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DIE EMOTIONELLE PEST

 

 

Umfragen zufolge bezeichnen sich eine Million Deutsche als "Buddhisten". Allen ernstes sind sogar Bestrebungen ingange, die "Buddhistische Partei Deutschlands" zu gründen. Doch nicht der allgemeine Buddhismus-Hype macht diesen Artikel notwendig, sondern weil sich überdurchschnittlich viele "Reichianer" und sogar Studenten der Orgonomie wie magisch zu Lamaismus, Zen und sogar Theravada hingezogen fühlen. Die Orgonomie scheint dem Charme des Buddhismus fast schutzlos ausgeliefert zu sein. Deshalb muß im einzelnen gezeigt werden, was an sich jedem von vornherein offensichtlich sein sollte: daß Buddhismus und Orgonomie unvereinbar sind (siehe auch die Besprechung von Hitler, Buddha, Krishna). Es geht um die "mentalhygienische" Selbstverteidigung der Orgonomie, nicht um eine generelle Verdammung des Buddhismus, der z.B. im weltweiten Abwehrkampf gegen den Islam ein wertvoller Verbündeter ist (vgl. Der politische Irrationalismus aus orgonomischer Sicht).

 

 

DIE MASSENPSYCHOLOGIE DES BUDDHISMUS

Peter Nasselstein

 

Werdet gewahr, daß der Körper kein Leid hat, sondern Leid ist. Erst dann können wir damit beginnen, die Wirklichkeit des menschlichen Leids zu verstehen. Es ist nicht so, daß wir uns ab und zu unbehaglich fühlen, sondern dieser Körper besteht aus Leid. Er kann nicht stillsitzen oder -liegen, ohne Unbehagen zu empfinden. Erkennt die Unbeständigkeit. Erkennt, daß es für den Körper keine dauerhafte Befriedigung geben kann. Erkennt, daß Empfindungen unaufgefordert auftauchen. Warum sie also „mein“ nennen? Zieht aus den unangenehmen Empfindungen eure Lehre. Und bewegt euch dann, wenn es unbedingt nötig ist – aber bewegt euch nicht unüberlegt. Bewegt euch erst, nachdem ihr geprüft habt, warum ihr es tut. Bewegt euch so behutsam und achtsam, daß es weder euch selbst noch euren Nachbarn stört.

Ayya Khema (1998, S. 19)

 

1. Die bioenergetischen Grundlagen des Buddhismus

a. Verachtung

Der Buddhismus ist durch und durch „aristokratisch“. Während im Vergleich Christus in erster Linie ein Prophet war, der sich an die Armen und Zukurzgekommenen wendet, war Buddha ein Mystiker, dessen Zielgruppe die Reichen und Erfolgreichen sind. Seine Milde und Freundlichkeit sind ohne jede persönliche Anteilnahme. Das einzelne leidvollen Schicksal dient nur als weiteres Beispiel für das Prinzip: die Leidhaftigkeit der Welt und die Möglichkeit ihrer Überwindung – durch das Überwinden der individuellen Existenz (Mensching 2001, S. 77 und 89).

Den entsprechenden bioenergetischen Unterschied zwischen den beiden Religionen macht das unmittelbare Erleben eines ehemaligen Anhängers des Lamaismus kenntlich, der sich bei einer Begegnung mit dem Dalai Lama, wie er sich ausdrückt, „über sich selbst erhoben gefühlt“ habe. Ganz im Gegensatz dazu fühlte er sich, nachdem er zum Christentum zurück gefunden hatte, in der christlichen Gemeinschaft „vollkommen aufgehoben in einer erhabenen Realität“ (Kamphuis 2000, S. 148). Im Buddhismus distanziert sich der Mensch von seiner eigenen Individualität (d.h. von seinen Emotionen, Erregungen und vom eigenen Ich), während er im Christentum als Individuum angenommen wird und sozusagen „zu sich findet“.

Gewiß entfremdet auch das Christentum in seiner ganzen Künstlichkeit den Menschen von der bioenergetischen Wirklichkeit, aber beim Buddhismus ist diese Entfremdung weitaus fundamentaler, da in den buddhistischen Lehren wirklich alles darauf abzielt, die Ganzheit des Menschen zu zerstören und ihn in eine bestimmte Richtung zu drängen, hin zum distanzierten „Geist“ und in die gefühllose „Leere“. Zum Beispiel wird im Bauch zentrierte Emotion (Lust, Angst, Wut, Sehnsucht und Trauer) in „verkopfte“ Sensation überführt (sogenannte „Bewusstseinszustände“) (Reich 1953, Harman 1999). Aus der natürlichen spontanen Hinwendung zum Mitmenschen wird ein unpersönliches „Mitempfinden mit allen fühlenden Wesen“, die Opfer der drei Grundübel dieser Welt sind (Gier, Haß und Verblendung). Eine persönliche Zuwendung kann es allein schon deshalb nicht geben, weil das eine emotionale Identifikation mit den Opfern bedeuten und damit die eigene Beschmutzung mit und die Verstrickung in Gier, Haß und Verblendung nach sich ziehen würde. Alle anderen Wesen werden buchstäblich zu anrüchigen „Unberührbaren“.

Der mitleidige Buddhist verachtet das „schmutzige“ Opfer der Umstände, ganz entsprechend der „buddhistischen“ Grundbewegung der Energie vom „schmutzigen“ Genital und vom emotionalen Bauch hin zum „überlegen(d)en“ Kopf.(1) Der Körper wird sozusagen zu einem erigierten Penis. Mit der Energiestauung im Kopf wird der Buddhist durch sein aufgesetztes „Mitgefühl“ fertig. Die Praxis des „Mitfühlens“ ist so etwas wie „tantrischer Sex“. Ein Sex, der besonders im asketischen Theravada in der sogenannte Maitri-Meditation ausgeübt wird, bei der die Empfindung von Güte (maitri) meditativ zunächst auf die einem nahestehenden, dann auf die einem gleichgültigen Menschen gerichtet wird, daraufhin auf die Feinde und schließlich auf alle Wesen im Universum. Man sendet sein Wohlwollen in alle Richtungen – und ergötzt sich am Wahn, tatsächlich zu lieben, sogar „etwas zu tun“. Ein „Head Trip“, bei dem sich die (männliche) „Liebe“ in die (weibliche) Leere des unendlichen Raumes ergießt.

 

 

b. Achtsamkeit

In der gewöhnlichen Neurose kommt es ob der allgemeinen Panzerung des Körpers (siehe Reich 1949b) zu einer gemeinsamen Minderung sowohl der Erregung als auch der Wahrnehmung und damit zu einem generellen Kontaktverlust. Die Selbstwahrnehmung und damit die Gedankenwelt wird träge und farblos. In der Schizophrenie bleiben Erregung und Wahrnehmung zwar verhältnismäßig intakt, aber es kommt aufgrund der „okularen Panzerung“ zu einer verheerenden Spaltung zwischen den beiden Funktionen (siehe Reich 1949b). Auf diese Weise werden „geheimnisvolle Kräfte“ wahrgenommen, man hört Stimmen, etc. Die Gedankenwelt ist zwar aktiv und „farbig“, aber auch wirr und unberechenbar (Reich 1949b, S. 572f).

Es gibt eine dritte Panzerungsmöglichkeit, bei der entweder Wahrnehmung einseitig und chronisch in Erregung überführt wird (wie beim „Zappelphilipp“) (Crist 1995) oder umgekehrt Erregung einseitig und chronisch in Wahrnehmung umgewandelt wird (wie etwa beim Cannabis-Konsumenten) (Harman 1999). Diese Panzerung verbindet gewisserweise die Dynamiken von Neurose (Unterbindung des Energieflusses) und Psychose (freier Energiefluß, aber Spaltung): eine der beiden Funktionen verkümmert, während die andere auf ihre Kosten hypertrophiert und anfängt ein Eigenleben zu führen. Beim Buddhismus ist es so, daß einseitig Erregung in Wahrnehmung transformiert wird. Durch die daraus resultierende Hypertrophierung der Wahrnehmungsfunktion verliert die so überaus scharf registrierte Umwelt und das eigene Ich zunehmend an Substanz. Mangels Erregung leert sich die Welt, die Dinge werden chimärenhaft, während „der inhaltsleere Raum erstrahlt“ und eins wird mit dem eigenen allgegenwärtigen „Geist“, dem „Auge der Erkenntnis“.

Induziert wird dieser hochgradig pathologische Zustand durch die meditativen Praktiken des Buddhismus, in denen alle körperlichen Impulse in „Achtsamkeit“ transformiert werden. So darf dem Lama Matthieu Ricard zufolge die „Energie der Begierde“, die Libido, weder unterdrückt werden, „noch soll man ihr freien Lauf lassen, wie es ihrer Normalverfassung entspräche. Ziel ist vielmehr, vollkommen von ihr befreit zu sein. Um das zu erreichen, wendet man“, sagt Ricard, „eine Reihe abgestufter Mittel an: angefangen mit der Abschwächung der Begierde durch Gegenmittel über das Erkennen ihrer Leerheit an sich bis hin zu ihrer Verwandlung in Wissen“ (Revel, Ricard 1999, S. 330f).

Durch die Umwandlung von Erregung in Wahrnehmung erlangen die banalsten Beobachtungen und Erfahrungen „kosmische“ Bedeutung. Selbst das stunden-, tage-, jahrelange Anstarren einer weiß getünchten Wand verhilft zu welterschütternden Einsichten. Gleichzeitig werden die emotional wichtigen Dinge bedeutungslos. Es betrifft einen nicht mehr. Selbst das eigene Schicksal „betrifft einen nicht mehr“ und wird wie von außen betrachtet. Nichts ist mehr von Bedeutung. Jede Form von spontaner Mitmenschlichkeit, Liebe und genitalem (im Gegensatz zu einem mechanisch „sexuellen“) Kontakt ist unmöglich geworden. Zum Beispiel ist es in diesem „achtsamen“ Zustand gleichgültig, ob ein Kuchen zerteilt oder einem Kind der Kopf abgeschnitten wird – es ereignet sich auf ein und derselben Ebene (Kontaktlosigkeit).

Das gewählte Beispiel ist weder eine Übertreibung noch eine billige Gemeinheit, sondern gehört untrennbar zum Charakter des Buddhismus. Der Praktizierende soll gegenüber dem Lebendigen vollkommen emotionslos werden. Nichts Menschliches soll der Emanzipation der Wahrnehmung entgegenstehen. Das geht im Lamaismus bis zur meditativen Imaginierung von Opferungsszenen wie der folgenden:

Man stellt sich vor, daß man seine Gestalt mit dem Kopf nach unten aufhängt, man sieht wie er Blut spuckt, man sieht ihn zittern, mit aufgelösten Haaren. Man sieht eine feuerförmige Nadel in seinen Anus eindringen. Dann sieht man in seinem Herzen die Keimsilbe des Feuers (ram) – in diesem Augenblick stirbt er (Gäng 1996, S. 194, Trimondi, Trimondi 1999, S. 77).

Selbstverständlich ist diese Freiheit von Emotion mit mörderischer Sentimentalität verbunden:

Die Magie des Tötens vollzieht der Verständige, nachdem er voll Eifer Mitgefühl entwickelt hat. Ohne Mitgefühl gibt es keinen Erfolg, deshalb muß man Mitgefühl entwickeln (Gäng 1996, S. 194).

 

 

c. Entfremdung

Letztendlich ist es die Genitalität, die der Buddhismus unter allen Umständen zerstören will; sie ist der Zauber der „Verblendung“ (moha), der aufgelöst werden soll. Moha bedeutet so viel wie „verwirrt werden“, im Sinne von „verblendeter Liebe“, aber auch Bindung – an etwas verhaftet sein: eben Liebe! Diese Verblendung soll überwunden werden. Moha ist untrennbar verbunden mit Lobha (Hingezogenheit zum Objekt der Befriedigung) und Dvesha (der Widerwille gegen das, was der Befriedigung im Wege steht). Beim Kampf gegen diese drei Grundübel (Verblendung, Gier und Haß) geht es demnach wirklich um nichts anderes als die systematische Zerstörung aller genitalen Liebesgefühle. Sie werden ersetzt durch „Mitgefühl“ und lieblose, pervertierte Sexualität, die „alchimistisch“ in „Erkenntnis“ umgewandelt wird.

Seine Heiligkeit, der Dalai Lama, erklärt die Verwendung der Sexualität im Vajrayana damit, daß subtilere Zustände des Geistes ins alltägliche Leben einbrechen, wenn etwa beim Gähnen, beim Einschlafen oder während der sexuellen Vereinigung die gröberen Bewußtseinszustände unwillkürlich unterbrochen werden. Perverse Sexualität erzeugt den stärksten Wandel des Bewußtseins. Das nutzt der buddhistische Yogi, indem er die durch die sexuelle Begierde erschlossenen subtileren Geisteszustände für die Erkenntnis der „Leerheit“ aller Erscheinungen verwendet. Dadurch wird die Begierde (die Erregung) ein für allemal ausgelöscht. „Dieser Vorgang wird“, dem Dalai Lama zufolge, „mit dem altberühmten Bild des Holzwurmes veranschaulicht, der genau das Holz auffrißt, aus dem er gewachsen ist“ (Dalai Lama 1991, S. 145). Die Sexualität soll sich selbst zerstören! Oder wie der Lama Ole Nydahl es ausdrückt: „Die bedingte Welt ist mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen“ (Nydahl 1994, S. 7).

Ganz ähnliche bioenergetische Prozesse, wie die hier umrissenen (Verwandlung von Emotion in Sensation und von Erregung in Wahrnehmung), laufen in Cannabis-Konsumenten ab (Harman 1999), z.B. erinnert sich der bereits zitierte ehemalige Anhänger des Lamaismus, Martin Kamphuis, daran, daß er zum Haschisch griff, wenn es Probleme in seiner spirituellen Entwicklung gab – d.h. er noch zu integriert und „ganz“ war:

Im Rausch sahen wir alle Probleme aus einer anderen Perspektive. Wir betrachteten uns aus einer Zuschauerposition und lachten dann herzlich über all unsere Strapazen (Kamphuis 2000, S. 65).

Ein distanzierter Geisteszustand, der in jeder Hinsicht „buddhistisch“ ist.

Der Bezug auf Cannabis macht auch deutlich, wie die bio-sozialen Verhältnisse, aus denen der Buddhismus erwachsen konnte, beschaffen gewesen sein mußten. Kamphuis berichtet über eine Reise durch den Norden Indiens, die ihn mitten in den indischen Alltag versetzte:

Erträglich schien mir das alles nur durch das Rauchen von Haschisch, wodurch sich meine persönlichen Grenzen in Rauch auflösten. Mein Ärger über die unermeßliche Unpersönlichkeit der Menschen verschwand dann für kurze Zeit, indem mein Selbst mit den Geräuschen und Bildern um mich herum scheinbar eins wurde. Es sah so aus, als wäre ich mit dieser Einstellung durchaus nicht allein. Auch für viele Inder gehörte dieser tranceähnliche Bewußtseinszustand zum täglichen Leben (Kamphuis 2000, S. 31).

Man vergleiche das mit der Spekulation des kritischen Buddhismus-Kenners Volker Zotz über das Indien zur Zeit Buddhas:

Von Anfang an ist das Leiden am Subjektsein, an der Vereinzelung oder Einsamkeit des Ich ein großes Thema des Buddhismus. Die Erschütterung darüber, daß der Mensch aus einem Geborgensein in Natur und Sippenverbänden heraustrat, und sich als Ich einer Welt gegenüberfand, in der er, zunehmend auf sich gestellt, wirken mußte, führte zur Lehre vom Anatman. Die Erklärung des Subjekts als hinfällig und meditatives Erfahren dieser Hinfälligkeit sollte vom Leid befreien (Zotz 2000, S. 222f).(2)

Die Anatman-Doktrin beschreibt nicht nur die bio-emotionale Zerrüttung („Entgrenzung“) des Buddhisten, in der die Selbstwahrnehmung und das Bewußtsein zerfallen, sondern auch die Formation einer Art „achtsamen“ „Überwachungs-Ichs“: das Ich macht dem Über-Ich Platz. Zum Beispiel lädt der buddhistische Tantriker, der Selbstmord verübt, die Schuld auf sich, eine Gottheit getötet zu haben, hatte er doch dieser sein Ich geopfert und seinen Leib zur Verfügung gestellt (Dalai Lama 1991, S. 141). Und nicht nur, daß den Individuen jede autonome Eigennatur abgesprochen bzw. ausgetrieben wird (die „Verblendung“ wird überwunden), der Buddhismus (jedenfalls der Mahayana-Buddhismus, zu dem Lamaismus und Zen gehören) geht sogar noch einen Schritt weiter und bestreitet, ähnlich der mechanistischen Naturwissenschaft, die Eigennatur von schlichtweg allem. Alles ist gott-, kern-, seelen-, emotions- und substanzlos. Was bleibt, ist das „Unbedingte“, der leergeräumte Raum (shunyata).

Ganz in Übereinstimmung mit der bioenergetischen Umwandlung von Erregung in Wahrnehmung wird diese entfremdete, „erregungslose“ Sichtweise durch eine komplementiert, in der die Welt buchstäblich auf den Kopf gestellt wird. In der „Nur-Bewußtseins-Theorie“ ist alles, einschließlich unseres Egos, Teil eines universellen leeren „Speicher- bzw. Grundlagenbewußtseins“ (Alaya-Bewußtsein), also des inhaltslosen „Geistes“ „an und für sich“. Ob der Buddhismus in Tibet, China oder Japan: man ist sich einig, daß alle ja ohnehin wesenlosen Gegebenheiten in Abhängigkeit des Geistes erscheinen und an sich keine Selbständigkeit haben. „Ihre Größe und Eigenschaften verändern sich mit der Veränderung des Geistes.“

 

 

 

2. Teilnahmslose Zuschauer

a. Unbeteiligt

Während die anderen indischen Yogi versuchten, ihre Seele durch körperliche Askese oder durch die intellektuelle Einsicht zu befreien, daß sie nichts mit dem Körper zu tun hat, ging es Buddha ganz im Gegenteil darum, sich aus solchen „Kämpfen“ rauszuhalten und zum uninvolvierten, vorurteilslosen Zuschauer zu werden. Er verweigerte sich dem Leben (selbst der Verstrickung ins Leben durch einen leidenschaftlichen Kampf gegen das Leben), setzte sich außerhalb der Realität in eine passive, emotionslose „objektive Position“ und von dort aus als kühler, „über den Dingen schwebender“ Beobachter dem Lebensvollzug ein Ende.

Diese Loslösung kommt sehr schön in einem Gleichnis des Mahayana zum Ausdruck, wo gesagt wird, wir seien wie kleine Kinder, welche die Widerspiegelung des Mondes im Wasser sehen und die nun den Mond berühren und an sich reißen wollen. Da ihre Begierde nach dem Mond frustriert wird, werden sie ungehalten und zornig. Da kommt ein Weiser herbei und belehrt die Kinder: „Der Mond ist mit den Augen zu sehen, läßt sich aber mit der Hand nicht fangen. Was widerlegt werden soll, ist dieses Greifen, nicht aber das Sehen.“ Nur nicht berühren! Lieber sich darauf beschränken, sozusagen „ganz Auge“ zu sein. Die gesamte Persönlichkeit zieht sich zu etwas zusammen, was man als „Überwachungs-Ich“ bezeichnen könnte.

Buddhismus ist tatsächlich beides: Voyeurismus (Pornographie) und sein vermeintliches Gegenteil Moralismus (das Über[wachungs]-Ich). Das wird anhand der tibetischen Rollbilder (thangka) deutlich. Die Lamaismus-Kritiker Victor und Victoria Trimondi erläutern:

Es zählt zur tantrischen Doktrin, daß das „Unbewegte“ das „Bewegte“ beherrscht. Aus diesem Grunde darf in keinem Thangka ein Buddha oder Bodhisattva fehlen, der nicht als unbeteiligter Betrachter die abgebildeten bewegten Yab-Yum Szenen (der geschlechtlichen Vereinigung) emotionslos zur Kenntnis nimmt oder teilnahmslos an sich vorüberziehen läßt, mögen diese auch noch so turbulent und rasend sein. Meist handelt es sich dabei um eine kleine Gestalt oberhalb der Erotikszene. Diese ist trotz ihrer Unscheinbarkeit die eigentliche Kontrollinstanz im sexualmagischen Spiel – der kalte, abgeklärte, berechnende und geheimnisvoll lächelnde Voyeur heißer Liebesleidenschaften (Trimondi, Trimondi 1999, S. 199).

Der „lebende Buddha“ Chögyam Trungpa referiert, daß man aus dem Anhören der Leidensgeschichte anderer Leute viel lernen könne.

Es ist, als ob man einen Film betrachtet. Man sieht zu und lacht und weint und applaudiert und buht, aber es berührt einen nicht wirklich, weil es ein anderes illusionäres Ich ist, das sich mit irgendeinem Unsinn identifiziert (Wetering 2001, S.197).

Der Buddhist ist demnach wie jemand, dem gesagt wird, daß die Wirklichkeit, zu der auch das eigene Leben, das eigene Ich, gehört, nur das Flimmern auf einem Fernsehbildschirm ist, das er entspannt verfolgen kann, ohne es ernstnehmen zu müssen. Er ist glücklich, weil er an nichts haftet, an nichts Liebem und Nichtliebem hängt, sondern als unbeteiligter Beobachter gelassen zuschaut.

 

 

b. Gleichgültig

Tatsächlich besteht bei diesem teilnahmslosen Zuschauer konstant die Gefahr, zu einer Art Couch Potato zu werden. So stellte etwa der Zen-Adept Janwillem van de Wetering bei sich und vielen seiner Lehrer die Tendenz fest, „egozentrische, träge Gleichgültigkeit einem Zustand geistiger Freiheit vorzuziehen“ (Wetering 2001, S. 219). Beständig muß der praktizierende Buddhist wachgerüttelt, bzw., wie in Zen-Klöstern, geradezu „wachgeprügelt“ werden. Dergestalt bedeutet buddhistische „Achtsamkeit“ (smriti) nicht etwa Kontakt im Sinne von Hingabe, sondern ganz im Gegenteil im Sinne von „in Erinnerung rufen“: „Mensch, reiß dich zusammen!“ Immerwährende „Wachsamkeit“ tritt an die Stelle des aktivierenden Lebensfunkens, d.h. an die Stelle der „Begierde den Mond zu greifen“, an etwas haften zu bleiben.

Was bleibt, ist die emotionslose sublimierte „Emotion“ zivilisierter Gelassenheit: Einsicht statt Ignoranz, Objektivität statt Aggression und Leidenschaft, Gleichmut statt Stolz, Eifersucht und Geiz. Eine Einstellung, die auf der Einsicht des auf seiner Couch sitzenden Zuschauers beruht, daß sich alles unentwegt verändert. „Was auch immer geschieht“, erläutert die Theravada-Nonne Ayya Khema, „es wird zu einem Ende kommen. Was auch immer sein mag – es hat keinerlei Bedeutung. (...) Im ganzen Universum gibt es absolut nichts, das wirklich bedeutend ist, außer der Befreiung“ (Ayya Khema 1998, S. 59f) – vom Universum. Das wird den Kindern eingebleut, die „den Mond“ greifen wollen!

Mit der existentiellen Erfahrung, daß es sich nicht lohnt, aus dem Kern heraus zu leben, d.h. Begierden und Sehnsüchte zu haben und daß das Ich („Ich will!“) eine bloße Illusion ist, verschwindet das Leiden automatisch. Oder wie Lama Ole Nydahl sagt: „Die Einsicht, daß es kein wahres 'Selbst' gibt, entfernt sofort jedes eigene Leid.“ Wortgleich ein angehender Zen-Priester zu Wetering: „Es gibt kein Leiden, weil nur das Ich leidet; wenn das Ich verschwindet, verschwindet auch das Leiden.“ Alles ist kernlos und leer. Der junge Zyniker, der sich auf seine Priester-Anstellung und den damit verbundenen bescheidenen Wohlstand freut, sagt weiter:

Begreifst du immer noch nicht? daß alles leer ist? daß es nichts mit sich herumzutragen gibt? daß wir nur unser Nicht-Ich genießen müssen? Ich werde ein leeres Auto fahren und leeres Sushi essen, wenn meine Ausbildung hier abgeschlossen ist. Vielleicht lerne ich ein paar leere Frauen kennen (Wetering 2001, S. 89).

Praktizierende wie unser junger Zen-Mönch überwinden das Leiden, indem sie sich zur Teilnahmslosigkeit konditionieren: nichts regt mehr an, nichts regt mehr auf, es gibt keine Erregung mehr, „alles ist leer“. Zum Beispiel konzentriert er sich während der Meditation auf die Schmerzen, die durch die unbequeme Sitzhaltung unvermeidlich auftreten, bis er das Gefühl dafür verliert, daß es seine Schmerzen sind. Sie werden zu einem objektiven aus diversen Teilempfindungen zusammengesetzten Phänomen, mit dem sich zu identifizieren nur weiteres Leiden mit sich bringen würde. Ziel der Meditationspraxis ist es, sich langsam aber sicher zu einem Zustand dauerhafter „Nicht-Identifikation“ zu konditionieren. Eine gefühlsmäßige Distanz, die buddhistische Mönche damit beschreiben, daß alles weiter entfernt ist und deshalb für sie durchschaubar wird.

 

 

 

3. Gefühllose Täter

a. Mitgefühl und Weisheit

Welche Abgründe sich hinter der gegenwärtigen Buddhismus-Begeisterung auftun, zeigt ein Artikel über den New Yorker Zen-Meister und Begründer des Zen Peacemaker Ordens, Roshi Glassman in einer Esoterik-Zeitschrift. Er habe zusammen mit 150 Christen, Juden, Buddhisten und Moslems einige Tage und Nächte gemeinsam in Auschwitz verbracht, um zu beten, zu meditieren und dergestalt, wie Glassman es nennt, „Zeugnis abzulegen“. Für ihn bedeute das, „mit etwas in Beziehung zu treten und keinen Aspekt auszulassen. Auch die Täter anzuschauen und sie als das zu betrachten, was sie nach Glassmans Verständnis der Wahrheit sind, wenn alle Täuschungen von uns abfallen: Menschen, die zu dem einen großen Ganzen dazugehören.“ Und dann wird aus seinem Buch Das Herz der Vollendung zitiert, in dem Glassman auf die Täuschungen eingeht, denen wir unterliegen: „Da 'vollkommen' weder gut noch böse bedeutet“, schreibt Glassman, „sondern einfach nur das, was ist, wie es ist, muß selbst der Mord an einem Kind in diesem Sinne vollkommen genannt werden. Er ist einfach nur das, was er ist“ (Pauls 2003).

Wie ist Glassmans zur Schau getragenes friedensbewegtes Mitgefühl (karuna) mit seiner offensichtlichen emotionalen Kälte vereinbar, in der die Mitglieder der SS-Totenkopfverbände eins werden mit den in Blausäure-Schwaden erstickten Kindern, Frauen und Männern? Der hohe Zen-Meister Shaku Soen (1859-1919) erklärt das Verhältnis von Karuna und Weisheit (prajna) damit, daß ersteres uns zur Welt der Besonderheiten führt, letzteres zum Reich des Absoluten, in dem alle Unterschiede aufgehoben sind. Während es in dieser Welt der Besonderheiten das Edelste und Größte sei, ethisch zu handeln, ist aus der Perspektive der Ewigkeit alles eins, alles befindet sich auf der gleichen Ebene: Freund und Feind, Tragödie und Komödie, Leidenschaft und Erleuchtung, etc. (Victoria 1999, S. 51). Das heißt, und diese Dialektik ist wirklich entscheidend, um die Welt des Zen und des Lamaismus verstehen zu können: die buddhistischen Gurus („Roshis“ und Lamas) sind dann weltlich, wenn sie konstruktiv-priesterlich auftreten, sie überwinden die Welt, wenn sie destruktive Nihilisten, Hurenböcke, Alkoholiker und faschistische Mörder sind!

Karuna und Prajna gründen in der einen Erkenntnis, daß es, so Zen-Meister Soen, nur einen großen Geist gibt, „und wir Individuen sind seine zeitweiligen Manifestationen. Wir sind ewig, wenn wir dem Willen des großen Geistes folgen. Wir sind verdammt, wenn wir uns in unserem Egoismus und unserer Ignoranz gegen ihn auflehnen“ (Victoria 1999, S. 52). Genau diesen spirituellen Gedanken symbolisierte das Totenkopfsymbol, das die SS-Wachmannschaften von Auschwitz trugen: die Opferung des eigenen Ich für „die Idee“! (Trimondi, Trimondi 2002).

 

 

b. Karma

Hinzu kommt, daß aus buddhistischer Sicht in Auschwitz, wie überall sonst, das eherne Gesetz von Ursache und Wirkung zum Ausdruck kam. Sowohl die Juden als auch die Totenkopfverbände trugen jeweils ihr Karma ab: die einen ihr schlechtes, die anderen ihr gutes. Ob die SS-Männer, die als Frucht vorbildlicher früherer Leben von der Front freigestellt wurden und in Auschwitz ein herrliches Leben mit jeder Menge persönlicher Sklaven lebten, nun ihrerseits schlechtes Karma auf sich luden, ist, was Buddhisten bei derartigen Diskussionen stets unterschlagen, aus buddhistischer Sicht fraglich.

Aber betrachten wir zunächst die Opfer des ewigen Weltgesetzes (dharma) – die aus buddhistischer Sicht letztendlich Opfer ihrer selbst sind: Wie in Nazi-Deutschland gilt auch in buddhistischen Ländern das „Jedem das seine!“. Oder wie die Theravada-Nonne Ayya Khema sagt:

Wir bekommen genau das, was wir verdienen. Das ist weder zufällig so, noch ist es chaotisch. Es gibt keinen Grund zu denken, daß im Universum das Chaos herrscht. Sonne, Mond und Sterne, alles handelt nach einem Muster – sogar dieser kleine Globus, auf dem wir leben. Genauso verhält es sich mit unserem Karma (Ayya Khema 1998, S. 103).

Ayya Khema bietet hier die „kosmische“ Fundierung der rabenschwärzesten, oder vielmehr der kackbraunsten, Reaktion!

Körperbehinderte werden angespuckt, tragen sie doch das Kainsmal ihrer Schlechtigkeit vergangener Leben am Leibe.(3) Das gleiche gilt für Frauen, – die wegen ihres schlechten Karma Frauen sind und keine Männer (Goldner 1999, S. 75). In einer Zen-Predigt werden die „Zehn Schicksale, die der Buddha lehrte“, wie folgt verkündet:

Eine kurze Lebenszeit aufgrund des Schlachtens von Tieren. Hässlichkeit und Krankheit aufgrund ritueller Unreinheiten. Armut und Verzweiflung aufgrund habgieriger Gedanken. Verkrüppelung und Blindheit infolge des Übertretens der buddhistischen Verhaltensvorschriften (Victoria 1999, S. 310).

Die „fünf Fesseln“, die eine niedere Wiedergeburt bedingen, sind dem Pali-Kanon zufolge:

Der Glaube an die Persönlichkeit als das Ich, Zweifel, das Hängen am Ritualismus, sinnliche Lust, Übelwollen. (...) Und welches sind die fünf zu höherer Wiedergeburt führenden Fesseln? Das Verlangen nach Dasein in der Formwelt, das Verlangen nach Dasein in der Nichtformwelt, Dünkel, innere Unruhe, Nichtwissen (Mensching 2001, S.122).

Sinnliche Lust und Zweifel leiten einen ins Untermenschentum, „geistiges“ Streben und Hochmütigkeit verstricken zwar ebenfalls ins Dasein, versetzen einen aber immerhin an die Spitze der Pyramide.

Nicht nur Individuen, sondern auch ganze Gruppen wurden aus dieser Warte betrachtet. Zu den „Unberührbaren“ Tibets gehörten die Bettler, Prostituierten, Musiker, Fischer und Schmiede. In Japan waren alle Parias, d.h. „Ausgestoßene“ (burakumin), die „unreine“ Berufe ausübten: Metzger, Kürschner, Abfallsammler, etc. Diese Kollektivbestrafung, die auch alle Nachkommen einschließt, macht aus buddhistischer Sicht allein schon deshalb Sinn, da wir, wie Ayya Khema, sagt, „uns den Platz, wo wir geboren werden, im Prinzip selbst aussuchen.“

Es ist absurd, unsere Eltern für irgendetwas verantwortlich zu machen, wir haben sie uns selbst ausgesucht. Sie haben uns dann bekommen und haben sich um uns kümmern müssen. Der Geist sucht sich eine Ebene, die zu ihm paßt. (...) Bei hochentwickelten Menschen ist das schwieriger, weil für sie nicht so viele Möglichkeiten vorhanden sind, in der menschlichen Sphäre wiedergeboren zu werden. Bei nicht so hoch entwickelten Menschen kann das Wiedergeburtsbewußtsein beinahe sofort einen Platz finden, der zu ihm paßt (Ayya Khema 1997, S. 52f).

Beim dänischen Lama Ole Nydahl, demzufolge Buddha weiß und blauäugig war (Trimondi, Trimondi 1999, S. 669), finden sich Sätze wie: „In unseren westlichen Ländern mit so viel Begabung und gutem Karma....“ (Nydahl 1994, S. 50), was nichts anderes besagt, als daß Weltgegenden wie Afrika unter „schlechtem Karma“ leiden. In Afrika reinkarnieren demnach nur schlechte, sozusagen „schwarze“ Seelen! „Jedem das seine!“ Mit derselben Ideologie wurde einst die Eroberung Ceylons und wird heute der rassistische Krieg gegen die Tamilen gerechtfertigt. In den Nationalepen der Singhalesen wird beschrieben, wie Buddha höchstpersönlich die „tierartigen“ Ureinwohner Ceylons, die Yakkhas, vertrieb und die Insel zu einem „arischen“ Vorposten „mit gutem Karma“ machte.

Das bringt uns zurück zum Karma der arischen Herrenmenschen in Auschwitz: Für Buddhisten sind nicht etwa Handlungen per se gut oder schlecht, sondern nur ihre Motivation. Jede ich-behaftete, d.h. aus einem inneren Gefühl heraus erfolgende Handlung ist schlecht, während jede vom Ich freie, d.h. buchstäblich seelenlose, Handlung gut ist. Ich verweise nochmals auf die Totenkopf-Symbolik auf den Mützen der SS, die für die Überwindung des eigenen Ichs stand. Nur wenn man den Buddhismus nicht kennt, wird man es als absurd empfinden, das Bodhisattva-Ideal mit der SS in Verbindung zu bringen. Es kann auch von einem KZ-Aufseher erfüllt werden, der für das zukünftige Heil der Welt arbeitet und dafür sein Ich überwindet. Demgemäß sprach der bekennende Buddhist Himmler von unvermeidlichen „menschlichen Schwächen“. Kern dieser Schwäche ist die Ich-Zentriertheit. Gibt man das Ich auf, bietet sich keine Angriffsfläche mehr für das Karma. Oder mit anderen Worten: handle herzlos und die Handlung wird dich nicht heimholen. Das Karma durchfließt dich folgenlos, wie das Licht einen Diamanten.

Diese Kaltherzigkeit zeigt sich auch dort, wo dieser vergeistigte Karma-Begriff nicht zum tragen kommt und man lieber auf Nummer Sicher geht. Beispielsweise werden im buddhistischen Indochina gefangene Fische nicht erschlagen, denn das würde schlechtes Karma für den Fischer nach sich ziehen, sondern man läßt sie elendlich an der Luft ersticken. In Tibet ging man so mit Menschen um: Todeskandidaten wurden bis an den Rand des Todes gefoltert und dann sich selbst überlassen. Tibetische Buddhisten konnten wegen des Klimas unmöglich als Vegetarier leben, so ließ man die Tiere von Moslems schlachten – und bürdete den moslemischen Schlachtern zusätzliches schlechtes Karma auf, das ihnen Millionen Jahre an Höllenqualen garantiert. Ohnehin sind die ärmeren Schichten durch die Zwänge ihres Lebenskampfes gezwungen, schlechtes Karma anzuhäufen – das ihre zukünftige soziale Stellung determiniert.

 

 

 

4. Seelenmörder

a. Zen

Wenn der Buddhist das Gefühl hat, daß etwas mit ihm nicht stimmt, ist das für ihn nicht etwa Anlaß, sich mit seinem repressiven Über(wachungs)-Ich auseinanderzusetzen, sondern ganz im Gegenteil: das Ich hinterfragt seine eigene Existenz! Auf diese Weise wird die Überwindung des Über-Ich (die Auflösung der Panzerung) durch die sadomasochistische Frage nach der Substanzhaftigkeit oder -losigkeit des Ich (Atman oder Anatman) systematisch hintertrieben. So sollen etwa die rasenden, schreckenerregenden, über alle Maßen blutrünstigen Gottheiten, die den lamaistischen Pantheon zu einem Schreckenskabinett machen, das Ich in Angst und Schrecken versetzen und, als Anregung zur Meditation, symbolisch massakrieren.

Paradebeispiele für diese extrem reaktionäre, jeder Selbststeuerung hohnsprechende Haltung sind die japanischen Zen-Schüler. Der Samurai gibt aus der Erkenntnis der eigenen Nichtigkeit sein Leben bereitwillig der Sache seines Lehnsherrn, der Götter oder der Nation hin. Oder wie der Zen-Meister Nantembo (1839-1925) sagt: „Abgesehen von Loyalität und Pflicht gibt es kein Leben und keinen Tod!“ (Victoria 1999, S. 63).

Von jeher ist das Zen-Kloster eine einzige große Verkörperung von Gehorsam und Konformität. Von einem neuen Schüler wird erwartet, daß er sich stunden-, wenn nicht sogar tagelang vor dem Eingangstor des Klosters auf den Boden niederwirft und sich selbst erniedrigt: er sei vollkommen unwissend, ein unbeschriebenes Blatt, auf das seine Vorgesetzten schreiben können, was immer ihnen beliebt. In der Rangordnung steht er ganz unten und ist der Willkür aller über ihm stehenden ausgesetzt. Ältere Mönche erscheinen ihm als höhere Wesen. Ihm wird eingebleut, daß alle Mitglieder des Klosters als Einheit handeln. Alles wird von allen gemeinsam gemacht: meditiert, gegessen, gearbeitet, geschlafen, als handelte es sich um einen großen Körper. „Ein davon abweichendes Verhalten wird 'eigenwilliges Handeln' genannt und als das absolute Gegenteil des Zen-Lebens verurteilt“ (Victoria 1999, S. 255-257).

Diese SS-Kaserne ist nicht etwa Ausfluß martialischer japanischer Sitten, denen der „sanfte“ Buddhismus zum Opfer gefallen ist (historisch war es wohl eher umgekehrt), vielmehr ist es direkt auf die Anatman-Philosophie zurückzuführen. Buddha selbst stammte aus der Kriegerkaste und das Soldatische an seiner Lehre, insbesondere aber an seiner Mönchsorganisation, ist unverkennbar: die Tugenden eines Soldaten sind buddhistische Tugenden – und umgekehrt. Symbol ist das alle Individualität einebnende Kahlscheren des Schädels – ganz wie in allen Armeen der Welt. Diese Qualitäten eines willenlosen Roboters sind der Grund, warum der Zen-Buddhismus so perfekt mit dem japanischen Faschismus harmoniert hat und heute japanische Konzerne ihre Angestellten in Zen-Kurse delegieren („Unternehmens-Zen“).

Das systematische Austreiben eigenständiger, „ich-hafter“ Gedanken erfolgt im Zen beispielsweise durch Koans (rational nicht lösbare Rätselworte), mit denen der Zen-Meister versucht, das kritische Denken des Adepten zu durchbrechen und sein Ich zu zerbrechen. Diese Rätselworte müssen nach der Meditation mit dem Meister diskutiert werden. Sobald der Mönch in dieser Auseinandersetzung „zu etwas 'ja' sagt, bestreitet der Lehrer dessen Existenz, wenn der Mönch 'nein' sagt, bestätigt der Lehrer die Existenz.“

Der Mönch kann nicht gewinnen, und er soll auch nicht gewinnen. Ein guter Mönch ist ein vollkommener Verlierer. Die ganze buddhistische Disziplin zielt darauf ab, den Fragenden wirklich erkennen zu lassen, daß er solange er an etwas festhält, sei es Positives oder Negatives, leiden wird. Nur die Auslöschung des Ichs gipfelt in einem Zustand der Erleuchtung (Wetering 2001, S. 133).

 

 

b. Yoga

Erleuchtetsein bedeutet, eine leere Hülle zu sein: wo Ich war, soll Über-Ich sein! Das wird im Lamaismus besonders deutlich, der durch „Guru Yoga“ (die Identifikation bis zur Selbstaufgabe mit dem „geistigen Vater“, dem Lama) und die Besessenheit mit allen möglichen Götzen geprägt ist. Die eigene Seele wird diversen Buddhas, Herukas, Bodhisattvas, Gottheiten, Dämonen (Dharmapals) und den Repräsentanten der einzelnen Guru-Linien geopfert. Victor und Victoria Trimondi schreiben dazu, daß sich der Eindruck aufdrängt, man habe es mit einem „exklusiven Club“ überirdischer Wesenheiten zu tun, die immer wieder menschliche Körper besetzen. Es ginge also gar nicht um die Erleuchtung von Individuen, wie die naiven Westler glauben, sondern einzig und allein um die Fortexistenz einer Priesterkaste, die nicht zu sterben braucht, weil ihr Bewußtsein immer wieder in den Körpern ihrer Anhänger inkarnieren kann. Diese Kaste und ihre Gottheiten fordern absoluten Gehorsam (Trimondi, Trimondi 1999, S. 777f).

Man schaue sich nur an, wie der Bodhisattva Avalokitheshvara (d.i. der Dalai Lama) in Tibet gewütet hat: es war die Hölle auf Erden mit Leibeigenschaft und unmenschlichen Strafen wie Hände abhacken, Augen ausstechen, Ohren und Nase abschneiden, bei lebendigem Leib die Haut abziehen, etc. Die karmisch belasteten Massen mußten in einem unvorstellbaren Dreck und Elend hausen und den fleischgewordenen geistigen Hierarchien dienen – deren einzige Tätigkeit darin bestand, rumzusitzen und Mitgefühl zu verströmen. Heute mißbraucht diese Bruderschaft aus pestilenten Charakteren, d.h. Vertretern dessen, was Reich als „emotionelle Pest“ bezeichnet hat (Reich 1949b), das Schicksal des tibetischen Volkes für propagandistische Zwecke, um sich im Westen festzusetzen. (Die Tibeter sind die „Palästinenser“ der Buddhisten.)

„Pestilenter Charakter“ und „emotionelle Pest“ sind keine Übertreibungen! Auf eine ältere Version dieses Aufsatzes hin schrieb mir ein Leser, er hätte den Lamaismus hinter sich gelassen, als ihm klar geworden sei, daß von den Lamas eine alles überschattende „Finsternis“ ausging. Ihm sei von ihrer Seite eine Menge offener Verachtung entgegengebracht worden, insbesondere wenn er aufrichtige menschliche Wärme und Zuneigung zeigte. Auch wäre Mind Control mit post-hypnotischen Suggestionen eingesetzt worden. Er war Zeuge einiger Zuschaustellungen von Telepathie, aber auch ordinärer Taschenspielertricks, die darauf abzielten, ihn zu beeindrucken und in die Unterwerfung zu treiben. Je länger er bei dem Kult blieb, desto offener wurde der Mißbrauch durch die führenden Mitglieder und es wurde immer deutlicher, wie mit Einschüchterung und Furcht gearbeitet wurde.

Natürlich ist diese „pestilente“ Ausbeuterkaste auch selbst Opfer des buddhistischen Wahnsystems. Tulkus, also Kinder (mittlerweile auch westliche Kinder) in denen sich hohe Lamas nach ihrem Tode reinkarniert haben, werden aus ihren Familien gerissen und von frühster Kindheit an ihre Persönlichkeit gebrochen, auf daß sie willige Behälter für (das) „höhere Wesen“ werden, „Emanationskörper eines Bodhisattva“. Wie der VII. Dalai Lama sagte:

Wohin immer du gehst, was immer du tust, sieh dich selbst in der Form einer tantrischen Gottheit, mit einem Phantomkörper, der manifest ist, aber doch leer.

 

 

c. Drill

Auch daß normale Kinder als Mönche aufwachsen, ist ein an Widerwärtigkeit kaum zu überbietender Skandal. Janwillem van de Wetering läßt eine solche traurige Gestalt zu Wort kommen, die als kleiner Junge in den Potala-Palast des Dalai Lama kam, wo sie gezwungen wurde, sich der harten Meditations- und Arbeitsschulung zu unterwerfen:

Polizeimönche schlagen mich. Jeder, der größer, schlägt mich. Ich mich vor jedem verbeugen, der größer als ich. Dann ich endlich erhalte Mönchsrang, Trappa, ja? Jetzt die kleinen Burschen verbeugen sich vor mir, tragen Sachen für mich, ich schlage sie ein bißchen. Ich habe Zimmer, Bett, Stuhl, Radio mit Batterie, Zimmerservice, reichlich Tee und Butter und leckeres Essen. Esse momos (Klöße) zweimal die Woche. Auf weißem Reis. Dann große chinesische Burschen kommen mit Rat-tat-tat-Gewehren. Fangen an, mich wieder zu schlagen (Wetering 2001, S. 157f).

Buddhas eigener Sohn Rahula trat bereits als Siebenjähriger dem Sangha bei. Für Buddhisten ist ein solches kleines Kind nicht etwa gesund, so daß seine Autonomie (Ganzheit) vor den negativen („zerstückelnden“) Einflüssen der Gesellschaft geschützt werden muss. Nein, ganz im Gegenteil: es wird krank geboren und bedarf des Dharma (Buddhas Lehre) als Heilmittel. Es ist von Grund auf gierig und böse und muß durch Prügel geläutert werden. Die bereits mehrfach erwähnte Theravada-Nonne Ayya Khema schreibt:

Man kann Gier und Haß bereits beim Neugeborenen deutlich erkennen. Es schreit, um zu bekommen, was es haben will, und schreit, um loszuwerden, was es nicht haben will. Die meisten Menschen schreien immer weiter, nur nicht ganz so laut. Sie wollen haben, was sie glauben zu brauchen, und wollen loswerden, was ihnen lästig erscheint (Ayya Khema 1997, S. 17).

Das ist nichts weiter als eine Variation zum „Das werde ich Dir schon austreiben!“ Ein exil-tibetischer Abt betont, gerade bei Kindern, die „negatives Karma aus dem früheren Leben“ mitbrächten, sei Strenge unabdingbar:

Da muß man vielleicht hart sein, schimpfen, und manchmal muß man sie sogar verhauen. Da geht es nicht anders als Zorn zu zeigen (Goldner 1999, S. 80).

In den tibetischen Klosterschulen waren drakonische Strafen, vor allem mit Stock und Peitsche, Bestandteil der Erziehung. In dieser Hinsicht entsprachen sie Koran-Schulen, einschließlich dem „Lehrinhalt“: das jahrelange Rezitieren und Auswendiglernen von heiligen Texten, die der Schüler nicht verstand und die teilweise sogar in einer ihm fremden Sprache geschrieben waren! Kaum anders als ein Mullah hält auch der Dalai Lama Prügel und sonstige körperliche Strafen für angemessen. Vorausgesetzt der Schüler werde „aus Liebe“ geschlagen (Goldner 1999, S. 80).

Allgemein zur Kindererziehung führt seine Heiligkeit aus:

Liebevolle Eltern, die ihren Kindern gegenüber eine tiefe Sympathie empfinden, werden vielleicht zu harten Worten oder einer körperlichen Strafe greifen, um ihren Kindern ein Fehlverhalten abzugewöhnen und mögen deshalb vielleicht oberflächlich erscheinen und den Eindruck erwecken, daß sie dem Kind Schaden zufügen, wenn sie es schlagen, aber in Wirklichkeit helfen sie ihm dadurch (Goldner 1999, S. 185).

So ist wohl auch der Satz des bereits erwähnten Zen-Meisters Nantembo zu verstehen, daß es keine Bodhisattva-Übung gäbe, „die dem mitfühlenden Töten gleichkomme“ (Victoria 1999, S. 64).

Neben das stupide Rezitieren und Auswendiglernen der Sutras (schon das bloße Hören der Silben zeitigt magische Wirkungen) und dem ständigen Wiederholen von Anrufungen und Formeln (gängig ist 100 000 mal!) tritt der Ritus. Der buddhistische Pfad ist gesäumt von einer endlosen Kette von Gebots- und Verbotsschildern. Sich nicht nach ihnen (d.h. dem Über[wachungs]-Ich) zu richten, ist gleichbedeutend mit dem Verhaftetsein am Ich. Äußerste Konzentration und „Achtsamkeit“ ist angezeigt. Jede Handlung, jede Körperhaltung hat ungeahnte Konsequenzen. Martin Kamphuis wurde von seinem Lama eindringlich ermahnt:

Wenn wir zum Beispiel beim Niederbeugen zu lange auf dem Boden liegen blieben, dann würde das zur Folge haben, daß wir auch im Staub des Leidens bleiben würden. Wenn wir unsere Finger beim Beten krümmten, könnten wir im nächsten Leben ein Vogel oder ein Tier mit gekrümmten Krallen werden. So mußten die verschiedenen Übungen und Zeremonien exakt nach Vorschrift ausgeführt werden, sonst würden sie statt positivem zwingend negatives Karma schaffen (Kamphuis 2000, S. 201).

Wenn das so ist, sind die Prügel für unachtsame (also in jeder Hinsicht „unbuddhistische“) Kinder wohl tatsächlich „liebevoll“ gemeint...

 

 

 

5. Die Früchte der Entfremdung

a. Die zerstörte Mutter, das zerstörte Kind

Buddhas Mutter Maya starb sieben Tage nach seiner Geburt. Die „Mutter“ eines „selbstgeborenen“ Wesens ist durch die Geburt geheiligt.

Ihr baldiger Tod garantierte, daß das „Gefäß“, das dem Buddha den Eintritt in die Welt ermöglicht hatte, nicht mehr durch sexuellen Verkehr verunreinigt werden konnte. Diese mythologische Vorstellung ist in Tibet erhalten geblieben, und von tibetischen Laien wird häufig als Beweis für die besondere Heiligkeit eines bestimmten Lamas angeführt, daß dessen Mutter unmittelbar nach seiner Geburt gestorben sei (Campbell 1997, S. 141).

Ob Mayas Tod nun historisch ist oder einfach für das Ende steht, das die mythische Figur „Buddha“ für Maya bedeutet, kommt letztendlich auf das gleiche hinaus, denn „Maya“ ist ohnehin kein üblicher Eigenname, sondern steht für die, natürlich weiblich vorgestellte, „Zauberillusion“; für die naturgegebene Verblendung, in die wir alle verstrickt sind. Buddha zerreißt das Gespinst dieser Verblendung und bringt Mutter Natur den Tod.

Seinen damit einhergehenden Zustand der vollkommenen Entfremdung, brachte ein solcher Bodhisattva, der bereits zitierte „selbstgeborene“ Tulku Chögyam Trungpa in einem Gedicht mit dem Titel „Namenloses Kind“ zum Ausdruck:

Plötzlich tritt ein leuchtendes Kind ohne Namen in Erscheinung. (...) Weil er keinen Vater hat, hat er keine Familienlinie. Er hat nie Milch gekostet, weil er keine Mutter hat. Er hat keine Spielgefährten, weil er keinen Bruder hat und keine Schwester hat. Da er kein Haus hat, in dem er leben kann, hat er keine Wiege. Weil er kein Kindermädchen hat, hat er nie geweint. (...) Da es keinen Bezugspunkt gibt, hat er nie ein Ich gefunden (Campbell 1997, S. 147).

Trungpa, ein enger Freund des Dalai Lama, endete als alkoholkranker und geistesgestörter „heiliger Narr“. Ein Opfer der kontaktlosen und lebensfeindlichen buddhistischen Erziehungsmethoden. Produkt einer Erziehung, die den Kindern buchstäblich die Luft zum Atmen nimmt. Sie werden in ein Vakuum ohne jeden menschlichen Kontakt versetzt.

Die „Täuschungen der Sinnenwelt“ werden durch eine ausufernde Phantastik ersetzt. Selbst im angeblich so „nüchternen“ Pali-Kanon des Theravada-Buddhismus breitet sich Buddhas Leben innerhalb komplizierter Götter- und Dämonen-Hierarchien aus: Catummahaharajika-Götter, Götter in Indras Paradies, Yama-Götter, Tusita-Götter, Nimmanarati-Götter, Paranimmitavasavatti-Götter, usw., neben diesen Devas noch andere Wesenheiten wie etwa die Gandharva, das sind die Sänger und Musiker der Götter, die Yaksha, die durch ihren Lärm die Meditation der Mönche und Nonnen stören, der Teufel Mara, die Asura-Dämonen und die Preta („Hungergeister“), dazu kommen noch diverse Höllenwesen. Neben allen möglichen Himmeln und Höllen gibt es eine Götterburg im kühlen Norden und eine Dämonenburg im schwülen Süden – und ähnliche „theosophische“ Phantastereien. Selbst die für den Lamaismus (mantrayana) so charakteristischen Zaubersprüche (mantras) finden sich im Pali-Kanon, die Paritta.

Buddhas Pfad der Erleuchtung war im Grunde nichts anderes als ein magischer Kampf gegen Dämonen (die personifizierten „bösen Triebe“!), wie er in den tibetischen Mysterienspielen so schön plastisch und bunt aufgeführt wird. Ist man selbstlos, wird man von den Devas beschützt. Ist man eigensüchtig, wird man von Dämonen bedrängt. Entsprechend werden in tibetischen Klöstern Kindermönche in Kammern voller grauenerregender Utensilien und Dämonenfratzen gesperrt, um so ihr renitentes, noch eigensinniges Ich geradezu aus dem Leib herauszuängstigen. (Das ist durchaus dem Schicksal von Kindern in satanistischen Sekten vergleichbar. Jedenfalls ist das Resultat identisch: ich-lose, „multiple“ Persönlichkeiten.)

 

 

b. Der zerstörte Körper, die zerstörte Welt

„Erwachte“ Buddhisten leben nicht in der realen Welt, wie wir, die wir „verblendet“, d.h. nicht „entgrenzt“ sind, sondern in Sphären, wo es um das okkulte Hantieren mit „übernatürlichen Energiefeldern“ geht. Wir haben es beim Buddhismus mit einer Lehre zu tun, in der es keinen Unterschied zwischen Subjekt und Objekt gibt, unterschiedliche Seinsweisen nichts anderes sind als unterschiedliche Wahrnehmungsweisen, dergestalt der Geist (das „Überwachungs-Ich“) nach den Gesetzen des Karma den Körper und dessen Schicksal formt und damit letztendlich das ganze Universum erschafft: „Frühere Taten, Worte und Gedanken wurden zu unserer heutigen Welt, und wir säen ständig die Samen für unsere Zukunft“ (Nydahl 1994, S. 75).

Alles, was uns wesenhaft erscheint, löst sich in der buddhistischen Meditation auf, während umgekehrt rein subjektive (bzw. nicht „subjekt“-ive, sondern von der Kultur eingebleute) Vorstellungen den Charakter objektiver Realität gewinnen. In dieser Auffassung ist der Geist so real wie der Raum der materiellen Welt – er ist der Raum, während umgekehrt die materielle Welt nichts als ein Traum ist. Die unendlichen Weiten des Makrokosmos werden identisch mit dem eigenen Geist. Manipulationen am eigenen „Energiekörper“ haben Auswirkungen auf das gesamte Universum.

Die eigene Körpermitte ist der Berg Meru, der sich im Zentrum der Welt erhebt. Das Energiesystem des Körpers wird durch fünf Chakren geprägt, denen die fünf Elemente, die fünf Sinne und die fünf „Meditations-Buddhas“ entsprechen: angefangen beim drei oder vier Fingerbreit unterhalb des Bauchnabels liegenden „erdigen Chakra“ (gelb), das die Japaner Hara nennen, gefolgt vom „wässrigen“ Bauchzentrum (blau) und dem „feurigen“ Herzzentrum (rot), dem Mittelpunkt der Person und Sitz der Lebenskraft; es schließt sich das „luftige“ Kehlkopfzentrum an (grün) und schließlich endet der Wahn im „ätherischen Hirnzentrum“ (weiß), wo das männliche Sperma (der „Erleuchtungsgeist“) in einer Schale ruht. Hinzu kommen 72 000 Energiekanäle (nadi), die den Körper durchziehen und in denen diverse „alchimistische Essenzen“ fließen. Zusammen bildet das ein dreidimensionales Mandala, d.h. einen Tempel, bzw. eine Stupa, die eine kleine Ausgabe des Universums ist, bzw. die das Universum ist.

Das alles entspricht natürlich in keinster Weise der äußeren oder inneren Realität, sondern dem mühsam antrainierten buddhistischen Wahnsystem. Ohnehin wäre ein realitätsgerechtes Weltbild, das den wahren physikalischen, physiologischen und bioenergetischen Verhältnissen gerecht würde, widersinnig, denn es geht dem Buddhismus nicht um Verankerung in der Natur, sondern um die komplette Entfremdung von ihr, um Befreiung. Entsprechend beansprucht das buddhistische Wahnsystem die „wahre Wirklichkeit“ zu sein: da der Kosmos eine Erscheinungsform des Geistes sei, könne die Menschheit den Meru-Berg erst dann in der Mitte ihres Universums wahrnehmen, wenn jeder einzelne Mensch das buddhistische Paradigma übernommen hat. Heute hätten diese Fähigkeit erst wenige Erleuchtete (Trimondi, Trimondi 1999, S. 242).

Der Buddhismus kennt verschiedene Stufen des Seins bzw., was für Buddhisten ein und dasselbe ist, des Bewußtseins. Es gilt diese Stufenleiter zu erklimmen, indem mit Hilfe der Achtsamkeit (smriti) auf jeder Stufe erkannt wird, daß man, angefangen beim Körper, nicht das ist, was man irrigerweise annimmt zu sein, „Nicht-Ich“ (anatman). Von der jeweiligen höheren Stufe aus gesehen, ist die niedere Stufe wesenlos, bis schließlich auf der höchsten Stufe das gesamte Sein/Bewußtsein als wesenlos erkannt wird und man dergestalt ins Nirvana eingeht.

Der Kampf gegen die Dämonen, d.h. die Triebe, letztendlich gegen die Genitalität, führt vom dämonischen Süden in den himmlischen Norden, vom Genital zum Kopf – und von dort ins Nichts. Dank der Imagination, magischen Evokation und schließlichen sadistischen Opferung von Dämonen, Göttern und Buddhas, die die Wirkmächte des Universums verkörpern, ist diese Auflösung gleichbedeutend mit der Auslöschung des gesamten Universums. Entsprechend sind auch all die farbenprächtigen „schamanistischen“ Rituale, etwa das vom Dalai Lama durchgeführte Kalachakra-Ritual, nichts anderes als Weltvernichtungszeremonien. Das wird allein schon in der rituellen Zerstörung des Sand-Mandalas evident. Diese Verkörperung des eigenen Körpers und des gesamten Universums wird mit dem „Donnerkeil“ (vajra) vernichtet. Das Über(wachungs)-Ich schreitet zur Endlösung gegen die Triebe.

 

 

 

6. Lebensfeindlichkeit

a. Der Weg ins Nirvana

Wir alle kennen den leisen Spott und das Mitleid (sublimierte Verachtung), den Menschen, die wissen, daß sie „Geist“ sind, für jene empfinden, die bloße Menschentiere sind. Ein Buddhist ist jemand, bei dem diese „vergeistigte“ Hochnäsigkeit Stufe um Stufe höhergeschraubt wird. Wie Wilhelm Reich in seinem 1949 erschienen Buch Äther, Gott und Teufel gezeigt hat, geht dieses „Nur kein Tier sein!“ einher mit einer extrem unfunktionellen, mechano-mystischen und gleichzeitig autoritären Weltsicht (Reich 1949a, S. 123-125). So verglich Buddha den Menschen mit einem Karren, der aus Deichsel, Rädern, Speichen, Achse, Bremse, Boden und Seiten besteht. „Vor allem gibt es aber“, führt Ayya Khema die Gedanken ihres Meisters weiter aus, „Geist und Körper, wobei der Körper der Angestellte und der Geist der Chef ist. (...) Bei der Geh-Meditation zum Beispiel ist es besonders gut möglich, diese Zweiteilung in sich zu erkennen: daß der Geist die Aufträge gibt und der Körper sie dann ausführt. (...) Sogar beim gewöhnlichen Gehen können wir bemerken und beobachten, daß der Körper dem Geist gehorcht“ (Ayya Khema 1997, S. 53f). Ins Bild paßt die Faszination, die man in allen buddhistischen Kulturen (z.B. in Thailand und Japan) für das Marionettenhafte, das Mechanische und die Robotik hegt. Der Dalai Lama spekuliert, der Geist könne sich eines Tages vielleicht in einem entsprechend leistungsfähigen Computer inkarnieren (Trimondi, Trimondi 1999, S. 766).

Es ist die Achtsamkeit, die uns zur Erkenntnis verhilft, daß der Körper keine Einheit ist, sondern ein unappetitliches Sammelsurium von Einzelelementen und Antrieben, sich aber vor allem aus Körper und Geist zusammensetzt. „Achtsamkeit“ bedeutet also nicht etwa, das Ganze aufmerksam zu erfassen, sondern im Gegenteil: sich „in acht“ zu nehmen, d.h. nicht den Gefühlen nachzugeben, die uns eine Einheit und Ganzheit nur vorspiegeln.

Ayya Khema berichtet von folgender Geschichte aus der Zeit Buddhas: ein Ehemann sucht seine wunderschöne Frau, die mit einem roten Sari und aufwendigen Goldschmuck aus dem Haus gegangen war. Am Straßenrand fragt er einen Mönch nach ihr und der antwortet ihm: „Ich habe nur ein Gebiß schnell vorbeigehen sehen.“ Dieser Mönch hatte sich an die Regeln Buddhas gehalten, „nämlich seine Sinne zu behüten und alles in seine Einzelteile zu zerlegen. Es war ihm klar, daß man nicht immer auf das Ganze schauen muß, weil es einen dazu veranlassen kann, Begierden hochkommen zu lassen“ (Ayya Khema 1997, S. 67).

Der Buddhismus ist die wohl sexualfeindlichste Religion, bzw. „Lehre“, die es je gegeben hat. Von Anbeginn ist er ein Pesthauch aus der Wüste, der alles Leben verdorren läßt. Der Lebensdurst, d.h. insbesondere der Geschlechtstrieb, Trishna (im Indischen ist dieser Begriff weiblichen Geschlechts), ist männlicher Zucht zu unterwerfen,(4) um ja keine „Begierden hochkommen zu lassen“. Das Lebendige wird schon an seinen Wurzeln verteufelt. Oder wie der bereits zitierte Lama Matthieu Ricard, ein enger Mitarbeiter des Dalai Lama, sagt:

Sämtliche geistigen Ereignisse, Gefühlsregungen und Triebe sind wie die Äste eines Baumes. Schneidet man sie ab, so wachsen sie nach. Kappt man den Baum dagegen an der Wurzel, indem man die Anhänglichkeit ans Ego auflöst, fallen alle Äste, Blätter und Früchte auf einen Schlag (Revel, Ricard 1999).

Diese dumm-dumpfe Lebensfeindlichkeit führt zu den abstrusesten Konsequenzen, wie etwa bei Ayya Khema:

Jemand, der erleuchtet ist, würde keine Kinder in die Welt setzen. Er hätte nicht mehr die Begierde, den Sexualakt zu vollziehen, und damit würde das Kinderkriegen wohl wegfallen. Aber da sehr wenige Menschen erleuchtet sind, gibt es sehr viele Menschen (Ayya Khema 1997, S. 103).

Es ist typisch für die buddhistische Dialektik, die westliche Intellektuelle ähnlich anzieht wie einst der Dialektische Materialismus, daß der Buddhismus gleichzeitig jeder Frau, die die Geburt ihres Kindes durch Empfängnisverhütung oder Abortus hintertreibt, droht, sie werde später als Lohn ihrer Tat nicht als Mensch, sondern als Tier wiedergeboren, wodurch für sie das Nirvana für immer unerreichbar wird. Gemäß dem Gesetz des Karma erntet sie nur die Frucht ihrer Tat, einer Seele zu verwehren, als Mensch auf die Erde zurückzukehren.

Feindbild des Buddhismus sind die „säuischen Schweine“ (Verblendung), die „geilen Böcke“ (in Asien die „geilen Hähne“ als Symbol der Gier) und die „hinterhältigen Schlangen“ (Hass). Die Einstellung, die der Buddhismus gegenüber der orgastischen Plasmazuckung hegt, welche den Menschen zur fließenden Amöbe, zum sich schlängelnden Wurm, zur zuckenden Qualle reduziert, wird allein schon daraus ersichtlich, daß nach buddhistischem Glauben der Wollüstige als Kriechtier, z.B. als Schlange, wiedergeboren wird.

Der orgiastische, zyklische Fruchtbarkeitsgott Dionysos ist Gegenspieler und „Versucher“ Buddhas. In Indien ist er als Kama („Sinnesverlangen“) bzw. Mara („Herr der Begierden“) bekannt. Dessen verführerischen Töchtern ruft Buddha im Augenblick höchster Bedrängnis entgegen: „Euer Körper ist ein Sumpf aus Abfällen, ein infektiöser Haufen aus Unreinheiten. Wie kann man sich an solch umherwandernden Latrinen erfreuen?“ (Trimondi, Trimondi 1999, S. 35).

Dergestalt geht die extreme Sexualfeindlichkeit mit viehischem Frauenhaß einher. Dem Pali-Kanon des Theravada zufolge sagte Buddha, der Erleuchtete:

Besser wäre es, Einfältiger, wenn Dein Geschlecht in den Mund einer giftigen und schrecklichen Schlange eindränge, als daß es in eine Frau eindringt. Besser wäre es, Einfältiger, wenn dein Geschlecht in einen Backofen eindränge, als daß es in eine Frau eindringt (Trimondi, Trimondi 1999, S. 36).

In einem tibetischen Meditationstext heißt es, die Vagina sei „äußerst unrein und übelriechend. Denn diese ist mit Eiter, Blut, Getier und anderem völlig angefüllt. Diese sehr beengende dunkle Höhlung ist ein Sammelpunkt größter Schrecken“ (Goldner 1999, S. 75).

Auch sonst solle man sich, rät Buddha, vor den Frauen hüten, denn auf eine kluge kämen tausend dumme oder schlechte. Die Frau sei wild und hinterhältig wie ein Räuber. Nur selten spräche sie die Wahrheit. Ohnehin sei für Frauen Wahrheit und Lüge ein und dasselbe. Sie seien darüber hinaus jähzornig, eifersüchtig und neidisch. Das bedeutet nichts anderes, als daß für Buddha die Frauen das Verderben schlechthin sind. Für Frauen, die zu weich und zu sehr in die Natur eingebunden sind, hat Buddha keine Verwendung. Nur Männer können ins Nirvana eingehen, während sogar der Islam für Frauen einen Platz im Himmel vorsieht. Für den späten „liberalen“ Mahayana-Buddhismus ist eines der 48 Gelübde des Amitabha-Buddha charakteristisch: er werde nicht eher ins Nirvana eingehen, bevor nicht alle Menschen in seinem „Reinen Land“, dem reinen, d.h. frauen-freien, buddhistischen Paradies, als Mann wiedergeboren worden sind.

Westliche Ideologen des Buddhismus verweisen gerne darauf, daß doch die Buddhas und Bodhisattvas vollkommen geschlechtslose Wesen seien, bzw. eindeutig feminine Züge trügen. Und in der Tat gab es insbesondere im chinesischen Buddhismus viele heilige Männer, die sich selbst entmannt haben, um das Nirvana zu erlangen. Noch heute gibt es im hinduistischen Indien 50 000 bis 100 000 Eunuchen, die unter Gurus organisiert sind. Durch ihren Guru werden sie in einer mehr oder weniger freiwilligen religiösen Zeremonie kastriert, d.h. Penis und Hoden werden beim Erwachsenen abgebunden und dann abgeschnitten. Bezeichnend ist nun, daß der Akt der Kastration und der Zustand nach der Kastration von ihnen Nirvana (sic!) genannt wird (ein Begriff, den sie mit „Ende des Lebens“ übersetzen).

 

 

b. Nekrophilie

Lust (rati), Sehnsucht (arati) und Begierde (trishna) sollen ein für allemal „abgeschnitten“ werden, das leidvolle, da sexuell unbefriedigende Leben ein für allemal aufhören. Diese „Begierde dazusein, den Überlebensdrang, den jedes Lebewesen in sich hat – ob Mensch oder Fliege oder Baum –, benennen wir“, schreibt die unüberbietbare Lebensfeindin Ayya Khema, „auch mit dem unverfänglicheren Begriff 'Lebensenergie'. Das sind aber alles nur verschiedene Wörter für ein und dasselbe. Es handelt sich immer wieder um die Gier, hier anwesend und gesichert zu sein“ (Ayya Khema 1997, S. 41). Diese Theravada-Nonne sagt damit nicht mehr und nicht weniger, als daß für den Buddhismus die Lebensenergie, das Lebendige per se, das Böse schlechthin ist.

Ziel des Buddhismus ist die Stille des Todes. Oder wie es Ayya Khema mit dankenswerter Klarheit ausdrückt: „die Lehre Buddhas schwimmt nicht mit dem Strom unserer Instinkte“ (Ayya Khema 1998, S. 38). Das kommt in den Sprachbildern ganz klar zum Ausdruck: während es im Buddhismus immer darum geht, Flüsse unbeschadet zu überqueren und Meere zu glätten (von jeher war der zentrale Mythos des Patriarchats Dämme aufzurichten), sprach Wilhelm Reich davon, Dämme einzureißen, Ventile zu öffnen und es strömen zu lassen.

Ein entsprechendes Bild ist der Wind: Ziel des Buddhisten ist buchstäblich die „Windstille“ (nirvana), wobei man wissen muß, daß „Luft“ (tibetisch lung) für die Lebensenergie-Ströme im Körper steht. Schon rein etymologisch könnte man Atman, das zu überwindende illusorische Ich, mit dem deutschen „Atmen“ gleichsetzen, dann wäre Anatman (das „Nicht-Ich“) so etwas wie „Nicht-Atmen“. Bei der tantrischen Erleuchtung, die mit der „Vision der Leere“ eins ist, sind „alle Winde und damit auch alle Manifestationen des Seins (...) zum Stillstand gebracht – über den Wipfeln ist Ruh.“

Der Yogi hält die 21 600 Atemzüge einer Nacht und eines Tages an, das heißt, er braucht nicht mehr zu atmen. Seine materiellen körperlichen Aggregate sind aufgelöst. Völlige Bewegungslosigkeit tritt ein, alle sexuellen Leidenschaften schwinden und werden durch die „unbewegte Lust“ ersetzt (Trimondi, Trimondi 1999, S. 208).

Ziel ist buchstäblich der regungslose, „atemlose“, atman-lose Zustand eines Leichnams. Wetering erinnert sich, wie ein Freund nach einer besonders anstrengenden dreimonatigen Zen-Schulung zu ihm sagte, er sei gestorben: „Ich bin tot. Ich habe mein Ego hinter mir gelassen. Ich bin nicht mehr hier. Ich bin frei. Nichts kann mehr passieren.“ Wetering erzählt, wie sich sein Freund auf den Boden des Zimmers legte „und eine Leiche war“, dann wieder aufsprang und herumalberte: „Tote sammeln kein Karma an“ (Wetering 2001, S. 174).

Der Buddhismus spricht vom Verwehen der Daseinsfaktoren (nirvana), ihrer Substanzlosigkeit (Leere, shunyata) oder ihrer Sublimierung (Buddha-Natur: alles ist wesenlos und deshalb ist alles identisch). Man schaut durch die flüchtigen Daseinsfaktoren (dharmas, nicht zu verwechseln mit dem Dharma, der Lehre) hindurch auf die hinter ihnen liegende Leere. Das Universum ist ohne Gott, es ist tot und leer, es ist leblos. Mit dem „Leersein von Abgetrenntheit“ (eine beschönigende Umschreibung der substanzlosen Leere) gibt es keine Spannung und keine Überlagerung mehr. „Leerheit“ ist Kernlosigkeit: nichts existiert aus sich selbst heraus! Alle Potentialunterschiede werden aufgehoben. Es gibt kein Auf und Ab der Energie mehr. Alles sinkt auf Meeresniveau ab. Lama Ole Nydahl beschreibt das plastisch mit den Worten:

Im Vergleich mit der Strahlkraft des offenen und unbegrenzten Raumes ist alles Leid, sogar der spannendste Augenblick oder Liebe (!). Auch die schönste Welle ist weniger erfüllend als das Meer selbst (Nydahl 1994, S. 22).

Nydahl bringt hier die Sehnsucht des (männlich konnotierten) „allumfassenden Mitgefühls“ (karuna) nach der (weiblich konnotierten) „Leerheit“ zum Ausdruck, die, wie wir anhand von Auschwitz gesehen haben, identisch ist mit der ebenfalls weiblichen „Weisheit“ (prajna). Im Vajrayana wird Mitgefühl mit dem Lustverlangen, dem eine Tendenz zur Überwindung der Trennung zwischen Ich und Du eigen ist, gleichgesetzt (Gäng 1996, S. 199f). Nichts anderes stellen die im Lotussitz kopulierenden Buddhas auf den tibetischen Thangkas dar! Wir sprachen bereits davon, daß „Mitgefühl“ der sozusagen „tantrische“ Sex der Theravadin und der Mahayana-Buddhisten ist.

 

 

 

7. Sexualmagie

a. Buddha-Sex

Die Sehnsucht nach dem Nirvana ist schlicht und ergreifend Orgasmussehnsucht. Als der angehende Buddha seinen Palast verläßt, um Wandermönch zu werden, bedrängt ihn einer seiner Diener, daß er doch seine Jugend genießen solle, im Alter habe er immer noch Zeit zur Entsagung, darauf erwidert Buddha, daß er während zahlloser Existenzen die Freuden der Sinne gekostet und doch keine Sättigung gefunden habe. Deshalb ist alles Leben leidvoll: es befriedigt nicht!

Daß es im Buddhismus einzig und allein um die „Sättigung“, eine endgültige, „finale“ orgastische Erfüllung geht, zeigt in unübertroffener Klarheit folgende Stelle aus einem Buch über „Zen-Meditation heute“. Es wird lamentiert, der Orgasmus, und der mit ihm naturnotwendig verbundene männliche Samenausstoß, würde die Vereinigung der Geschlechter stören, abbrechen und zerstören. Das habe zu dem Satz geführt: „Omne animal post coitum triste.“ Dieses Gefühl der Traurigkeit könne nur durch Verzicht auf den Orgasmus umgangen werden. Er beendige die Vereinigung der Geschlechter: „Es war so schön, und nun ist alles aus“ – mit dieser Empfindung werde wohl meistens das vertraute Beisammensein der Liebenden abgeschlossen. Und das Zen-Buch fragt:

Muß das so sein? Muß der Mensch dieser Naturnotwendigkeit gehorchen, oder kann er sich, Kraft seiner Freiheit, über sie erheben? Ist der Mensch der Knecht oder der Herr seiner Sexualität? Wie viel hängt von der Antwort auf diese Frage für die Zukunft des Menschengeschlechts ab! (Kurtz 1971, S. 83).

Betrachten wir zu dieser „Menschheitsfrage“ zwei Bücher über buddhistische Sexualität. Zunächst Philip Toshio Sudos Buch über „Zen-Sex“ (Sudo 2002), dem zufolge „alles Lebendige von einer pulsierenden Energie durchdrungen (wird), einer sexuellen Lebenskraft. Wir alle sind aus ihr geboren, wir alle verkörpern sie.“ Und je stärker wir unsere Sinne auf sie ausrichten, „desto intensiver spüren wir sie und können sie in unserem Leben und Lieben zum Ausdruck bringen“ (Sudo 2002, S. 16). Regelrecht „Reichianische“ Sätze, aber sobald die Genitale Umarmung mit einbezogen wird, wird deutlich, worauf das ganze letztendlich hinausläuft: Man solle den „Geist Buddhas“ in das Liebesspiel einbringen. Darin läge der „wahre transzendente Höhepunkt“ des Liebesakts (Sudo 2002, S. 165).

Sudo ist Anhänger von Ikkyu Sojun (1394-1481). Dieser generell hochverehrte Zen-Meister „spottete über die Klosterregeln und die extreme Selbstverleugnung. Immer wieder pries er es in Gedichten, Wein und die körperliche Liebe zu genießen, sich eine Geliebte zu nehmen und (!) Bordelle zu besuchen“ (Sudo 2002, S. 13). Meister Sojun war demnach kaum mehr als ein gewöhnlicher (dazu auch noch bisexuell veranlagter) Hurenbock, wie man ihn in allen Klöstern (insbesondere in tibetischen) antrifft. Ein Perverser, der sich „mit Wachsamkeit“ prolongierten prägenitalen Genüssen hingab – und seine Eskapaden als Frucht des alle Emotionen und Gefühle einebnenden Prajna drapierte.

Diese „weise“ Haltung durchzieht Sudos gesamtes Buch. Es spielt keine Rolle, was man tut, solange man es wachsam tut und als „Quelle der Vertiefung“ nutzt: „Egal, wie Sie zum Zen kommen – durch das Bogenschießen, das Warten eines Motorrads, Ikebana, Kampfsport, Gitarre spielen oder beim Liebesspiel –, der Fortschritt, den Sie in Richtung Erleuchtung machen, ist der gleiche“ (Sudo 2002, S. 14f). Werkeln am Motorrad, Boxen oder das „Liebesspiel“ – für Zen ist das alles ein und dieselbe Ebene.

Bei genauerer Betrachtung geht es auch gar nicht um Hingabe an die alles durchdringende „sexuelle Lebenskraft“, sondern – um Askese: „Wenn wir der Lust gestatten, uns zu kontrollieren, ist“, schreibt Sudo, „unser Verhalten letztlich von Ignoranz, Egoismus und Selbstgefälligkeit geprägt; wir werden nie damit zufrieden sein, was wir haben oder sind. Doch wir können das Verlangen unter Kontrolle halten, wenn wir es begreifen und sein Wesen kennen“ (Sudo 2002, S. 26). Und weiter sagt uns Sudo:

Sie können nicht lebendiger werden, als Sie schon sind – aber Sie können ein Bewußtsein dafür entwickeln, was Leben eigentlich ist. Sobald wir begriffen haben, daß wir genau daraus gemacht sind, wonach wir suchen, beginnen wir mit der Kontrolle unserer Begierden (Sudo 2002, S. 28).

Oder mit anderen Worten: sobald wir die „Lebenskraft“ erkennen, können wir sie kontrollieren. „Wir können alle davon profitieren, uns innerlich etwas zu bremsen, egal bei welchem Anlass“ (Sudo 2002, S. 57).

Was es mit dem buddhistischen Gerede über die „Lebenskraft“ bzw. „Lebensenergie“ wirklich auf sich hat, wird deutlicher, wenn wir uns einem vom Lamaismus inspirierten Sex-Buch zuwenden. Christian Salvesens Buch über den „sechsten Tibeter“ thematisiert, was bei Sudo nur angedeutet wird: die „alchimistische Umwandlung“ der sexuellen Lebenskraft (Salvesen 2001, S. 12). Wie man sich das konkret vorzustellen hat, wird deutlich, wenn Salvesen schreibt, man solle während des Geschlechtsverkehrs innerlich umschalten „von der treibenden Kraft des Körpers auf das Spüren des Zusammenseins. Für Männer bedeutet das: Aufschub des Samenergusses“ (Salvesen 2001, S. 60). Statt daß Erregung motorisch entladen wird (orgastische Potenz), staut sich die Erregung (orgastische Impotenz). „Der Bogen wird weiter gespannt“ (Salvesen 2001, S. 60).

Die Yoga-Übung des „sechsten Tibeters“ hilft Männern, ihre Ejakulation besser zu kontrollieren, indem sie kurz vor der Ejakulation After- und Beckenboden-Muskeln anspannen und, so Salvesen, „die Samenflüssigkeit nach innen lenken, also 'injakulieren'“! (Salvesen 2001, S. 105). Um dieses Kunststück zu bemeistern, empfiehlt Salvesen, mit dem Hinauszögern der Ejakulation bei der Masturbation zu experimentieren (Salvesen 2001, S. 166). Wohl die wenigsten Leser von Der Sechste „Tibeter“ ahnen, daß diese Art von masochistischer Onanie(5) zum Trainingsprogramm der tibetischen Yogi, z.B. des Dalai Lama, gehört, mit dem sie sich zunächst darauf vorbereiten, unter keinen Umständen in ihre „Weisheitsgefährtinnen“ zu ejakulieren – denn das wäre ihr spiritueller Tod. Das Sexualorgan wird, so (schreibt und praktiziert es) der Dalai Lama, „zwar benutzt, aber der Fluß der Energie wird völlig beherrscht. Die Energie sollte sich niemals entladen“ (Goldner 1999, S. 151f).

Bei höheren Einweihungsstufen dürfen Lamas zwar „ejakulieren“ (d.h. die Samenflüssigkeit unter Kontrolle des Bewußtseins „achtsam“ abfließen lassen), sie sollen dann aber in der Lage sein, ihr nun mit weiblichen Sekreten vermischtes Sperma wieder durch den Harnleiter aufzusaugen. Der Dalai Lama höchstpersönlich referiert:

Eine besondere Übung, an der man die Fähigkeit zur Kontrolle (des Samenflusses) messen kann, besteht darin, einen Strohhalm in das Genital einzuführen. Zuerst zieht der Yogi Wasser, später dann Milch durch den Strohhalm herauf. Damit wird die Fähigkeit der Umkehr des Flusses während des Geschlechtsverkehrs geübt (Trimondi, Trimondi 1999, S. 349f).

Das, das Wiederaufsaugen des mit dem weiblichen Sekret vermischten Spermas, ist die buchstäblich „alchimistische Umwandlung sexueller Energie“ von der Salvesen faselt.

Bei Sudo und Salvesen ist zwar viel von Liebe, Hingabe und Erotik die Rede, aber ihr „Buddha-Sex“ ähnelt eher dem Sexbusiness (wir erinnern uns an den Zen-Hurenbock) – oder dem rituellen Mißbrauch in satanistischen Sekten, – die ihre Rituale bei den lamaistischen Tantrikern abgeschaut haben. Für ihre strenggeheimen Praktiken werden den hohen Lamas von ihren Schülern Sexsklaven (meist Kinder, Mädchen und Frauen der Unterschicht) zur Verfügung gestellt. Da es zu keinerlei emotionaler Bindung kommt und das kostbare Sperma zurückgehalten bzw. zurückgeholt wird, wird das Zölibat nicht gebrochen.

 

 

b. Der Erleuchtungsgeist

Der Verweis auf Teufelssekten und organisierte Kinderficker ist nicht etwa abwegig, sondern leider allzu naheliegend! Während aus den Tantras Angst vor reifen Frauen spricht, die mit den gemeinsten Invektiven bedacht werden, wird auf tibetischen Thangkas offen die Vergewaltigung winziger Kindfrauen durch diverse Buddhas und Dämonen dargestellt. Gedün Chöpel, ein tibetischer Tantriker der 1930er Jahre, empfiehlt, das Mädchen vor dem rituellen Geschlechtsverkehr mit Honig und Bonbons zu füttern, warnt aber davor, daß es bei jungen Mädchen zu ernsten Schmerzen und Verwundungen der Genitalien kommen kann, wenn mit Gewalt in sie eingedrungen wird. Gegebenenfalls solle man sich zwischen ihren Schenkeln reiben, bis der aus sexual-alchimistischer Sicht so ungemein wertvolle „weibliche Samen“ austrete (Trimondi, Trimondi 1999, S. 80).

Im Lamaismus, dem „Phallusgefährt“ (vajrayana) des Buddhismus, ging und geht es buchstäblich um Frauenopfer, die den europäischen Hexenverbrennungen entsprechen. So sind etwa die weiblichen „Weisheitsbringerinnen“, die Dakinis, ursprünglich die ermordeten „Weisheitsgefährtinnen“ tantrischer Meister. In einem Kommentar zu einem Tantra wird eine „Weisheitsgefährtin“ aus niederer Kaste (dombi) direkt angesprochen: „Ich töte dich, o Dombi, ich nehme dein Leben“ (Trimondi, Trimondi 1999, S. 99). Ursprünglich renitente Vertreterinnen matriarchalischer Weisheit, wurden die Dakinis durch ihren Foltertod auf magische Weise zu Dienerinnen des Buddhismus und durchstreifen nun als geläuterte Hexen die Lüfte („Himmelswandlerinnen“).(6)

Die Amerikanerin June Campbell, die von ihrem greisen Lama zu einer solchen untermenschlichen „Weisheitsgefährtin“ gemacht worden war, berichtet, daß ihr gleich nach Anfang der „Beziehung“ zu ihrem geistigen Vater Kalu Rinpoche eingebleut wurde, jede Indiskretion könne Probleme für sie bedeuten: sie könne verrückt werden, sogar sterben. Bereits in einem früheren Leben hätte Kalu Rinpoche mit einer renitenten Frau zu tun gehabt, die seine Position gefährdete. Deshalb habe er sie verhext, woraufhin sie erkrankt und gestorben sei. Und schließlich wurde Campbell plastisch vor Augen geführt, was ihr zustoßen könne: der Lama nahm sich nebenbei eine zweite „Weisheitsgefährtin“, eine zwanzigjährige Tibeterin, die bald darauf aus heiterem Himmel verstarb – angeblich an einer Herzattacke (Campbell 1997, S. 167).

Lamas sind die Verkörperung von orgastischer Impotenz und einem daraus fließenden alles erstickenden Lebensekel und mörderischem Lebenshass. Nicht von ungefähr kompensieren und kaschieren sie das mit ihrem aufdringlichen „mitfühlendem“ Getue und dem anzüglichen Grinsen, das für sie so charakteristisch ist. Zwar geht jedweder Mystizismus mit einem ungeheuren Sadismus einher (Reich 1949a), aber bei keiner anderen Religion zeigt sich die „phallische Aggression“ nackter, ungenierter und obszöner. Symbolisiert wird die mörderische Obszönität durch das phallische Machtsymbol des Vajrayana; das „Phallus-Zepter“ (ursprünglich der „Donnerkeil“ Indras), das die Welt der Erscheinungen (maya) mit Gewalt stumpf durchstoßen soll, auf daß sie wie ein Hymen zerreißt.

Man kann die mörderische Mentalität des Lamaismus gar nicht besser zusammenfassen, als es der Psychologe Colin Goldner getan hat:

Die sado-masochistische Nekrophilie der tibetischen Mönchskultur (...) basiert auf einer pathologischen Aggression gegen alles Lebendige. Diese Aggression ist unvermeidlicher Ausfluß der prinzipiell lebensverneinenden Haltung des Buddhismus, die sich ausschließlich um Krankheit, Siechtum, Leiden im Alter, Sterben und Tod dreht: die Welt als zu überwindendes Jammertal. (...) Psychodynamisch besehen dürfte die Ursache für solche Affinität der Mönche und Lamas zu jeder nur denkbaren Form sado-masochistischer Gewalt in der völlig gefühlskalten und zugleich von Teufeln, Dämonen und Totengeistern aufs Horrendeste besetzten Erziehung zu suchen sein, der sie ein Leben lang ausgesetzt sind; von der systematischen Vernichtung alles „Weiblichen“ (...) gar nicht zu sprechen (Goldner 1999, S. 168f).

„Trotz“ all dem Mord und Todschlag: Tantra-Sex ist natürlich eine hochspirituelle Angelegenheit, bei der es um einen buchstäblichen „Hirnorgasmus“ geht. Zunächst merzt das weibliche Feuer Candali, das als ein wütendes, rasendes Mädchen aus der untersten Kaste imaginiert wird, von unten nach oben die fünf Chakras aus. Dergestalt vernichtet sich das weiblich konnotierte Begehren (trishna) in seiner blinden Raserei selbst. Die Hexe stirbt auf dem Scheiterhaufen des Körpers. Schließlich erreicht das lodernde Feuer der Begierde das Hirn-Chakra, wo es das dort in einer Schale ruhende männliche Sperma (bodhicitta) auftaut. Es wird sozusagen die Eiskappe des Weltenberges Meru weggeschmolzen.

Im nächsten Schritt tropft das „Schmelzwasser“ in die niederen Regionen herab, die vom Feuer der Begierde ausgebrannt wurden. Der Weg für das Bodhicitta (den „Erleuchtungsgeist“) ist jetzt frei, da der Körper entkernt und „ich-los“ ist. Bei diesem heilsamen Abstieg werden die verkohlten Überreste Chakra um Chakra gelöscht. Schließlich gelangt das Bodhicitta, also das Sperma, an die Spitze des erigierten Penis, wo es erneut „vereist“. Von der Penisspitze (gegebenenfalls vereinigt mit dem „weiblichen roten Sperma“ des Vergewaltigungsopfers, das die Weisheit und die Leere verkörpert) steigt das Bodhicitta von Neuem die Chakras empor und erschafft auf dem Weg nach oben einen neuen leeren und von Weisheit durchdrungenen „Diamantenkörper“, der transparent und deshalb für karmische Einflüsse vollkommen durchlässig, aber gleichzeitig auch unendlich hart, unzerstörbar und deshalb allgewaltig ist. Vorher waren wir unser Körper und den Unbilden der Welt schutzlos ausgeliefert, jetzt haben wir einen Körper, ein perfektes Werkzeug – mit dem wir die Welt ficken können. Schließlich erreicht das Sperma die Schädeldecke und ergießt sich im besagten extragenitalen Orgasmus in die unendliche Leere: Nirvana.

Dieser „Buddha-Sex“ beinhaltet den gesamten Buddhismus: die feurige Erregung (candali) wird vollkommen von der kühlen unbeteiligten Wahrnehmung (bodhicitta) ersetzt, die schließlich mit dem entgrenzten Raum (der Leere) eins wird. So erweist sich der Berg Meru als der eigentliche Penis. Der „Erleuchtungsgeist“ stößt tatsächlich ein Loch durch den Schädel (zumindest durch die Kopfhaut). Man denke an die Erhöhung des Schädelknochens bei den Buddha-Figuren, die im siamesischen Kulturkreis als Flamme auf dem Kopf dargestellt wird. Buddha-Statuen (plastische Darstellungen des „Erleuchtungsgeistes“) sind nichts anderes als erigierte Penisse!

 

 

 

Literatur

Ayya Khema 1997: Das Geheimnis von Leben und Tod, Bern
Ayya Khema 1998: Die Ewigkeit ist jetzt, Bern
Baker EF 1967: Der Mensch in der Falle, München 1980
Campbell J 1997: Göttinnen, Dakinis und ganz normale Frauen, Berlin
Crist PA 1995: Impulsivity and Its Bioenergetic Relationship to ADHD. Journal of Orgonomy (Princeton, N.J.) 29(2):115-144
Dalai Lama 1991: Einführung in den Buddhismus, Grafing
Eberhard W 1990: Lexikon chinesischer Symbole, München
Gäng P 1996: Was ist Buddhismus?, Frankfurt
Goldner C 1999: Dalai Lama, Aschaffenburg
Harman RA 1999: Effects of Adolescent Marijuana Use: A Case History. Journal of Orgonomy (Princeton, N.J.) 33(1&2):95-113
Kamphuis M 2000: Ich war Buddhist, Basel
Kurtz W 1971: Das Kleinod in der Lotusblüte, Stuttgart
Mensching G 2001: Buddha und Christus, Freiburg
Nydahl O 1994: Wie die Dinge sind, Sulzberg
Pauls GM 2003: Bernard Glassman legt Zeugnis ab. Körper Geist Seele (Hamburg) 10/2003
Reich W 1949a: Äther, Gott und Teufel, Frankfurt 1983
Reich W 1949b: Charakteranalyse, Köln 1989
Reich W 1953: Die kosmische Überlagerung, Frankfurt 1997
Revel JF, Ricard M 1999: Der Mönch und der Philosoph, Köln
Salvesen C 2001: Der Sechste „Tibeter“, München
Sudo PT 2002: Zen-Sex, München
Trimondi V, Trimondi V 1999: Der Schatten des Dalai Lama, Düsseldorf
Trimondi V, Trimondi V 2002: Hitler. Buddha. Krishna, Wien
Victoria B 1999: Zen, Nationalismus und Krieg, Berlin
Wetering J. van de 2001: Reine Leere, Reinbek
Zotz V 2000: Auf den glückseligen Inseln, Berlin

siehe auch Victor und Victoria Trimondis
www.trimondi.de

 

 


Fußnoten

(1) Der amerikanische Psychiater Elsworth F. Baker, ein Schüler von Wilhelm Reich, hat ausgeführt, daß Verachtung mit der Verschiebung von Energie vom Becken zum Kopf verbunden ist. Verachtung sei im Grunde eine Ablehnung des anrüchigen Genitals und wird gegenüber allen jenen ausgedrückt, die wir für sexueller halten als uns selbst (Baker 1967, S. 76).

(2) Erhellend ist auch die Nähe des Buddhismus zu der sadomasochistischen Ich-Entgrenzung beim homosexuellen Philosophen Michel Foucault: das Leid der modernen Welt, in der „das Ich verschwindet“, wird ins Positive gewendet. Sowohl der Buddhismus als auch der sadomasochistische Philosoph in der Tradition de Sades feiern den kalten, distanzierten Blick. Es hat eine tiefere Bedeutung, wenn Foucault im Spiegel (14/93) wie folgt beschrieben wird: „Kahlgeschoren (...) und von einer ironischen Aura umgeben (...): halb Buddha, halb Mephisto.“ Foucault hat den AIDS-Tod als menschliche „Grenzerfahrung“ gesucht. Bei schwulen Orgien höre man auf, „in sein eigenes Gesicht, in seine eigene Vergangenheit, in seine eigene Identität eingesperrt zu sein“. Er starb wie ein buddhistischer Mönch: „Nie, so versicherten Freunde, habe Foucault so viel Gelassenheit ausgestrahlt wie im Angesicht des nahenden Todes.“

(3) Ich verweise auf den Dokumentarfilm Blindsight (2006) der englischen Dokumentarfilmerin Lucy Walker. Dort ist zu sehen, wie blinde Kinder in Nepal wegen ihres „schlechten Karmas“ von den Einheimischen verachtet und gehaßt werden.

(4) Bezeichnenderweise heißt im Chinesischen Unzucht „Yin“, wird also genauso ausgesprochen (obwohl das Schriftzeichen ein anderes ist) wie das Wort für die weibliche Naturkraft (yin), dem Gegensatz des männlichen Yang. Ein chinesischer Buddhist des 19. Jahrhunderts schrieb:

Von den drei Verboten im Leben des Menschen ist Sex das erste: es schafft Schuld und Sünde in zehntausendfachen Arten. Aber am schlimmsten von diesen ist die Unzucht (yin)! Die Götter sehen sie, selbst wenn sie in einem dunklen Haus passiert (Eberhard 1997, S. 266).

(5) Aus Wilhelm Reichs Fallstudie einer schweren masochistischen Perversion:

Er hatte nie mit Mädchen Verkehr gepflogen, onanierte aber allnächtlich stundenlang in der typischen Weise, die prägenitale Libidostrukturen kennzeichnet. Er wälzte sich auf dem Bauche, phantasierte dabei, daß ein Mann oder Frau ihn mit einer Geißel schlage, und quetschte am Glied herum. Er onanierte (...), indem er (...) das Glied knetete, zwischen die Beine klemmte, zwischen den Handflächen rieb usw. Kündigte sich der Samenerguß an, so hielt er zurück und wartete, bis die Erregung verging, um dann von Neuem anzufangen. So onanierte er nächtlich, oft auch am Tage, stundenlang, bis er schließlich ganz erschöpft einen fließenden Samenerguß zuließ (Reich 1949b, S. 295).

(6) Der buddhistische Tantrismus stammt ursprünglich aus Bengalen, einem letzten Rückzugsgebiet matriarchalischer Stämme, die schließlich doch durch die „arischen“ Eroberer unterworfen und vergewaltigt wurden. Die Unterwerfung Tibets läßt sich ebenfalls als „Arisierung“ beschreiben: die Unterjochung matriarchalischer Reststrukturen durch einen Männerorden. Die Kreuzigung der tibetischen Erdgöttin Srinmo mit „Phallusdolchen“ (phurbu) haben die Trimondis ausführlich diskutiert (Trimondi, Trimondi 1999, S. 352ff).


zuletzt geändert
14.12.13

 

 


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