiesen hatte. Als sie diese Mykobakterien Versuchstieren spritze, war sie überrascht, als diese nicht nur sklerodermieartige Symptome entwickelten, sondern auch an Krebs erkrankten. Über diesen Umweg entdeckte sie Mykobakterien in menschlichem Krebsgewebe. Diese Mykobakterien, die sie "Progenitor cryptocytes" nannte, scheinen identisch mit Reichs T-Bazillen (also "T-Bakterien") zu sein. Übrigens war für Reich die Tuberkulose, die als eine durch Mykobakterien hervorgerufene Infektionskrankheit betrachtet wird, eine Schrumpfungsbiopathie. Und was die für sein Konzept der Krebsbiopathie so wichtige Vorstellung der "Selbstinfektion" betrifft ist Reich von der Tuberkulose ausgegangen, wobei er sich auf ältere Vorstellungen berief (27:141). Cantwell weist auf Forschungsberichte von 1928 hin, die besagten, daß zwischen den "Erregern" von Tuberkulose und Krebs eine enge Beziehung besteht.

In den 1970er Jahren entdeckte Livingston, daß die Krebsmikrobe das Hormon Choriogenadotropin ausstößt, das es vor dem Immunsystem des Organismus schützt. Die Krebsmikrobe sei in jeder Zelle vorhanden, auch im Spermium und würde dort verhindern, daß das fremde Gewebe vom weiblichen Körper abgestoßen wird. Dergestalt ist die Krebsmikrobe unverzichtbarer Bestandteil des Lebensprozesses. Nur eine Schädigung der Zelle wendet diese Schutzfunktion gegen den Organismus und führt zu Krebswucherungen und anderen Krankheiten, z.B. Sklerodermie. In der Krebsmikrobe sind so Leben und Tod untrennbar miteinander verknüpft. Sie kann weder chirurgisch, noch durch Strahlung, Antibiotika oder durch Chemotherapie beseitigt werden: sie ist unzerstörbar. Erst diese Erkenntnis ermöglicht eine rationale Therapie des Krebses und der anderen hier erwähnten Krankheiten. Diese Aspekte der Arbeit Livingstons und ihres Schülers Cantwell erinnert an Reichs Gedanken über die Rolle der T-Bazillen in der menschlichen Vererbung (23:293-296).

Bei der Krebsmikrobe handelt es sich um eine ihre Gestalt ständig verändernde, "pleomorphische" Mikrobe, die virus-, granular-, bakteriums-, hefe-, fungus-, und parasitenartig oder als großes "Russelsches Körperchen" auftreten kann. An dieser Stelle wird die Verbindung von Cantwells wissenschaftlicher Entwicklung zu Reichs Bion- und Krebsforschung noch offensichtlicher: beide wenden sich gegen das biologische Grunddogma, daß erstens jede Zelle nur aus einer anderen Zelle hervorgehen kann; und daß zweitens jede Zelle nur aus einer Zelle entstehen kann, die mit ihr identisch ist. Zum Beispiel gehen Pantoffeltierchen angeblich nur aus Zellen hervor, die ebenfalls Pantoffeltierchen sind, nicht jedoch aus Bakterien oder Viren. Ein weiteres Dogma ist, daß jede Infektionskrankheit auf eine jeweils spezifische Mikrobe zurückgeht. Doch die Mykobakterien, die Cantwell u.a. bei Sklerodermie, Lupus, Sarkoid, AIDS und Krebs fand, waren praktisch identisch und traten zudem nicht nur in krankem, sondern auch in gesundem Gewebe auf - wie Reichs T-Bazilli.

Die Mikrobiologen verneinen die Möglichkeit eines Pleomorphismus, der ihr künstliches Einteilungssystem, mitsamt der sauberen Trennung in Virologie und Bakteriologie, und damit ihre Sicherheit als mechanistische Wissenschaftler untergraben würde, obwohl er alltägliches Beobachtungsgut der Mikroskopie ist. Statt dessen werden Proben nach wenigen Tagen weggeworfen und alle Anzeichen von Pleomorphismus mit dem Wort "Kontamination" wegerklärt (auch hat man für langwierige Beobachtungsreihen, wie sie für Reichs Bionforschung typisch waren, keine Zeit). Cantwell ist dergestalt seit den 1960er Jahren mit genau dem gleichen Problem konfrontiert, wie Reich vor ihm: die "Wissenschaftler" weigern sich ins Mikroskop zu schauen und verweisen statt dessen auf ihre Heiligen Schriften. Da die Ärzte nichts vom Lebenszyklus pleomorphischer Bakterien wissen wollen, stehen sie mit ihren Klassifikationen hilflos Krebs, Sklerodermie, AIDS und anderen immunologischen Krankheiten gegenüber, die ihnen buchstäblich zwischen den Fingern hindurchgleiten.

Die Karrieren von Livingston und Dutzender anderer Erforscher der Krebsmikrobe, "der wichtigsten medizinischen Entdeckung dieses Jahrhunderts", wurden durch das medizinische Establishment zerstört, das nur ein einziges Ziel hat: den wissenschaftlichen Status Quo und damit die eigene Autorität zu erhalten. Wo kämen wir hin, wenn die medizinischen Autoritäten etwas dazulernen müßten?! Hinzu kommt das finanzielle Interesse, denn die Erforschung des Krebsrätsels und anderer derartiger "Mysterien" ernährt bereits Generationen von Wissenschaftlern und Ärzten. Cantwell sagt dazu: "Während die biomedizinische Welt begierig der Entdeckung eines ätiologischen Krebs-Agens entgegensieht, und während Krebs-Wissenschaftler dringend um mehr Forschungsgelder bitten, wird von einem Jahrhundert Erforschung der Krebsmikrobe weiterhin keine Notiz genommen. Es ist voll Ironie, wenn man sieht, daß das wirkliche Dogma der orthodoxen medizinischen Wissenschaft lautet: SUCHE, ABER FINDE NICHT!"

Diese Tradition einer anti-wissenschaftlichen Dogmatik schließt sich teilweise unmittelbar an die mittelalterliche Scholastik an. So wurde z.B. der gläubige Katholik Louis Pasteur von der katholischen Kirche unterstützt (19:167), weil Gott am Anfang der Zeit alles Leben erschaffen hat, so daß heute kein Leben mehr neu entstehen darf. Pasteur war ein Chemiker, der nichts vom lebendigen Körper verstand, im Gegensatz zu seinem unterlegenden Kontrahenten, dem Mediziner Antoine Béchamp (1816-1908). Cantwell führt eine grade Linie von Béchamps "Mikrozym", über Reichs Bion, zu Livingstons Krebsmikrobe. Für den Chemiker Pasteur und seine Nachfolger, die heutigen "Mediziner", ist der Körper ein chemischer Komplex, der durch von außen kommende "Krankheitskeime" gestört wird. Demgegenüber ist für die Béchampsche Tradition der lebendige Körper als dritter Faktor zwischen "Keim" und Krankheit geschaltet. Das Pasteursche Dogma ist ein einfacher Grenzfall viel komplizierterer Vorgänge, bei denen sich im Körper durch Krankheit pleomorph "Krankheitskeime" bilden, die dann sekundär übertragbar sind. Dieser Vorgang läßt sich an jedem zerfallenden Leichnam unmittelbar ablesen.

Da sie nur den Pasteurschen Grenzfall kennt, ist ein Großteil der Medizin nichts weiter als Quacksalberei, die nicht nur die Volkswirtschaft zugunsten der chemischen Großindustrie ruiniert, sondern unendliches Leid und Abermillionen Tote zu verantworten hat. Da die Medizin nichts von den wahren Vorgängen wissen will, schaden ihre Impfprogramme mehr als sie nutzen. Ein Verdacht, den, wie wir gesehen haben, Cantwell schon ganz am Anfang seiner Erforschung der Krebsmikrobe hatte. Er schreibt auch die AIDS-Epidemie auf das Schuldkonto Pasteurs, denn das HIV-Virus sei durch Pocken-Impfprogramme der WHO in Zentralafrika und Hepatitis-Impfprogramme der US-Regierung unabsichtlich (oder absichtlich) entstanden.

1982 machte ihn Lorraine Rosenthal von der "Cancer Control Society" mit Reichs Bion- und Krebsforschung bekannt. Ihre Mutter hatte in den 1950er Jahren in Reichs Laboratorium gearbeitet. Wie es der leidgeprüfte Student der Orgonomie gewöhnt ist, ist auch Cantwells Beschreibung von Reichs Werdegang derartig von Fehlern durchsetzt.... Philologie, d.h. die Kunst des Lesens, sollte Pflichtfach an allen Fakultäten werden! Cantwell gibt selber zu, daß es ihm ungeheure Schwierigkeiten bereitet habe, Reich zu verstehen, aber aus seiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit heraus würden sich Reichs mikrobiologische Entdeckungen als etwas bestätigen, was von jeher Allgemeingut aller Biologen und Mediziner sein würde, wäre es in der Wissenschaft wirklich wissenschaftlich zugegangen. Einer von Cantwells, nach eigener Aussage, wichtigsten wissenschaftlichen Untersuchungen über die Krebsmikrobe veröffentlichte er November 1988 im Journal of Orgonomy (3). Selbst die Existenz der Orgonenergie ergibt sich zwanglos aus der Erforschung der Krebsmikrobe. Cantwell verdeutlicht auf frische Art die Beziehung der Bione zur Lebensenergie auch unabhängig von der Strahlung der SAPA-Bione. Sein "Bekenntnis" zur Orgonenergie ist aber leider nur abstrakt und mystisch: es werden keine konkreten, funktionellen Zusammenhänge aufgezeigt, vielmehr schlägt seine "spirituelle Suche" durch.

 

 

 

Literatur

  1. Die Bibel im heutigen Deutsch, Stuttgart 1982
  2. Burton, S.: "Organische Energie - Ein theoretisches Energiemodell für die Kornkreisforschung", in: J. König: Spuren im Korn, Frankfurt 1992, S. 184-195
  3. Cantwell, Jr, A.R., R.A. Blasband: "Bionous Tissue Disintegration in Three Patients with AIDS" Journal of Orgonomy, November 1988
  4. Cantwell, A.: The Cancer Microbe, Los Angeles, Ca. (USA): Aries Rising Press, 1990
  5. Collins, A.: The Circlemakers. A Revolutionary New Vision of the Crop Circle Enigma, Leigh-on-Sea, Essex, England: ABC Books, 1992
  6. Conger, J.P.: Jung & Reich: The Body as Shadow, Berkeley, California: North Atlantic Books, 1988
  7. Constable, T.J.: The Cosmic Pulse of Life. The Revolutionary Biological Power Behind UFOs, Revised and enlarged edition, Garberville, California: Borderland Sciences Research Foundation, 1990
  8. Eden, Jerome: The Emotional Plague Vs. Orgonomic UFOlogy, Careywood, Idaho, 1981
  9. Fromm, E.: Die Anatomie der menschenlichen Destruktivität, Reinbek 1994
  10. Hoppe, W.: Wilhelm Reich und andere große Männerder Wissenschaft im Kampf mit dem Irrationalismus, München 1984
  11. Konitzer, M.: Wilhelm Reich zur Einführung, Hamburg 1987
  12. Konitzer, M.: New Age. Über das Alte im neuen Zeitalter, Hamburg: Junius Verlag, 1989
  13. Körner-Wellershaus, I.: Wilhelm Reich. Ein Vater des New Age. Alfter: Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften, 1993
  14. Mann, W.E., E. Hoffman: Wilhelm Reich. The Man who Dreamed of Tomorrow, Foreword by Eva Reich, 2. edition, Wellingborough, Northants., England: Crucible, 1990
  15. Masson, J.M.: Die Abschaffung der Psychotherapie, München 1991
  16. Nietzsche, F.: Der Wanderer und sein Schatten (A 230), In: KRITISCHE STUDIENAUSGABE, Bd. 2, München 1988, S. 657
  17. N.N.: "Negative Finding on T. Constable's 'Bioforms'" Pulse of the Planet No. 5, Spring 2002
  18. Ravenscroft, T.: The Spear of Destiny, York Beach, Maine 1991
  19. Reich, W.: Die Bione, Oslo 1938
  20. Reich, W.: Die sexuelle Revolution, Frankfurt 1971
  21. Reich, W.: Die Funktion des Orgasmus, Frankfurt 1972
  22. Reich, W.: Massenpsychologie des Faschismus, Frankfurt 1974
  23. Reich, W.: Der Krebs, Frankfurt 1976
  24. Reich, W.: Äther, Gott und Teufel, Frankfurt 1983
  25. Reich, W.: Rede an den Kleinen Mann, Frankfurt 1984
  26. Reich, W.: Charakteranalyse, Köln 1989
  27. Reich, W.: Die Bionexperimente, Frankfurt 1995
  28. Reich, W.: Die kosmische Überlagerung, Frankfurt 1997
  29. Roszak, T.: Das unvollendete Tier, Reinbek 1985
  30. Schwarzenau, P.: Das Kreuz, Zürich 1990
  31. Shallis, M.: Elektro Schock. Über unsere elektrische Natur, Frankfurt: Zweitausendeins, 1992
  32. Stirner, M.: Der Einzige und sein Eigentum, Stuttgart 1981
  33. Wilson, R.A.: Die neue Inquisition. Irrationaler Rationalismus und die Zitadelle der Wissenschaft, Frankfurt: Zweitausendeins, 1992
  34. Wolfe T.P.: "The Mysticism of Words" International Journal of Sex-Economy and Orgone-Research, Vol. 1, S. 186-90, 1942

 

 


Fußnoten

(1) Die deutsche Übersetzung von Roszaks Buch enthält folgenden erheiternden Satz über Reichs letzte Jahre, der symptomatisch für die Qualität des ganzen Buches ist: "Es kam zu den bekannten, tragischen Auseinandersetzungen mit Vegetariern und Drogenpäpsten, die ihn des Quäkertums bezichtigten und einen Prozeß gegen ihn anstrebten" (29:83).

(2) Ganz im Sinne Jungs reduziert Konitzer Reichs ORANUR- und UFO-Forschung auf das Niveau einer "modernen Alchimie". Reichs "exoterisch, produktiv auswärts gerichtete Vision" wird neben die Jungs und John C. Lillys gestellt, die "einer esoterischen Haltung der Innenschau" bzw. "einer drogeninduziert produktiven Haltung des Ausnahmezustandes entstammen."

(3) Die Vorstellung eines "metaphysischen Heinzelmännchens" wie Reich es nennt, "das angeblich im Hintergrunde der Lebensfunktionen wirkt, denkt, fühlt, empfindet, reagiert", führt, so Reich, "nirgends hin" (23:400). Nach Reich ist Bewußtsein das Zusammenfließen der diversen Sinneseindrücke und Emotionen in eine funktionelle Einheit (24:63). Sinneseindrücke und Emotionen führt er ihrerseits bis "auf die Bewegungsformen der Weichtiere und Protisten" (26:519) und letztendlich auf die "Reizempfindlichkeit des rein physikalischen Orgons" zurück (24:91) (vgl. Orgonometrie).

(4) Reich zufolge kann man das Psychische und das Energetische nicht trennen, denn die psychische Identifizierung entspricht dem orgonotische Kontakt (23:385).

(5) Der deutsche Hauptthelemit Michael Eschner hat u.a. als "Bioenergetiker" angefangen und auch später noch davon geredet, daß die totale Entspannung der verspannten Muskulatur Voraussetzung der Unsterblichkeit sei und der Orgasmus der Hauch der Ewigkeit. Ein Ex-Crowley-Kumpan, auf den sich Wilson beruft, der neosatanistische Magier Francis Israel Regardie (geb. 1917) bezeichnete Reich als seinen Psychotherapielehrer ("Chakratherapie").


zuletzt geändert
11.01.07

 

 


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